Foodie

Gemüse und Obst und Honig, Gänse, Schweine und Lämmer (Teil 1)

Ostromecko liegt in der erst 1999 eingerichteten polnischen Woiwodschaft Kujawien-Pommern. Ostromecko, deutsch auch Ostrometzko genannt, gehört zur Gemeinde Dąbrowa Chełmińska, die 7 km südwestlich liegt. Zudem gehört Ostromecko zum Kreis (Powiat) Bydgoszcz. Bydgoszcz, einst auch Bromberg genannt, liegt 15 km östlich von Ostromecko. Sie ist die größte Stadt der Woiwodschaft, wo auch der Woiwode residiert. Zwischen Ostromecko und Bydgoszcz verläuft das untere Weichseltal mit dem Weichselknie“, einem der schönsten Abschnitte an diesem majestätischen Fluss, auf dem heute auch erfolgreich touristische Kajaktouren angeboten werden. In Ostromecko ist ein Teil dieses Gebietes, exakt 31,8 Hektar, als Naturpark Marienwald geschützt.

Entstanden ist er indes schon im 19. Jh. als Marienpark, benannt nach Marta Matilda Maria Alvensleben-Schönborn (1854 – 1915). Sie war auch Namensgeberin des bis heute bekanntesten Produktes aus Ostromecko, des seit 1894 abgefüllten Mineralwassers aus der Sauerbrunnen-Marienquelle, das heute als Mineralwasser „Ostromecko“ nicht nur in guten Restaurants und Hotels wie dem „1231“ in Toruń ausgeschenkt wird, sondern sogar im polnischen Parlament, dem Sejm in Warschau, bereit stehen soll.

Schließlich liegt Ostromecko auch nur 30 km nordwestlich von Toruń, dem alten Thorn, heute auch Sitz des Regionalparlaments der Woiwodschaft. Nur am Rande: Fährt man von Toruń nach Ostromecko, passiert man nach dem Ortsausgang auch ein am Waldrand stehendes Denkmal für den ermordeten katholischen Priester Jerzy Popiełuszko (1947 – 1984). Er war am 19. Oktober 1984 nahe Toruń von drei Offizieren des polnischen kommunistischen Staatssicherheitsdienstes Służba Bezpieczeństwa entführt worden. Die Leiche des Ertränkten wurde am 30.10.1984 im Weichsel-Stausee bei Włocławek gefunden. 2010 wurde Jerzy Popiełuszko seliggesprochen…

Höchstes Gebäude in Ostromecko ist der Glockenturm der 1763 – 1764 erbauten Sankt-Nikolaus-Kirche. Dann aber bietet Ostromecko eine erste kleine Sensation: Es gibt gleich zwei Schlösser. Am Dorfende macht die Dorfstraße einen Knick und gibt den Zugang zum Schloss- und Parkensemble Ostromecko frei. Die Anlage auf einer Hügelkuppe oberhalb der Weichsel ist mit 38 Hektar Fläche geradezu riesig. Und allein schon der Park, der Ende des 19. Jh.s sogar über eine Fasanerie und ein Rotwildgehege verfügt haben soll, ist eine besondere Attraktion. Schon 2009 wurde er zum zweitschönsten Park in Polen gekürt. Bis 2018 wie auch die zwei Schlösser restauriert, ist er heute noch deutlich schöner. Hier kreuzen sich – bestens und geschmackvoll ausgeschildert – Schinkel- und Lenné-Allee, von Alvensleben- und Mostowski-Allee. Während der Zeit des sozialistischen Polens wurde das gesamte Ensemble als Heim für Gehörlose genutzt. Welch ein Wandel!

Altes Schloss, das 1758 – 1766 im Stil des Spätbarocks erbaut wurde. Foto: Ellen Spielmann
Altes Schloss, das 1758 – 1766 im Stil des Spätbarocks erbaut wurde. Foto: Ellen Spielmann

Erst einmal zieht es uns zum sog. Alten Schloss, das 1758 – 1766 im Stil des Spätbarocks erbaut wurde. Es ist heute ein Museum, erzählt von der Geschichte des Anwesens wie des Dorfes und beherbergt seit dem Jahr 2000 eine der größten Klaviersammlungen in Polen. Die entstand seit 1978 auf Initiative von Andrzej Szwalbe, 1953 – 1991 erster Direktor der Pommerschen Philharmonie. Sie umfasst Flügel, Pianos, Tisch- und sogar ein vom friedvollen Museumskater bewachtes uraltes Reisepiano. Seit 2016 existiert auch ein zweisprachiger, polnisch-englischer Katalog zur beeindruckenden Andrzej-Szwalbe-Kollektion. Beeindruckend sind indes auch die Räumlichkeiten, allen voran das Treppenhaus mit ritterlichen und ornamentalen Verzierungen sowie die mit Fahnen geschmückte Lobby.

Hier wird vor allem den Adelsfamilien Mostowski und Ostromecko, aber auch der Familie von Alvensleben gedacht. Denn dies Alte Schloss hat eine lange Vorgeschichte. Denn an dieser Stelle stand einst ein Rittergut des Deutschen Ordens. Erstmals erwähnt wurde Ostromecko als Ostromezk 1222 in einem Dokument, das Konrad von Masowien unterzeichnete. Darin lud er den Deutschen Orden ein, ihm gegen die Stämme der heidnischen Prußen (Pruzzen) zu helfen. Und so gelangte das Anwesen am auch strategisch wichtigen Weichselknie von 1231 bis etwa 1475 an den Deutschen Orden. Doch schon am Ende dieser „teutonischen“ Kolonialismus-Periode war das Gut im Besitz der einflussreichen polnischen Adelsfamilie Ostromecki. 1624 ging das Gut durch Einheirat an Jan Dorpowski, der Land entlang der Weichsel an Mennoniten verpachtete, die hier Dörfer gründeten. Um 1680 ging das Gut dann ebenfalls durch Einheirat an die polnische Adelsfamilie Mostowski. 1708 brannte das alte Gutshaus während des Großen Nordischen Kriegs ab und wurde geplündert.

Bogdan Mostowski ließ dann 1738 – 1744 ein neues einstöckiges Herrenhaus erbauen, das Georg Friedrich Steiner malte. 1748 gelangte der Besitz in die Hand des Woiwoden von Pommern, Michal Dolega. Danach wurde das Herrenhaus barock ausgebaut. Nach der ersten polnischen Teilung 1772 wurde Ostromecko Teil des neuen Königreichs Preußen, das Gut wurde versteigert. Nach diversen deutschen Eignern gelangte das Gut 1804 in den Besitz der von Schönborn, ehe dann Albrecht von Alvensleben-Schönborn (1840 – 1928) 1873 die letzte Erbin Marta Matilda Maria Schönborn ehelichte.

Der gesamte Besitz erstreckte sich um 1900 über mehr als 3000 Hektar Land. 1920 ging Ostromecko wieder an Polen, doch das Gut wurde weiterhin von Joachim von Alvensleben geführt, der polnischer Bürger deutscher Nationalität wurde. Im September 1939 besetzten deutsche Truppen während ihres Angriffskriegs auf Polen Dorf und Gut, zuvor kam es hier zu Gräueltaten einer lokalen deutschen „Selbstschutz“-Miliz: 60 Polen wurden ermordeten. 1940 füllte sich das Alte Schloss zudem mit englischen Kriegsgefangenen. 1943 ging das Anwesen in den Besitz des „Dritten Reichs“.

Speiseraum im Schloss. Foto: Ellen Spielmann
Speiseraum im Schloss. Foto: Ellen Spielmann

Im prächtigen Neuen Schloss, das ab 1832 nach Plänen aus dem Architekturbüro von Karl Friedrich Schinkel und dann bis 1849 durch Schinkel-Schüler Eduard Titz im klassizistischen Stil entstand, während gleichzeitig der Park im englischen Stil nach Plänen von Peter Joseph Lenné erwuchs, unterhielt die Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg eine Funk-Überwachungsstation. Zudem war hier ein Teil der im Herbst 1944 aufgestellten, mit Hitler paktierenden Wlassow-Armee stationiert. Nahebei ein Flughafen mit Verbindung nach Berlin eingerichtet. Heute ist das Neue Schloss samt Orangerie und Mausoleum der von Alvensleben-Schönborn im Park perfekt restauriert. Die von Alvensleben zählen zu den ältesten preußischen Adelsfamilien und stammen wie die von Bismarck aus der Altmark. Das Neue Schloss beherbergt nun ein wunderbar elegant eingerichtetes Schlossrestaurant mit Schinkelsaal und in der ersten Etage auch ein Hotel mit herrlichen historischen Zimmern samt schick restaurierten Kachelöfen. Natürlich ist das Mobiliar nicht mehr original, doch authentisch zeithistorisch und geschmackvoll ausgewählt. Ein Raum im Erdgeschoss ist auch der historischen Klavierproduktion in Bydgoszcz gewidmet.

Seit 1996 ist die gesamte Anlage im Besitz der Stadt Bydgoszcz. Demnächst, so Kuratorin Alicja Dużyk, die hier auch für Kulturveranstaltungen verantwortlich, wird das Schloss mit einer neuen Attraktion aufwarten: Bis zum Juni/Juli 2022 entsteht hier eine Ausstellung zu den kulinarischen Schätzen in Kujawien-Pommern. Und die wird ein Muss für jeden „Foodie“ sein!


Informationen:

Polnisches Fremdenverkehrsamt, www.polen.travel 

Kujawsko-Pomorska Organizacja Turystyczna, https://kujawsko-pomorskie.travel/

Touristeninformation Toruń, www.visittorun.pl/ 

Fotos: Ellen Spielmann

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