Die Reise ist weit und doch so kurz. Ein kurzes Nippen am Glas genügt. Schon wähnt man sich direkt in einem Weinberg im sonnigen Südosten Frankreichs. An der Rhône, weit weg von der Spree, weit weg von Berlin. Dort hatte das Informationsbüro „Côtes du Rhône“ zu einem Lunch-Event geladen, in die Brasserie „Lamazère“, einem winzigen Stück Gallien im tiefsten Charlottenburg.
Zu kleinen Köstlichkeiten, zu Terrine, Hummus, Schinken und Käse, werden diverse ausgesuchte Weißweine kredenzt. Danach geht die Verkostung weiter, mit weißen und auch roten Gewächsen. Wohl der anschaulichste, der sinnlichste Weg, eine der bedeutendsten Weinregionen Frankreichs den Gästen zu präsentieren.
Geheimnis rund um nachhaltigen Weinanbau
Tiefrot leuchtet es aus dem Glas. Klar, frisch, fruchtig und zugleich trocken, so zeigt sich dieser Wein. Aromen von Kirschen, Heidelbeeren und Vanille machen sich bemerkbar. Leicht feurig der Abgang, dank einer pfeffrigen Note. „Art d’ être heureux“, so der klangvolle Namen. Im Weingut „Domaine Lefebvre d’ Anselme“ hat man ganze Arbeit geleistet. Wirklich gelungen, dieser Cuvée aus Grenache, Carignan, Syrah und Cinsault. Umso mehr freut sich Marin Lefebvre, dass der Wein den Anwesenden sichtlich mundet.
Der Jungwinzer hat den Weg nach Berlin nicht gescheut und lüftet so manches Geheimnis rund um nachhaltigen Weinanbau. So verzichtet er zu weiten Teilen auf den Einsatz von Pestiziden. Grasende Ziegen und Schafe entfernen das Unkraut zwischen den Weinbergen, gleichzeitig düngen sie den Boden. Die Lese erfolgt zudem größtenteils manuell.
Das Weingut liegt gut 30 Kilometer nördlich von Avignon, im tiefen Süden der Region. Hier ist der Boden, anders als im Norden, besonders facettenreich. Sand, weißer Kalkstein, Lehm-Kalkböden, Rollkiesel und Schotter fügen sich zu einem außergewöhnlich vielfältigen Untergrund. Die Rebsorten Grenache, Syrah und Mourvédre, aber auch Carignan und Cinsault bilden hier die Grundlage der Rot- und Roséweine. Die Weißweine werden aus Grenache Blanc, Clairette, Marsanne und Viognier erzeugt.
Fruchtige, vollmundige Weine
Côtes du Rhône, das bedeutet vor allem Rotwein. Hauptrebsorte ist entsprechend die Grenache, so auch bei dem gerade verkosteten Cuvée, mit ganzen 40 Prozent. Sie sorgt für fruchtige, vollmundige Weine voller Wärme. Syrah und Mourvèdre verleihen dem Wein würzige Noten sowie eine kräftige Farbe und Struktur und lassen ihn gut altern. Roséweine und fruchtige Primeurweine werden mit Cinsault-Trauben erzeugt, die für Finesse sorgen. Die Weißweine bestehen zu achtzig Prozent aus Grenache Blanc, Clairette, Marsanne, Roussanne, Bourboulenc und Viognier. Die Kompositionen aus diesen verschiedenen Rebsorten führen zu frischen, aromenreichen Weinen.
Côtes du Rhône. Für jeden, der französische Weine liebt, ist diese Region ein Muss. 23 Rebsorten. Neun Prozent der Fläche aller Weinbau-Gebiete Frankreichs. Platz 2 im Land, was das Volumen der Produktion anbelangt. Von Vienne südlich von Lyon bis nach Avignon erstrecken sich die Appellationen, sie verteilen sich über sechs Departements. Sie werden durch das Zentralmassiv sowie durch die Alpen und im Süden durch das Mittelmeer begrenzt. Die Hanglagen, die diversen Böden sorgen für Qualität und Vielfalt.
Nicht zu vergessen das Klima. Im Norden gemäßigt kontinental mit warmen Sommern, im Süden mediterran mit sommerlicher Hitze und bisweilen starken Gewittern. Im ganzen Tal in der Regel milde Winter, kaum Niederschläge, äußerst selten Schnee. Der Mistral, der hier auftretende trockene und kalte Wind, schützt die Trauben vor Pilzbefall. Vor allem aber ist die Region authentisch. Befinden sich doch viele Weingüter seit Generationen im Besitz der gleichen Familien. Und immer noch wollen junge Winzer wie Marin Lefebvre die elterlichen Betriebe übernehmen.
Klassifizierung
Zudem setzt man auf Qualität, man möchte ausdrucksstarke, charaktervolle und vor allem hochwertige und authentische Weine. Schon früh wurden entsprechende Kriterien entwickelt. So schreibt ein Edikt des französischen Königs von 1717 vor, dass alle Fässer, die für den Verkauf oder den Transport bestimmt sind, die Buchstaben „C. D. R.“ führen müssen. Der Bekanntheitsgrad der Region nimmt 1937 mit der Klassifizierung „AOC – Appellation d‘Origine Contrôlée – Côtes du Rhône“ zu. AOC-Weine müssen aus einem jeweils klar definierten geographischen Gebiet stammen, das von einem einzelnen Weinberg über eine oder mehrere Weinbaugemeinden bis zu einer ganzen Region reichen kann. Ferner existieren weitere strenge Vorgaben, etwa was die zugelassenen Rebsorten oder den Anbau anbelangt. Nach der EU-Weinmarktreform von 2009 wurde in Frankreich die Bezeichnung „AOC“ in „AOP – Appellation d’Origine Protégée” umbenannt.
In der Region „Côtes du Rhône“ dürfen innerhalb der AOP-Klassifizierung lediglich 22 Gemeinden ihren Namen auf dem Etikett angeben. Es handelt sich hierbei um die „Côtes du Rhône Villages Communaux“. Bei dieser Auszeichnung geht es um bestimmten Boden- und Klimakriterien. Vor allem aber müssen Rotweine einen Alkoholgehalt von mindestens 12,5 Promille aufweisen. Weißweine und Rosés mindestens 12 Promille. Ferner darf der Ertrag pro Hektar 42 Hektoliter nicht überschreiten. Zudem sind nur ganz bestimmte Rebsorten zugelassen.
Ganz oben in der AOP-Hierarchie der „Côtes du Rhône“ befinden sich die als „Cru“ klassifizierten Weine. Derzeit gibt es 17 Crus sowie zwei „Vins Doux Naturels“. Diese ausgewählten Appellationen dürfen die Bezeichnung „Cru des Côtes du Rhône“ auf dem Etikett anführen. Die Anforderungen sind hoch. So ist im nördlichen Rhonetal etwa lediglich die Syrah erlaubt. Das führt zu sortenreinen Rotweinen, farbenfroh, mächtig und von höchstem Niveau.
Erste Amphoren-Werkstätten
Die einmalige Historie der Region ist für den hohen Standard sicherlich mitursächlich. Im Norden des Rhônetals wurde Wein bereits ab dem ersten Jahrhundert v. Chr. angebaut. Weitaus früher als in vielen anderen französischen Weinbaugebiete, wie archäologische Ausgrabungen beweisen. Römer, die die Rhône hinaufzogen, gründeten das heutige Vienne. Dort legten sie einen Weinberg an. Sehr schnell genossen die Weine großes Ansehen.
Die Römer kultivierten den Wein für damalige Verhältnisse sehr professionell. Pflügten den Boden, pflanzten Weinstöcke. Und errichteten kleine Mauern zur Abstützung der Terrassen. Zudem gaben sie den ersten Impuls zum Vertrieb von Wein. Die Villa du Molard, nahe der Rhone, in Donzère, gilt als die bisher wichtigste Kellerei der Römerzeit. Zu jener Zeit entstanden außerdem die ersten Amphoren-Werkstätten der Gegend. Die dort hergestellten Gefäße dienten dem Transport von Weinen und Fischsoßen.
Der Zusammenbruch des römischen Weltreichs führt zu großen Problemen. Absatzmöglichkeiten gab es plötzlich nur noch für Weine in Nähe der Mittelmeerhäfen und nördlich der Rhone. Wieder in Gang kam der Weinbau erst im Mittelalter durch die Kirche.
Im 13. Jahrhundert trat der französische König Ludwig VIII. die Grafschaft Venaissin an Papst Gregor X. ab. Bald fand der Wein der Region bei den in Avignon sitzenden Päpsten Anklang. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts ließen sie bedeutende Weinbaugebiete anlegen. Johannes XXII., der zweite der sieben in Avignon residierenden Päpste, ließ in Châteauneuf-du-Pape einen Sommersitz errichten. Benedikt XII., der dritte Papst, begann mit dem Bau des Papstpalastes. Später, gegen Ende des 17. Jahrhunderts, wurde der Hafen von Roquemaure zu einem wichtigen Zentrum für die Verschiffung der Weine.
Das Rhônetal war eben schon immer eine beliebte Verbindung zwischen Mittelmeer und Nordeuropa. Kraft und Charakter der Gegend macht ihr mächtiger Fluss aus, er prägt die Landschaften prägt und gestaltet ihre Terroirs. Hinzu kommen die Leidenschaft und der starke Wille der Winzer. Winzer wie Marin Lefebvre. Wie gut der Name seines Weines doch passt: Art d’ être heureux. Einfach die Kunst, glücklich zu sein.
Informationen:
Fotos: Christophe Grilhé, Inter Rhône