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Europas Orient und Schmelztiegel der Kulturen

Von Sevilla aus brach Christopher Kolumbus einst zu seiner großen Expeditionsreise auf bei der er zufällig Amerika entdeckte und eroberte. Wichtiger Teil des Proviants auf den Karavellen soll Ibérico-Schinken gewesen sein.

Sevilla hat 700.000 Einwohner und ist die größte Stadt der autonomen Region Andalusien. Ihre Lage am Guadalquivir-Fluss, der für Seeschiffe befahrbar ist, bescherte ihr einst großen Reichtum: sie galt über 200 Jahre als das Tor zur Neuen Welt. 1519 startete Fernando de Magallan über den Guadalquivir die erste Weltumseglung. Bordbücher und Dokumente sind im Archivo General de Indias, dem Archiv zur spanischen Kolonialgeschichte, in Sevilla gesammelt. Die Plaza de España, eine wunderbare Halbkreisanlage, mit dem Palacio Español, dem spanischen Palast, heutigem Regierungssitz, entstand im Zuge der Weltausstellung 1929.

Zwanzig Länder aus Ibero-Amerika nahmen daran teil. Sie errichteten prunkvolle Pavillons, die bis heute existieren. Im portugiesischen Pavillon etwa fungiert die portugiesische Botschaft. Zu dem städtischen Ensemble gehören auch die Plaza de América und die großzügige Parkanlagen María Isabel. Sie sind ein Geschenk der Infantin María Luisa Fernanda de Orleáns 1893. Der spanische Palast ist ein Stilmix aus Manierismus, Renaissance und Barock. Alle Provinzen Spaniens präsentieren sich mit signifikanten historischen Szenen auf bunten Azulejos am Sockel des Palasts. Sehenswert ist die nah an der Plaza de España gelegene Alte Tabakfabrik, die auf das 18. Jahrhundert zurückgeht.

Heute beherbergt das historische Gebäude Teile der Universität. Vor dem ehemaligen Fabriktor liegt der Platz, der George Bizet für den ersten Akt seiner Oper Carmen inspirierte. Breite Alleen viele mit Orangenbäumen prägen das Stadtbild. Großer Anziehungspunkt ist die Altstadt Sevillas mit ihren engen Gassen, kleinen und großen Plätzen – unter ihnen der Quemadero („Scheiterhaufen-Platz“) – prächtigen Kirchen und Klöstern sowie Palästen, mit teils arabischen teils christlichen Bau- und Dekorationstraditionen. Kulinarisch ist Sevilla bestens aufgestellt etwa das Restaurant Casa Robles. Es liegt im Herzen der Altstadt und existiert seit 65 Jahren. Zunächst war es eine kleine Bodega, die ihre Weine aus eigenem Anbau im Gebiet des Concado in Huelva anbot zu Schinken, Käse und Tapas. Diese kleinen warmen und kalten Köstlichkeiten sollen in Sevilla erfunden worden sein.

Eingang der Casa Robles. Foto: Ellen Spielmann
Eingang der Casa Robles. Foto: Ellen Spielmann

Heute erinnert gleich am Eingang der Casa Robles eine moderne Schinkenkammer, ein durch Glas abgetrennter Bereich, an die alte Zeit, als die Schinken in den Bodegas hoch oben an der Decke hingen. Im ersten Stock liegt ein großzügiger Speisesalon. Serviert werden Platten mit Ibérico-Schinken und Käseplatten (Schafs- und Ziegenkäse verschiedener Reife) zu hausgebackenem Brot. Wir lernen, dass der edle Jamón Ibérico am besten ohne Messer und Gabel schmeckt. Dazu passt der Rioja Outañou Crianza 2016, Tempranillo- und Garnacha-Trauben von den Ost-Berghängen des Rioja-Flusses, perfekt. Er wird auch zu kräftiger Pasta, rotem Fleisch und Paté empfohlen.

Die Besichtigung der legendären Kathedrale, María de la sede, ist absolut ein Muss. Sie wurde ab 1401 in die alte maurische Moschee integriert und ist mit ihren fünf Schiffen die größte gotische Kathedrale der Welt. Ihre Bauzeit dauerte weit über 100 Jahre. Als Sevilla 1145 Residenzstadt wurde und eine blühende Zeit erlebte, entstand das Minarett der Mezquita, der einstigen Moschee, die Giralda, ein 97 m hoher Glockenturm (22 Glocken). Auf seiner Spitze steht die Marienfigur mit einer Wetterfahne, die sich dreht: girar bedeutet drehen. In der Capilla Mayor, dem Hochaltar, sind vergoldete Retabel mit 45 Figurengruppen zu sehen, die biblische Szenen darstellen. Es sollen Tonnen Gold aus Lateinamerika, den spanischen Kolonien verarbeitet worden sein.

Durch die ungewöhnliche Platzierung des Chorgestühls weit hinten im Kirchenschiff, die einen Raum zwischen Altar und Chor schaltet, der dem König und Adel vorbehalten war, konnte das Volk den Bischof bei der Messe nie sehen, sondern nur hören. Deshalb sagt man in Spanien bis heute nicht etwas, „ich gehe zur Messe“, sondern „ich gehe die Messe zu hören“. Außergewöhnliche Kunstschätze, die Prozessionsmonstranz aus Silber in der Sacristia Mayor und Gemälde von Bartolomé Esteban Murillo, Diego Velázques und Francisco de Goya, die Alabasterkapelle sowie der Sarkophag von Christopher Kolumbus und das Grabmal seines Sohnes waren 1987 Anlass die Kathedrale in das Weltkulturerbe der UNESCO aufzunehmen.

Spaziergang durch die Stadt. Eingang der Casa Robles. Foto: Ellen Spielmann
Spaziergang durch die Stadt. Eingang der Casa Robles. Foto: Ellen Spielmann

Im beliebten Ausgehviertel San Lorenzo lädt das Eslava Restaurant zu traditionellen Gerichten mit „kreativem Schwenk“ ein. Starters sind: Gänseleberpastete und Fasan mit Olivenöl (extra vergine) und Pinklady-Apfel-Marmelade, frittierte Sardellen, Hausgemachte Kroketten gefüllt mit Bechamelsauce und Schinken, Blauschimmelkäsebällchen mit Pedro Ximenez- Reduktion, frische Muscheln. Es folgen Tapas: Zucchini-Küchlein, Ei mit Boletus (Biskuitteig mit Mousse aus karamellisiertem Boletus-Pilz – ein Trüffelverwandter – und Weinreduktion), Isländischer Kabeljau (auf niedriger Temperatur gegart) mit Kürbissauce und rosa Ingwer. Alle Speisen sind äußerst frisch und schmackhaft zubereitet und ergeben im Zusammenspiel mit sehr guten lokalen und regionalen Weinen ein perfektes Dinner oder Lunch. Zu Recht ist das Eslava seit nunmehr 12 Jahren im Michelin-Guide gelistet.

Was wäre ein Sevilla-Besuch, ohne eine Flamenco-Show zu erleben. Denn Andalusien gilt zusammen mit einigen Regionen der Extremadura und Córdobas als Wiege des Flamenco. Das spanische Musikgenre ist eine Performance aus Gesang, Gitarrenspiel und Tanz. Spezialisten unterscheiden zwischen 60-70 verschiedene Formen dieser hochkarätigen Kunst. Flamenco gibt es seit der muslimischen Eroberung Al Andalus um 912. Träger des Flamenco waren über Jahrhunderte vorwiegend Andalusier mit Roma Vorfahren.

Im Zuge der kastilischen Rückeroberung, die in Sevilla 1248 gelang, wurden die Vertreter des Flamencos in Randgebiete verdrängt. So erzählen Gesang, Instrumentalmusik und theatralisierter Tanz oftmals von tragischen Schicksalen, behandeln essentiell Menschliches wie Tod und Lebenslust, Liebe und Hass. Die hohe Kunst wurde bis in die moderne Zeit lediglich mündlich tradiert. Flamenco erlebte im Lauf seiner Geschichte immer wieder schubartige Umwandlungen, er modernisierte sich mit neuen Generationen und ihren Lebenserfahrungen.

Die Flamencobühne Tablao Flamenco Los Gallos (die Hähne) liegt an der Plaza Santa Cruz im traditionellen Altstadtviertel Santa Cruz. Das kleine Theater besteht seit 1966 und zählt zu den ältesten Bühnen Sevillas. Über 1 1/2 Stunden liefern Los Gallos eine phantastische Show. Pro Abend treten 10 preisgekrönte Künstler auf: Die exzellenten Tänzer Rafael Campallo, Soraya Clavio, Mercedes de Córdoba und Rosario Toledo, Patricia Guerrero, Mônica Iglesias und Pepe Torres, der begnadete Gitarrist Rafael Rodríguez (hat auch einen Soloauftritt), die Sänger Antonio Villar und Bernardo Miranda. Flamenco zählt heute zum Immateriellen Weltkulturerbe.

Zu einem Drink lockt die Terrassen-Bar des altehrwürdigen Hotels Doña María. Sie bietet einen direkten Blick auf die nahe nachts erleuchtete Giralda und die Stadtsilhouette Auch zum Lunch lassen sich hier am kleinen Pool Tapas aller Art zu einem guten Glas Wein genießen.


Information:

Fremdenverkehrsamt Sevilla: www.visitsevilla.es 

Ibérico Schinken: www.hampassiontour.eu 

Fotos: Ellen Spielmann

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