Nur Maske und Degen fehlen. Kein Problem, es handelt sich schließlich nicht um den Rächer der Armen, sondern um den „Sandeman Don“, das Wahrzeichen der weltberühmten gleichnamigen Portwein-Kellerei. Auf jedem Etikett, auf jedem Fass von „Sandeman“ ist die schwarze Gestalt zu sehen. Hier wird sie von José Luis Canha verkörpert, der die Besucher durch die heiligen Hallen des Traditionsbetriebs führt.
Seit gut zweihundert Jahren residiert das Unternehmen in dem geschichtsträchtigen Gebäude. Wohl eine der Hauptattraktionen von Porto, Portugals zweitgrößter Stadt – wobei streng genommen das Gebiet am Südufer des Douro zur Gemeinde „Vila de Gaia“ gehört. Hier, gegenüber der Altstadt von Porto, soll es die meisten Portweinkellereien im Land geben. Von hier aus wurde das Getränk einst in die ganze Welt verschifft.
Der „Don“ erklärt und erklärt, während die Gruppe auf Kopfsteinpflaster durch die düsteren Gewölbe schreitet, vorbei an Fässern in allen Größen, von mannshoch bis zum handlichen Party-Format. In manchen ruht der Inhalt seit 1970, wie ein Schild verrät. Am Ende des lehrreichen Rundgangs wartet dann die Praxis. Die drei klassischen Portwein-Arten können verkostet werden, wohl der beste Weg, um die Unterschiede zwischen „White“, „Ruby“ und „Tawny“, zu verstehen. Zunächst der „Fine White Porto“, halbtrocken, aus dem Douro-Tal. „Serve chilled“, also kühl servieren, steht auf dem Etikett. Frisch, nicht sehr süß, mit dem Aroma von Tropenfrüchten und etwas Vanille. Ideal als Aperitif oder auch zum Mixen von Cocktails. Weißer Portwein wird in der Regel aus hellen Trauben erzeugt, hier „Malvasia Fina“ und „Codega“.
Seine beiden Kollegen werden aus dunklen Trauben gekeltert, unter anderem aus der viel gepriesenen „Touriga Nacional“. Der Ruby, „late bottled vintage“ (L.B.V.), von 2014, ist ein Cuveé von auserwählten Weinen besagten Jahrgangs. Rubinrot leuchtet er aus dem Glas. Sehr komplex, sehr intensiv, Tannin-betont, mit dem Aroma von schwarzen Beeren und einem Hauch von Pfeffer und Tabak. Nach vier Jahren Reife in großen Fässern wurde er in Flaschen abgefüllt. Passt gut zu Käse, empfiehlt der „Don“, aber auch zu Desserts aus Schokolade.
Bei dem „Old Tawny Porto“, zehn Jahre alt, hier ein Cuvée verschiedener Weine, vereinen sich Frucht und Holz. Nach der gut zweijährigen Lagerung in einem großen Fass wandert er in ein kleines Eichenfass. Hier atmet er stärker und ändert seine Farbe ins Gelbbraune (englisch „tawny“). Durch den Kontakt mit dem Holz entstehen die Aromen von Nüssen und Trockenfrüchten.
Zu „Sandeman“ gehört neben einem Hostel auch das Restaurant „St. George“. Bei einem atemberaubenden Blick auf Fluss und Stadt kann man hier lokale Gerichte genießen. Etwa Backe vom Schwein mit einer Art Grießbrei, bei dem sich eine intensive Essignote bemerkbar macht. Typisch für viele nordportugiesischen Gerichte, sagt ein Mitarbeiter vom Stadtmarketing, und verweist auf „Arroz de cabidela de galinha“, also Reis mit Hühnerblut, Essig, Zwiebeln und Gewürzen. Na gut, angeblich beiße sein Vater sogar herzhaft in eine rohe Zwiebel, als wäre sie ein Apfel. Als der Senior noch in der Bank arbeitete, war das schwierig, schon wegen der unter den Ausdünstungen leidenden Kollegen. Jetzt, als Rentner, kann er sich da nach Herzenslust austoben. Angeblich jeden Tag stehe die Zwiebel bei ihm auf dem Speiseplan, soll ja so gut für die Gesundheit sein.
Ebenso pikant wie das Hauptgericht fällt auch das Dessert aus. Cheesecake nach portugiesischer Art. Schmeckt auffallend streng – er wurde mit Ziegenkäse zubereitet. Das köstliche Portwein-Eis neben dem Kuchen gleicht dieses etwas befremdliche Geschmackserlebnis sogleich wieder aus. Danach ein Espresso und, natürlich, ein Glas Port.
So gestärkt geht es nun auf ein Boot, gut eine Stunde schippern die Besucher auf dem Douro bei herrlichstem Sonnenschein, ein Muss, wenn man in Porto ist. So offenbart sich die ganze Pracht dieser Stadt, der Blick fällt auf das geschäftige, mehrstöckige Altstadtviertel Ribeira, das gegenüberliegende Ufer mit seinen Weinkellereien und den alten Rabelo-Booten, die dort vor Anker liegen. Früher transportierten sie Weinfässer, heute eher Touristen. Und so offenbart sich die wohl inzwischen weltberühmte Luiz-I-Brücke mal aus einer sehr ungewöhnlichen Perspektive, geht die Fahrt doch unter sie hindurch. Die berühmteste der insgesamt sechs Brücken ist wohl das heimliche Wahrzeichen der Stadt. 395 Meter lang, acht Meter breit, über 3000 Tonnen schwer. Entworfen wurde die Bogenbrücke aus Schmiedeeisen von Theophile Seyrig, einem Schüler von Gustave Eiffel, und 1886 eröffnet. Gleich zwei Fahrbahnebenen gibt es, die Untere für den Autoverkehr, die Obere für die Metro.
Nach der gemächlichen Bootstour wird es anstrengend. Der Gang durch die Altstadt, seit 1996 UNESCO Weltkulturerbe, entpuppt sich schnell als ein hartes-Herz-Kreislauf-Training. Da gleicht Porto San Francisco. Geht es bergauf, kommen nicht Wenige angesichts der steilen Straßen schnell ins Keuchen. Zu einer Pause laden unzählige Cafés, Bars und Lokale ein, die sich in den historischen, auf Hochglanz renovierten Gebäuden breitgemacht haben, Hipster mit der obligatorischen Sonnenbrille sitzen draußen vor ihrem Latte oder Cocktail. Der Glanz vergangener Zeiten trifft auf quirliges Leben.
Zu einer der Haupt-Attraktionen von Porto zählt der Hauptbahnhof „Sao Bento“, benannt nach einem Benediktinerkloster, das sich dort im 16. Jahrhundert befand. Im Inneren herrscht weiß-blauer Prunk. Rund 20.000 Azulejo-Keramikfliesen mit Zinnglasur würdigen nun seit 1916 die portugiesische Geschichte, samt ihren Königshäusern, Kriegen oder der Seefahrt. Elf Jahre dauerte es, bis alle Kacheln des Künstlers Jorge Colaço dort angebracht worden.
Ganz märchenhaft wird es einige Straßen weiter, bei einer der meist besuchten Buchhandlungen der Welt. Vor dem Eingang der „Livraria Lello“ steht eine lange Schlange. Fast alles Harry-Potter-Fans. Angeblich hat sich Autorin Joanne K. Rowlings hier für die Bücherei in Hogwarts inspirieren lassen. Das wird hier auf recht geschäftstüchtige Weise ausgenutzt – der Laden dürfte zu den wenigen auf der Welt zählen, der Eintritt kostet. Immerhin wird der dafür gezahlte Preis beim Kauf eines Buches verrechnet. Auch ohne Buch eine zumindest vertretbare Investition, angesichts der kunstvoll geschwungenen Holztreppe, dem gewaltigen Buntglasfenster in der Decke, den Goldsäulen und der aufwendigen Stuckaturen.
Keinen Eintritt kostet das Betreten des legendären Hotel Infante de Sagres, wohl immer noch Portos renommierteste Adresse. Und das seit mehr als sechs Jahrzehnten. 1951 wurde es eröffnet, es wirkt in seiner ganzen altehrwürdigen Pracht aber eher wie aus Vorkriegszeiten. Erst 2018 wurden das Interieur mit seinen kunstvollen Schmiedearbeiten, Holzschnitzereien und prächtigen Glasmalereien aus der Werkstatt Ricardo Leones renoviert. Benannt wurde das Hotel nach Heinrich dem Seefahrer, der in Porto geboren wurde. Der Entdecker und Initiator der ersten portugiesischen Forschungsreisen hatte in Sagres eine Seefahrtschule errichtet, weshalb man ihn auch Prinz oder Infant von Sagres nannte.
Man übernachtet hier nicht nur fürstlich, sondern speist so auch, nämlich im zum Hotel gehörenden „Vogue Café“. Hier setzt man so weit wie möglich auf biologische, nachhaltige und regionale Produkte. Das Abendessen beginnt mit Käse, unter anderem „Serra da Estrela“ aus dem gleichnamigen Gebirgsmassiv im Zentrum Portugals mit einer leicht bitteren Note. Ferner gibt es auch Schinken, unter anderem „Salpicão“, ein traditioneller Räucherschinken aus Schweinefleisch mit Salz, Knoblauch, Paprika und Lorbeerblättern.
Recht scharf das Hauptgericht, gegrillter Oktopus. Püree von der Süßkartoffel dient neben Gemüse, unter anderem Charlotten, als Beilage. Nicht nur wegen der Süße ein interessanter Kontrast, sondern auch wegen der tief violetten Farbe. „Douro Almond Parfait“, Mandeleis mit einer Kaffeecreme aus Milchkaffee, bildet den Abschluss. Süß und vor allem sehr mächtig. Als wäre das nicht schon genug an Kalorien, werden zum Espresso die vor allem in Lissabon bekannten „Pastel del Nata“ gereicht.
Vor dem Dessert gab es noch ein Glas Portwein. Dieses Mal nicht von Sandeman, sondern von Fonseca, „Bin No. 27“, süß und fruchtbetont, mit den Aromen von Johannisbeeren, Brombeeren, Süßkirschen und Pflaumen. Wer den Port in seiner ganzen Vielfalt, ob pur oder als Cocktail, erleben möchte, begebe sich auf die Dachterrasse des Hotels, im 15. Stock, in die Bar am Pool. Bitte einen „Porto Passion“. Aus trockenem Portwein, frischem Maracujasaft, frischer Minze und Limette. Sehr gelungen. Dieser Drink hätte vermutlich auch dem Don von Sandeman gemundet.
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Fotos: Fritz Hermann Köser