Travel

Drei-Seen-Land? Genießerland!

Sie ist so etwas wie ein Geheimtipp, denn sie hat Charme. Und zwar so richtig. Es ist nicht nur diese Mittelgebirgslandschaft mit den sanften Hügeln, den saftigen, baum- und buschbestandenen Wiesen, die diesem Landstrich seinen besonderen Zauber verleihen.

Da sind auch Städte wie Biel, französisch Bienne, mit ihrem mittelalterlich geprägten Stadtkern oder das 1.000-jährige Neuenburg, frz. Neuchâtel, mit seinen beeindruckenden Belle-Epoque-Bauten, der im wahrsten Sinne des Wortes alles überragenden Burg und der bedeutenden Stiftskirche. Sie beide vereint ein außergewöhnliches gastronomisches Angebot, das oft so erfrischend jung und vor allem nachhaltig daherkommt. Und zu dem einheimische Weine kredenzt werden. Denn Weinbau ist aus dieser Region gar nicht wegzudenken…

Und wenn man schon Drei-Seen-Land heißt, hat man – klar – genau die auch zu bieten. Der Bieler-, der Neuenburger und der Murtener See gab der Region den Namen. Kanäle verbinden die Gewässer, so dass man sie bei einer Drei-Seen-Rundfahrt erkunden kann. Die Nase im Wind, die Haut von Sonnenstrahlen gestreichelt, schippert man über das flaschengrün schimmernde Nass. Es ist der längste befahrbare Wasserweg der Schweiz! Der Blick schweift über kleine Kirchen wie das Ligerzer Gotteshaus und über ausgedehnte Weingärten.

Der Champion unter den Rebsorten ist der Chasselas, eine alte Sorte, die man in Deutschland als Gutedel kennt. Erfrischende, fruchtbetonte Weißweine keltern die Winzer daraus. Am besten probiert man so einen Chasselas gleich mal in der Klosterschänke vor Ort: auf der naturgeschützten Sankt Petersinsel im Bielersee.

Weinanbau am Bielersee. Im See: die St. Peterinsel. Foto: Switzerland Tourism
Weinanbau am Bielersee. Im See: die St. Peterinsel. Foto: Switzerland Tourism

Reif für die Insel?

Also in Biel hinauf aufs Boot der BSG, der Bielersee-Schifffahrts-Gesellschaft – und hinein ins Vergnügen. Gerade mal 50 Minuten dauert es, bis das Schiff an dem Eiland festmacht, das genau genommen eine Halbinsel ist. Vom Anlegesteg sind es nur ein paar Schritte bis zum Portal eines ehemaligen Konvents, dessen Ursprünge auf das 11. Jahrhundert zurückgehen. Das sandsteinerne Tor verführt geradewegs dazu, den urigen Innenhof zu betreten – wie gemacht, um ein gutes, einheimisches Tröpfchen zu genießen.

Inselwein und eine Hommage

Da entkorkt Önologe Manoah Devaux auch schon beherzt die erste Flasche Chasselas. Und lässt uns kurz danach gleich noch den Chardonnay, den Rosé auf Pinot-Noir-Basis sowie einen Pinot Noir verkosten, allesamt reine Inselweine. Und was für welche! „Kein privater Winzer baut auf der Sankt Petersinsel den Wein an, sondern es ist die Stadt Bern“, erzählt er. „Die Jahresproduktion beträgt rund 30.000 Flaschen.“ Schließlich kann man diese Tröpfchen für so manche offizielle Gelegenheit bestens gebrauchen. Und ein bisschen Traditions- und Landschaftspflege schadet dem städtischen Renommee ja ebenfalls nicht. Dass die Sankt Petersinsel etwas Besonderes ist, wusste übrigens schon Jean-Jacques Rousseau. Er schrieb 1765 kurz vor seinem Tod: „…nirgends fühlte ich mich so wahrhaftig glücklich wie auf der St. Petersinsel mitten im Bielersee.“ Wenn das keine Hommage ist…

Eine Weindegustation muss aber gar nicht auf die Klosterschänke begrenzt bleiben. Schließlich arbeiten rund um den Bielersee zirka 50 Weinbauern, die neben dem weißen Chasselas insbesondere Pinot noir, also Spätburgunder, zu ihren Lieblingen erkoren haben.

Kulinarik im Ecluse. Foto: Kirsten Lehmkuhl
Kulinarik im Ecluse. Foto: Kirsten Lehmkuhl

Bei so viel Wasser ist eine Schleuse nicht weit. Und so heißt denn auch ein Lokal, in der es ans Eingemachte geht. Terroir gibt’s nur beim Wein? Da kennen Sie Sandro Bianchin nicht. In seinem Restaurant Ecluse (frz. Schleuse) in einer alten Kompass-Fabrik mitten in Biel bietet er Terroir-Küche an. Und die geht so: Auf den Tisch kommen ausschließlich regionale Produkte aus Garten, Wald und schließlich seiner Speisekammer. Und wenn er regional sagt, meint der Mann regional. Die Zutaten sollen möglichst aus einem Umkreis von maximal 50 Kilometern kommen.

Die Bauern aus der Umgebung liefern direkt an Sandro, sie sind gewissermaßen auf Du-und-Du. Zwischenhändler? Fehlanzeige! Bei Sandro Bianchin wird zudem möglichst alles von Gemüse und Tier verarbeitet. Das nennt sich dann Null-Abfall-Konzept. Die wenigen Gemüsereste, die nicht verwertet werden können, sind dann ein Fall für den Kompost, der sich gleich neben dem Restaurant befindet. Von dem gewonnenen Humus profitieren auch die Kräuter in den Hochbeeten des Restaurants, Marke Eigenanbau. Kreislaufwirtschaft eben.

Bullerbü in der Westschweiz

Und es hat etwas von heiler Bullerbü-Welt, wie in dem schönen Garten unter knorrigen Bäumen die Bienen emsig den Honig sammeln, 25 Kilo pro Jahr immerhin. Zu Sandro Bianchins nachhaltiger Welt gehören eben auch zwei eigene Bienenstöcke.

Die Karte des Ecluse ist so klein wie originell. Das Essen lecker, kräuterbetont und natürlich zu 100 Prozent hausgemacht. „Hier kommt nur auf den Tisch, was Saison hat“, sagt Sandro. Und weil er irgendwie aber doch durch den Winter kommen muss, setzt er in der kühlen Jahreszeit auf Eingemachtes und fermentierte Lebensmittel, die gesund und wertvoll für den Körper sind.

Gazpacho mit Knoblauch-Sorbet

Da tischt Sandro auch schon auf. Höchstpersönlich. Im Sommer etwa serviert er im Garten zum Auftakt eine herrlich frische grüne Gazpacho mit Gurke, Minze, Knoblauch-Sorbet und Buchweizen oder gegrillte Aubergine gefüllt mit Tomate, Chili, Lavendelessig, dazu Ricotta und Spargel-Sorbet. Als Hauptspeise dann lockt ein rosa gebratenes Rindsmedaillon mit Spätzle und Gemüse vom Bauernhof…

Gazpacho mit Gurke, Minze, Knoblauch-Sorbet und Buchweizen. Foto: Kirsten Lehmkuhl
Gazpacho mit Gurke, Minze, Knoblauch-Sorbet und Buchweizen. Foto: Kirsten Lehmkuhl

In der ehemaligen Turbinenhalle der einstigen Kompass-Fabrik lagern derweil die flüssigen Schätze. Dort hat der „Weinkeller“ seinen Platz gefunden. Naturweine aus der Region – gekeltert ohne Schwefelzusatz, ohne Reinzuchthefen – funkeln dort wohl temperiert hinter Glas. Unter ihnen sind viele biologische oder biodynamische Tropfen. Naturweine sind in der Schweiz gerade schwer im Trend.


Informationen:

Klosterhotel und Klosterschänke, Sankt Petersinsel: www.st-petersinsel.ch

Restaurant Ecluse, Biel: www.ecluse-biel.ch

Planwagentour mit Freiberger-Pferden mit Verkosten von regionalen Produkten: www.elevagedupeupe.com

Uriges Lokal in Le Noirmont: Auberge du Peu-Péquignot: www.aubergedupeupe.ch

Elite Hotel in Biel gleich am Bahnhof mit cooler Belle-Epoque-Treppe: www.elite-biel.com

Allgemeine Infos zur Region: www.j3l.ch

Fotos: Kirsten Lehmkuhl, Switzerland Tourism

Teilen: