Nikolai Bloyd gelingt die Quadratur des Kreises. Der Amerikaner hat es geschafft, dem Achental mit seinen 179 Zimmern und Suiten den persönlichen Charme eines Boutique-Hotels zu verleihen. Der ebenso bodenständige wie nahbare General-Manager kennt das Geschäft von der Pike auf. Stationen in seiner Karriere waren nicht zuletzt das Schloss Elmau, die Meadowood Resorts und das Auberge Du Soleil in Napa Valley sowie die Geisel-Privathotels. Die Nähe zu seinen Gästen und Mitarbeitern ist ihm wichtig. Zu seinem unprätentiösen Selbstverständnis passt, schon mal beim Frühstück das Geschirr abzuräumen.
Dies bestätigt auch Christina Dannath, die mit ihrer herzlich-lustigen Art die Gäste im Hauptrestaurant Weißer Hirsch durch den Abend begleitet und liebevoll umsorgt. „Wenn ich ins Schwimmen käme, würde er mir noch die Teller hinterhertragen“, schmunzelt die sympathische Servicemitarbeiterin mit Blick auf Hotelchef Bloyd, den alle nur Nikolai nennen. Ein Besuch im Weißen Hirsch ist nicht nur wegen der raffiniert zubereiteten Gerichte wie dem köstlichen, im Ofen soufflierten Kaiserschmarrn ein Muss.
Schon das vielfältige, mit einigen regionalen Leckereien und Champagner von Laurent Perrier gespickte Frühstücksbuffet zeigt, dass im Achental sämtliche Details stimmen: Zur Weißwurst neben Brezel und süßem Senf steht auch das passende Weißbier bereit – mit oder ohne Alkohol.
Die Vinothek wurde kurz vor Weihnachten 2022 eröffnet und steht für mediterranes Dolce Vita im Chiemgau. Gastgeberin Barbara Bachmann verleiht der Vinothek durch ihre ungezwungene, fröhliche und warmherzige Art die Seele. Ihr natürlicher Charme macht den Besuch in der Vinothek zum Erlebnis. Ihr Credo: „Die Seele des Hauses sind die Menschen, die darin wirken“. Damit bringt sie die Atmosphäre des gesamten Resorts auf den Punkt.
Glückliche Fügung des Schicksals
Das kulinarische Aushängeschild des Resorts ist das Gourmetrestaurant es:senz. Nomen est Omen, könnte man sagen. In es:senz stecken nämlich nicht nur die Initialen von Küchenchef Edip Sigl, sondern auch seine kulinarische Marschroute. „Bei jedem Gericht konzentrieren wir uns auf das Wesentliche“, sagt Sigl im Gespräch mit dem Kulinariker. „Unsere Gäste erleben bei uns nicht nur die Essenz des Chiemgaus, sondern jeder einzelnen Zutat. Dabei verwenden wir wenige ausgesuchte Komponenten und legen Wert auf regionale Produkte.“
Sein Handwerk verfeinerte der 37-Jährige nicht zuletzt bei den Drei-Sterne-Küchenchefs Juan Amador in Frankfurt und dem im vergangenen Oktober verstorbenen Heinz Winkler in Aschau. Bevor Edip Sigl ins Achental wechselte, erkochte er sich bereits zwei Sterne in München. Mitte 2021 kam er nach Grassau – mitten im Lockdown. „Das hatte sein Gutes für mich, weil ich mich mit der Region, mit meiner Handschrift und mit meiner Stilistik ganz anders auseinandersetzen konnte.“ Eine Fügung des Schicksals wollte, dass im Resort Das Achental ein neuer Küchendirektor gesucht wurde. Ein glücklicher Zufall, da der gebürtige Kölner zuvor bereits knapp drei Jahre mit seiner Familie im Chiemgau lebte. Die Chemie zwischen Sigl und der Resort-Inhaberfamilie Müller stimmte: „Ich schätzte es sehr, den Planungs- und Entstehungsprozess des neuen Restaurants aktiv mitgestalten zu dürfen.“
„Die Sauce ist die Seele jedes Gerichts“
In mehreren Gesprächen entstand die Idee, ein gänzlich neues Gourmetrestaurant im Resort zu realisieren. Schon sieben Monate nach der es:senz-Eröffnung wurden Sigls Kreationen mit zwei Michelin-Sternen belohnt. „Unsere Reise hat erst begonnen“, so Sigl im Gespräch mit dem Kulinariker. „In meiner Küche gilt stets Qualität vor Quantität“, betont der zweifache Familienvater. Chichi, Geltupfer und übertriebene Opulenz sind nicht sein Stil. Die einzelnen Gänge bestehen jeweils nur aus drei bis vier ausgewählten Zutaten. Besonders wichtig sind ihm die Saucen. Keine verlässt den Pass, bevor er sie probiert hat: „Die Sauce ist die Seele jedes Gerichts und es steckt viel Liebe in ihrer Zubereitung“, unterstreicht Sigl.
Zur Auswahl stehen zwei Menüs: Das regionale Menü „Chiemgau Pur“, bei dem jede Zutat bis hin zum handgemachten Geschirr aus dem Chiemgau kommt und seine „kleine Weltreise“. Schon Sigls acht Amuse Gueules mit der federleichten, an Zuckerwatte erinnernde Chiemseewolke aus Essig mit Speck und Brot oder die als „Mon Cherie“-Kirsche aus Entenleber mit Perigord Trüffel bestechen durch ihre glasklare Aromatik und präzise Umsetzung.
Iiro Lutter und sein feines Gespür für Wein
Ein Highlight von außergewöhnlicher Produktqualität sind die Special Cuts vom Balfego -Thunfisch: Der feingemaserte, Toro genannte Bauchlappen schmilzt förmlich am Gaumen. Eine hauchdünne Apfelscheibe setzt einen säuerlichen Kontrapunkt. Selbst gesammelte Bucheckern und eine wunderbar abgestimmte Ponzu-Vinaigrette mit Yuzu und Soja nobilitieren das Arrangement. Apropos: Brühen, Fonds und Saucen veredeln fast jeden Gang. Wie gut, dass der ebenso gut gelaunte wie hochaufmerksame Luigi Pecchi jeweils eine Extraportion à part reicht.
Eine fein abgestimmte Komposition ist der Ziegenkäseraviolo mit Quitte, hervorragendem selbst angesetzten Honigessig und grüner Mandel. Der virtuos inszenierte süß-saure Akkord zieht sich wie ein roter Faden durch das Menü. Als kongenialen Begleiter kredenzt Sommelier Iiro Lutter ein Sparkling Sake „Dumai“ mit nur fünf Prozent Alkohol. Auch sonst kann man sich blind auf seine Expertise verlassen. Lutter hat bereits im „Schwarzen Hahn“ im Deidesheimer Hof und im Werneckhof sein feines Gespür für kostbare Rebsäfte unter Beweis gestellt. „Ich bringe fordernde Weine am Anfang, da sich mit der Zeit eine Wohligkeit einstellt“, sagt er gleich zu Beginn seiner Weinreise. Seine gut sortierte weltumspannende Karte enthält viele Pfälzer Weine mit großer Jahrgangstiefe und einigen Raritäten.
Ein klug durchdeklinierter Texturreigen ist das Ananas-Dessert: Eine feine Scheibe der Tropenfrucht, ein Bisquit, Mascarpone mit Ananaskern, Sorbet sowie ein Chip mit tasmanischem Pfeffer vereinen sich zum virtuosen Spiel mit Aggregatzuständen und Geschmacksnuancen. Ebenfalls alles andere als alltäglich: Die köstlichen Pralinen zum krönenden Abschluss hat Patissière Desirée Nieder so kunstvoll handbemalt, dass sie eigentlich zu schade sind zum Essen.
Wie Gott im Chiemgau fühlen darf sich, wer sich nach dieser Gourmandise in eine der gemütlichen, von Loden, Altholz und warmen Farben geprägten Suiten betten darf und am Tag darauf noch vor dem Frühstück seine erste Golfrunde dreht.
Informationen:
www.das-achental.com
Fotos: Das Achental Resort