Täglich stehen mindestens vier frischgebraute Biere jeweils gleichzeitig zur Auswahl. Dazu werden auch herzhafte Gerichte gereicht – meist, wie z. B. die Salami-Käse-Platte, das Tatargericht oder der Burger, in opulenten Portionen und zudem ideal passend für die Bierfans aus aller Welt, die sich hier ein Stelldichein geben. Es gibt aber auch ganz normale europäische und indische Küche. Man kann eine Brauereibesichtigung ordern oder aber gleich bei Joanna anrufen.
Hotspot des Brauereiwesens
Denn die Warzelnia Piwa ist auch eine Art Brauereimuseum, durch das Joanna führt. Zahllose originale Artefakte und dazu zig historische Fotos erzählen von der großen Brautradition im einstigen Bromberg, die bis ins 14. Jahrhundert zurückdatiert. Damals durfte ein jeder in Bromberg brauen, sofern er denn Grundbesitz hatte und innerhalb der Stadtmauern wohnte. Und so entwickelte sich Bromberg/Bydgoszcz zu einem Hotspot des Brauereiwesens. Von hier wurde nach ganz Groß-Polen und an die Ostsee verkauft. Bromberger Bier war eines von nur sechs, das aus Polen exportiert wurde. Um 1900 besaß Bromberg/Bydgoszcz sogar noch 13 Brauereien.
Die mit Abstand größte war die Brauerei Juliusz Strelow. 1920 produzierte sie unglaubliche 1800 Flaschen Bier – pro Stunde! Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Brauerei verstaatlicht. Hier entstand dann das nicht minder berühmte Kujawiak-Bier (Kujawien-Bier), das seit 2006 in Elbling gebraut wird. Bierflaschen, Bierdeckel und historische Werbeutensilien erzählen in einer Vitrine von dieser „Ersten Brauerei- und Malzfabrik Bromberg“, die damals an der Dorotheenstr. 4 – 7 (heute ul. Ustronie) beheimatet war und Bromberger Pilsener oder „Strelow Hell“ produzierte. Ebenfalls in Schaukästen präsent sind die Bromberger Brauerei Myslencinek, die einst Dunkles nach Münchner Art“ ein „Bergquell“-Bier und natürlich Pilsener herstellte, und die Brauerei Zdrojewski & Thiel, die Polski Piwo und sogar Ale braute.
Tradition der Likör- und Spirituosenherstellung
Heute setzt nun die kleine Craft Beer-Brauerei Warzelnia Piwa diese Tradition in Bydgoszcz fort. Doch es gibt auch noch eine riesige Malzfabrik, GlobalMalt mit Partnersitz in Hamburg und neu auch in London. Allein Bydgoszcz werden jährlich über 85.000 Tonnen Malz für Brauereien in 40 Ländern hergestellt. Damit ist Global Malt neben dem Schienenfahrzeughersteller PESA einer der größten Arbeitgeber in der durch den Zuzug vieler Ukrainer auf knapp 4000 Einwohner angewachsenen, prosperierenden Stadt.
Dazu gibt es in Bromberg natürlich auch noch eine Tradition der Likör- und Spirituosenherstellung. Und es gibt eine Legende, die tatsächlich wohl wahr ist: In den 1970er Jahren soll ein Mitarbeiter der Kujawiak-Brauerei versehentlich bei einer Renovierung der Anlage die Bierleitung an die örtliche Wasserrohrnetz angeschlossen haben. Einen halben Tag lang floss so der frische Gerstensaft in die Haushalte von Bydgoszcz – und füllte nicht selten umgehend ganze Badewannen und sämtliche Gefäße, die in Haushalt so hergibt.
Wir aber schreiten zur Degustation, die für vier Biere mit 24 Zloty zu Buche schlägt. Da ist erst einmal das „Piwo“, ein wunderbares Pilsener mit 5 % Alkoholgehalt und 12,5 % Stammwürze. Es folgt das Weizenbier „Zlote Pole“ mit gleichen werten. Mit dem „Pasieka“ ist dann eine Spezialität des Hauses an der Reihe. Dies leckere „Honigbier“ bringt 5,5 % Alkohol und 14,5 % Stammwürze mit. Schließlich folgt das Jasmin-Bier, mit dem man sich anfreunden muss. Aber bei Preisen von nur 17 Zloty (0,3 l), 18 bis 21 Zloty für 0,5 l und 31 – 35 Zloty für einen Liter Bier ist rasch auch ein Ersatz gefunden.
Dies könnte z. B. auch ein American Pale Ale, Koźlak Bydgoski (Bockbier nach bayrischer Art) oder eine weitere Spezialität, das Bier „Kasztelan z Bydgoszczy“ („Kastellan aus Bromberg“), dessen Name auf die legendäre Gründung der Siedlung an der Brahe durch einen Kastelanus de Budegac zurückgeht.
Informationen:
Polnisches Fremdenverkehrsamt, www.polen.travel
Kujawsko-Pomorska Organizacja Turystyczna K-POT, www.kujawsko-pomorskie.travel
Warzelnia Piwa Bydgoszcz, www.warzelniapiwa.pl
Tourismusinformation Bydgozcz, www.visitbydgoszcz.pl/de
Fotos: Ellen Spielmann