Sie zieht sich auch weit ins toskanische Landesinnere, sogar bis nahe an den Uralt-Vulkan Monte Amiata. Und auch diese in Hügelland übergehende Landschaft ist uraltes Kulturgebiet. Und mit den drei Tuffsteinstädten Sovana, Sorano und Pitigliano, die eigentlich herrliche, am Tuff-Fels klebende Tuffsteindörfer sind, locken klangvolle Ortsnamen hierher.
Auf dem Weg dorthin sollte man indes ein winziges Dörfchen nicht übersehen: Montemerano! Gerade 450 Einwohner versammeln sich in diesem wie aus dem Mittelalter entsprungenen, von Mauern umgürteten Ort, den man auch auf dem Weg ins berühmte Thermalbad Saturnia passiert. Saturnia gilt als das wohl älteste Heilbad Europas. Dort wurde schon vor 3000 Jahren erfolgreich gekurt!
Einen, wenn nicht den Höhepunkt der Dorfvisite erleben wir gleich nach Durchschreiten des alten Stadttors. Dort steht die ab 1380 erbaute, bis 1430 erweiterte Kirche San Giorgio, ein Muss für alle, die in der Toskana auch nach Skurrilem oder doch Kuriosem suchen. Denn im Inneren birgt San Giorgio nicht nur einige besondere Kunstschätze, sondern rechts vom Altar auch das Bildnis der „Madonna della Gattaiola“, der „Madonna des Katzenschlupflochs“. Datiert wird dies Gemälde auf Mitte des 15. Jahrhundert und wird einem unbekannten Künstler zugeschrieben, den man Maestro di Montemerano, Meister von Montemerano nennt.
Das Kuriose an diesem Werk ist ein kreisrundes Loch im Kleid der Madonna in der unteren rechten Ecke des Gemäldes. Und dies Loch hat einen Grund. Das Gemälde diente wohl über lange Zeit auch als Eingangstür zur Sakristei. Dann hatte ein Pfarrer Erbarmen mit einigen Katzen und ließ dieses Schlupfloch einbauen. Vielleicht hatte er aber auch einfach nur kleine Lust mehr auf Mäuse in der Sakristei. Denn das Loch ist hoch genug über Bodenniveau, um die lästigen Nager fernzuhalten.
Überhaupt ist das morgens eher verschlafene Montemerano ein wahres Katzenparadies, wie man beim Spaziergang hinauf bis zur schönen Piazza del Castello erleben kann Giovanna Pezzotta von der ausgezeichneten Touristenführer-Kooperative „Le Orme“, deren Mitglieder nicht nur, aber vor allem in der Maremma aktiv sind und diese natürlich wie ihre Westentasche kennen, zeigt uns verwunschene Ecken und Winkel. Und zurecht verweist sie auch auf eine kulinarische Top-Attraktion. Denn in Montemerano öffnet, wenn es denn Covid-19 zulässt, die herausragende Osteria Passaparola Nell’Antico Frantoio, die Osteria „Mund-zu-Mund-Propaganda“ in der alten Ölmühle am Vicolo delle Mura 21. Hier sollte man unbedingt einkehren.
Ab nach Sovana
Nach diesem kleinen Extra-Zwischenstopp als appetitanregende Vorspeise sausen wir aber mit Giovanna gleich weiter ins Tuffgebiet, wo man am besten in Sovana mit der Entdeckungstour beginnt. Das Dörfchen gehört heute zur Gemeinde Sorano, hat aber so viel zu bieten, dass es als eigenständiges Tagesziel anzusehen ist. Denn hier sind auch die Hauptattraktionen des Archäologischen Parks Tuffsteinstädte, des Parco Archeologico Città del Tufo zu entdecken.
Noch außerhalb Sovana befinden sich die grandiosen etruskischen Großgräber, wie von Zyklopenhand erbaut. Allen voran ist die Tomba Ildebranda das berühmterste Besucherziel. Noch eindrucksvoller ist dann weiter linkerhand im Wald versteckt ein erst 2004 entdecktes und im Verlauf der letzten Dekade behutsam freigelegtes Grab: die Tomba dei demoni alati, das „Grab der geflügelten Dämonen“. Vermutlich durch einen Felssturz zugeschüttete, der sich vor mindestens 300 Jahren ereignet haben muss, verbarg sich unter dem Erdreich eine sensationelle Grabanlage aus der Mitte des 3. Jh.s v. Chr. Direkt am Weg steht nun einer dieser geflügelten Dämonen, ein Dämon aus dem Meer, mit Flügel und langem Schlangenschwanz.
Die Archäologen identifizieren diese Monumentalfigur mit Scylla oder Triton. Eine weitere geflügelte Figur liegt gegenüber: Es soll sich um eine Dämonin, die Statue der etruskischen Todesbotin Vanth handeln, deren Merkmale eine Fackel und eine Pergamentrolle war, auf der das Schicksal des Verstorbenen geschrieben stand. Und nicht genug damit: Eine Viertelstunde später laufen wir durch eine der berühmten Vie Cave, jener Hohlwege, die schon zur Etruskerzeit angelegt wurden und sich im Laufe der Jahrhunderte immer tiefer in den weichen Tuffstein gegraben haben. So findet man hier die ältesten Spuren menschlicher Eingriffe oben an den Steilwänden, die jüngsten aber unten.
Gegenüber dem Museum in der Ex-Kirche San Mamiliano befindet sich im herrlichen, ab 1208 erbauten, 1413/1414 erneuerten Palazzo Pretorio mit den Tuffsteinwappen wichtiger Adelsfamilien das Besucherzentrum des Archäologischen Parks der Tuffsteinstädte. Der „Uhrenturm“ an der Piazza del Pretorio ist der auch Palazzo dell`Archivio genannte Palazzo Comunale von 1433.
Und direkt neben dem Museum erhebt sich der Palazzo Bourbon del Monte aus dem 16. Jahrhundert. Er wird dem Architekten Vignola zugeschrieben. De Hit ist aber die sich ihm anschließende romanisch-gotische Kirche Santa Maria Maggiore aus dem 12. Jahrhundert. In ihr befindet sich ein herrliches Ziborium aus vorromanischer Zeit, möglicherweise sogar im 9. oder 10. Jahrhundert entstanden. Dazu sind die Wände mit herrlichen Fresken aus dem 16. Jahrhundert bedeckt, die der umbrisch-sienesischen Schule zugerechnet werden. In Sovana spaziert man dann vorbei am vermuteten Geburtshaus Gregors VII. bis hin zu Sovanas Dom, der Concattedrale die Santi Pietro e Paolo. Dort zahlt man nicht nur Eintritt, sondern muss auch wegen Covid-19 die Körpertemperatur messen lassen. So auch kirchlich für unbedenklich erklärt, spaziert man dann in die heiligen Hallen, entdeckt famose Altäre, mächtige Mauerwerke, die den Bau erfreulich stabil halten und in der Krypta sogar die Reliquien des Heiligen Mamilianus.
2020 war im Hauptschiff sogar temporär der Sarg des 157. Papstes Gregor VII. ausgestellt. Anlass war die 1000. Wiederkehr seines Geburtstags, der im Dom mit 1020 n. Chr. angegeben wurde. Die Wissenschaft bleibt da lieber ungenauer, sie favorisiert „um 1015“. Am Ortsrand werfen wir noch einen Blick auf die Ruine der einst mächtigen Aldobrandeschi-Burg, von der aus das Adelsgeschlecht über Jahrhunderte regierte, bis 1293 die Orsini alles übernahmen. Geblieben sind auch noch Teile der etruskischen Stadtmauer, auf der die Aldobrandeschi und dann die Orsini weiteres Schutzgemäuer errichteten.
Informationen:
Touristische Informationen: https://quimaremmatoscana.it/, www.provinciagrosseto.com/Default.asp#TitleSchedaHome
Toscana Promozione Turistica, www.visittuscany.com
Tourguides: Kooperative Le Orme (z. B. Giovanna Pezzotta), www.leorme.com
Lokale Produzenten: https://quimaremmatoscana.it/it/produttori-locali
Fotos: Ellen Spielmann