Foodie

Besser als Bio: Gaja produziert Fabelweine

Ein Fußballspiel hätte kaum ereignisreicher sein können! 90 überaus spannende Minuten lang referierte Gaia Gaja, Tochter des als „Angelo Nazionale“ und „König des Barbaresco“ titulierten, berühmten Angelo Gaja, am 19.4.21 in einer Zoom-Konferenz über die neuesten, vielfältigen Entwicklungen im Hause Gaja…

Dazu wurden beim Virtual Tasting die beiden neuen absoluten Spitzenweine Gaja Barbaresco DOP 2018 (14 % Alkoholgehalt) und Camarcanda DOP 2018 (14,5 % Alkoholgehalt) präsentiert. Gäbe es in Europas Weinwelt eine Champions League, Gaja hätte sicher in jedem Jahr einen Stammplatz sicher. Und auch eine eventuelle Super League wäre wohl ohne Gaja undenkbar. Allerdings: Ob Gaja an einem solchen Veranstaltungsreigen je teilnehmen würde, ist eher unsicher. Denn einerseits muss beim Wein bekanntlich anders als beim Fußball das Eckige ins Runde!

Und zudem besitzt das schon seit 1859 existierende Familienunternehmen ein eigenwilliges Alleinstellungsmerkmal: Es ist der höchst positiv konnotierte intelligente Eigensinn, der diesen berühmten italienischen Weinproduzenten schon seit Generationen alles ein wenig anders machen lässt – mit allergrößtem Erfolg! Heute ist Gaja weltweite Kultmarke und Statussymbol zugleich, sozusagen die gelungene Vermählung von Real Madrid und Juventus Turin zugleich! Aber dies „Alles etwas anders angehen“ zeichnete schon die früheren Familieneigentümer aus, die im 17. Jahrhundert aus Spanien zuwanderten und aus ihrem einstigen Zwei-Hektar-Gut im piemontesischen Dörfchen Barbaresco längst ein globales Weinimperium entwickelt haben. Seit 1961 führte Angelo Gaja (geboren 1940) in vierter Generation die Geschäfte, hatte ab den 1970er Jahren die Weinwelt mit dem Önologen Guido Rivella revolutioniert, 1976 französische Barriquefässer eingeführt, schon 1967 einen ersten Einzellagenwein ediert und schon 1978 eigentlich „heilige“ Nebbiolo-Weinberge mit Cabernet-Sauvignon-Rebstöcken neu bepflanzt.

1988 kaufte sich Angelo im Barolo-Gebiet ein. Sein „Barolo Sperss Langhe DOP“, ab dem Jahr 1992 im Handel, streift regelmäßig die ultimative Punktegrenze. Gerade erst erhielt der magische Premiumwein Gaja Barolo Sperss DOCG 2016 100 Punkte u.a. von Parker – und liegt mit ca. 500 € pro 0,75-l-Flasche natürlich auch preislich im allerobersten Preissegment. 1994 ging es für Angelo Gaja weiter. Da kaufte er sich in der Toskana in Montalcino ein. Heute stellt hier das Weingut „Pieve Santa Restituta“ erlesensten Brunello her. Und obschon Angelo Gaja und Gattin Lucia längst das Tagesgeschäft an die fünfte Familiengeneration, die Töchter Gaia und Rossana sowie Sohn Giovanni (Jahrgang 1993) übergeben haben, ist Angelo immer noch rege aktiv. Nun hat er weitere 5 Hektar in Montalcino dazu erworben und das Team vor Ort önologisch noch besser aufgestellt. Gaia Gaja kommentierte beim Virtual Tasting, für Weinbergkäufe habe ihr Vater einfach ein Händchen. Nur einmal, 1996, muss es etwas komplizierter zugegangen sein. Da erwarb Angelo Gaja Land nahe dem neuen toskanischen Weinmekka Bolgheri.

Luftaufnahme vom Weingut. Foto: Gaja Barbaresco
Luftaufnahme vom Weingut. Foto: Gaja Barbaresco

Heute sind es dort 120 Hektar, 50 davon rund um Bibbona gepachtet. Der Name des dortigen Hauptgutes Ca`Marcanda, am der Straße nach Castagneto Carducci gelegen, hingegen verweist auf damals schwierigste Verkaufsgespräche. Aber Angelo Gaja suchte damals die Herausforderungen mit den Rebsorten Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc und Merlot, vertraute auf den Rat eines Freundes, Weingut Giacomo Tachis, wonach „Wein die Brise des Meeres liebt“, und unternahm sagenhafte 18 Trips, um den Landkauf schlussendlich doch unter Dach und Fach zu bringen. So entstand aus dem piemontesischen Dialekt der neue Gutsname „Ca`marcanda“, das „Haus der endlosen Verhandlungen“!

Erst einmal wenden wir uns aber beim Zoom-Meeting dem Heimatdorf Barbaresco und den dortigen 14 in der Bilderbuchlandschaft verstreut liegenden Gaja-Weinbergen zu. Und hier, an der unbestrittenen Säule des Gaja-Reichs, wird rasch auch die Weinphilosophie der Familie deutlich. Qualität ist nichts anderes als die Suche nach dem Unterschied. Und dieser Unterschied verträgt keinen Dogmatismus, sondern offene Herangehensweise. Er beginnt schon bei der tiefen Suche nach dem gewissen Etwas, auch nach Kuriositäten, um dem Ziel, dem besseren Verständnis des Terroirs und der besseren Adaption der Landschaft, nach und nach näher zu kommen.

Und natürlich greift Gaja hierbei auch auf wissenschaftliche Expertise zurück, seien es nun Weinkundler von der Uni Turin oder den Unis Pisa oder Florenz. Experten reichen sich bei Gaja die Hand, seien es nun Geologen, Botaniker, Bienenforscher oder Entomologen (Insektenkundler). Dabei gilt Gaja jeder einzelne Weinberg als unabhängiger Organismus, jeweils als ein Universum unterschiedlichster Formen und unterschiedlichster Koexistenz von leben. Eine entscheidende Rolle spielt hierbei die Biodiversität. So sorgt die Pflanzung von Wildblumen, gelb blühendem Senf oder diversen Getreidesorten zwischen den Rebstockreihen für eine entscheidende Verbesserung der Bodenqualität, sichert aber die nötige Anwesenheit von Insekten und die Vielfalt im Weinberg. Enthusiasmus und Innovation sind dabei die Pfeiler der Herangehensweise.

Und natürlich auch die gewisse Portion Eigensinn. Selbstbewusst verkündet Gaia Gaja, dass man trotz des bisweilen nötigen Einsatzes von Sulfiten „besser als bio“ sei! Und sieht man Gajas blühende Weinberge, ob nun im Piemont oder der Toskana, wird man ihnen Recht geben. In der Toskana, wo Bolgheri für Gaia Gaja eher für das „Wilde“ im Gegensatz zur gewachsenen historischen Kulturweinlandschaft in Barbaresco steht, ging man sogar soweit, für die Weingärten zur Sicherung der Biodiversität und zum Schutz vor Plagen nötige Insekten von einer Insektenfarm in Livorno anzukaufen. Heute machen dies Gaja 120 Weingüter in der Toskana nach! Und auch beim Sprühen setzt man längst auf ökologische Derivate. Wo möglich, werden auch Sprays auf Basis von Orangen oder Rosmarin eingesetzt.

In Barbaresco hingegen hat Vater Angelo Gaja vor neun Jahren sogar Zypressen zwischen den Weinbergen angepflanzt, die eigentlich ja eher in die Toskana gehören. Aber die Kulturlandschaft rund um Barbaresco hat eben historisch auch einen Nachteil. Weil so lange kultiviert wurde, fehlt es an Bäumen. Und so sorgen diese Neupflanzungen eben auch für ein neues Habitat für Singvögel, die in den Zypressen guten Schutz vor verwilderten Katzen finden. Und nebenbei zählen diese Zypressen ein wenig auch schon zum Vermächtnis von Angelo Nazionale.

Der Weinkeller von Gaja. Foto: Gaja Barbaresco
Der Weinkeller von Gaja. Foto: Gaja Barbaresco

Ach ja, Wein gab es auch noch zu verkosten, z. B. den wunderbar komplexen, mit sanften Tanninen ausgestatteten Gaja Barbaresco 2018 DOP. Schon 1996 hatte Angelo Gaja seine Barbaresco-Weine freiwillig von DOCG- auf DOC-Weine („Langhe Nebbiolo“) zurückgestuft. Er wollte seine Freizügigkeit sichern, gegebenenfalls ein wenig internationale Rebsorten zusetzen, um wo nötig „die Säure zu korrigieren“. Dies gilt indes nicht für den „Standard“-Barbaresco, nur für die Lagenweine. Nun, auf den 21,4 Hektar der 14 im Schnitt 40 Jahre alten Weinberge in Barbaresco ist nun ein 2018er aus reinem Nebbiolo gelungen.

Die Trauben jedes einzelnen Weinbergs werden separat fermentiert, ehe sie zwölf Monate in Eiche reifen. Erst dann werden sie gemischt und müssen weitere 12 Monate in Eiche. Der Winter 2017/2018 war mild und trocken, ohne Schnee und Regen. Dann gab es Ende April eine ungewöhnliche Hitze, ehe Regen und niedrige Temperaturen den Mai und Juni dominierten. Dann aber drohte ein heftiger Hagelsturm am 17. Juli alles zu vernichten. 30 Prozent der Jahresproduktion gingen in wenigen Stunden verloren. Die Rettung kam im September, der mit viel Sonne und gleichmäßigen Tag- und Nachttemperaturen die Saison rettete. Zwischen Ende August und dem 8. Oktober wurde geerntet. Heraus kommt nun ein wunderbarer, großartiger Wein, dem gerade die Individualkonsumenten große Aufmerksamkeit schenken sollten.

Denn vorzugsweise die haben Gaja im schwierigen Corona-Jahr 2020 entdeckt. Und dies trotz der Preise im obersten Segment. Klar: Gaja liefert zu 80 Prozent in Restaurants und hatte so 2020 in Italien bis zu 40 Prozent Verluste zu verkraften. Aber im internationalen Markt sah dies viel besser aus. Ob in Deutschland, in Asien oder in Kanada. Gaja legte kräftig zu, vor allem dank der eifrig ordernden Privatkundschaft. Für die 18 Prozent minus im globalen Markt 2020 sorgten vor allem Rückgange in Großbritannien und den USA. Aber dies ficht Gaia Gaja keineswegs an, im Gegenteil: man werde gestärkt und kräftiger aus dem Jahr hervorgehen, sobald nun Ende April in Italien auch wieder die Restaurants öffnen würden – wenn auch erst einmal nur in der Außengastronomie!

Allerhöchsten Grund zum Optimismus bringt natürlich auch Gajas neue Edition des Gaja Camarcanda 2018 Bolgheri DOP. Erstmals im Jahr 2000 produziert, reift dieser phantastische Blend aus Cabernet Sauvignon (80 %) und Cabernet Franc (20 %) in der 2001 von Architekt Giovanni Bo fertiggestellten neuen Cantina. Während der Präsentation übernahm Gaia Gaja das von der väterlichen Weinlegende Angelo Gaja geprägte Wort von der „semplicitá“, der „Einfachheit“. Dies meint keineswegs „Schlichtheit“, eher den Wunsch, dem Wein mit minimalem Eingriff zur höchsten Qualität zur verhelfen. Dass dies mit Diskretion geschieht, versteht sich von selbst. Denn das Weingut ist von außen kaum einsehbar.

Die beiden vorgestellten Weine des Tastings. Foto: Gaja Barbaresco
Die beiden vorgestellten Weine des Tastings. Foto: Gaja Barbaresco

Im Resultat allerdings überzeugt dieser herausragende Wein noch mehr als Gajas Barbaresco 2018. Ein Muss für jeden Weinliebhaber, auch wenn Gaja dazu verleitet, die Geldbörse zu sprengen. Werbung muss Gaja übrigens nicht machen. Da genügt schon ein Blick auf die offizielle Webseite www.gaja.com. Dort findet sich nur eine schwarze Seite mit dem weißen Schriftzug „GAJA“ und der Adresse in Barbaresco. Gaja ist eben anders – und eigensinnig gut! Dies betrifft übrigens auch die Temperatur der ausgeschenkten Rotweine. Sowohl für den Barbaresco wie für den Camarcanda 2018 empfiehlt Gaia Gaja eine Serviertemperatur von nicht mehr als 16°C!

Und natürlich schaut Gaja auch bereits intensiv weiter nach vorne. Direkt an das Barbaresco-Gebiet anschließend hat Gaja in ca. 700 m Höhe einige Hektar Land erworben, die noch dazu über Jahre brach lagen, weil die dortigen Haselnusssträucher nicht mehr bewirtschaftet wurden. Hier probt Gaja nun die Zukunft – natürlich auch mit Bezug auf den Klimawandel! Gaja hat eben stets auch Gaia, die Erde, im Blick!


Information:

Gaja Barbaresco (Piemont): https://gaja.com/https://terlatopiedmont.com/www.gajadistribuzione.it 

Gaja Ca`Marcanda:  https://terlatobolgheri.com

Gaja Tenuta Pieve Santa Restituta: https://terlatobolgheri.com

Fotos: Gaja Barbaresco

Teilen: