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Apulische Küstenperlen (Teil 1)

Auch im Zentrum, nördlich von Bari, locken die weißen Wellenkämme der Adria, wenn auch eher Felsstrände dominieren. Doch überall finden sich reizvolle Stellen, die den problemlosen Einstieg ins Meer ermöglichen. Größere Orte warten sogar mit Stadtstränden auf, an denen gewachsene Infrastruktur mit Kiosken und Toiletten geboten wird. Dazwischen locken auch gediegene Resorts, zahllose Restaurants und Strandbars mit Service am Strand.

Und dank der herrlichen, dank langer Historie auch kulturell reichen Küstenstädtchen ist auch ansonsten jederzeit für beste Urlaubsstimmung gesorgt. Ein erstes schönes Beispiel ist das oft übersehene Küstenstädtchen Giovinazzo. Noch im direkten Einzugsbereich von Bari gelegen, hat Giovinazzo es bisher noch nicht geschafft, auf der Skala der touristischen Hotspots hinauf zu steigen. Das ist andererseits auch sehr gut! Denn so hat jeder Besucher von Giovinazzo die ideale Möglichkeit, diesen noch sehr authentischen Ort mit wunderschönem Hafen, Palazzo/Castello Ducale, Kathedrale, herrlicher Altstadt und riesiger, noch sehr authentischer, weil im Baubestand erhaltener Atmosphäre zu genießen. Ob oberhalb der im Hafen schaukelnden Boote im Schatten des Burgpalastes oder auf einer der kleinen Piazzette inmitten der vielen verwinkelten Altstadtgassen: Überall speist man ausgezeichnet, vorwiegend natürlich nach Rezepten der lokalen, auf Fisch und Meeresfrüchte basierende Küche. Die lohnt vor allem nach einem ausgiebigen Spaziergang durch die Altstadt und auf dem Rundweg entlang der Mole.

Abends in Giovinazzo. Foto: Ellen Spielmann

Größte Attraktion in Giovinazzo sind die Trajanssäulen am alten Altstadttor. Sie belegen, dass Giovinazzo schon in der römischen Antike eine gewisse Bedeutung besaß. Kaiser Trajan ließ sie als Herrschaftszeichen an der damals neugebauten Via Traiana errichten, die als Ergänzung und Entlastung der Via Appia nach Brindisi diente und von hier nach Bari weiterführte. Herrlich dann, beim abendlichen quirligen Corso an einer der Open-air-Bars im Molenbereich zu bester süditalienischer Rock- und Popmusik einen Campari-Spritz, ein Bierchen oder gar einen Gin Tonic zu genießen.

2 km außerhalb in Richtung Molfetta bietet Giovinazzo auch einen schönen Felsstrand, an dem sich allabendlich viele zum kühlenden Bad während des Sonnenuntergangs einfinden. Hier öffnet sommertags das weitläufig angelegte Areal der Bar/Pizzeria Torre Gavetone. Vorbestellen sollte man abends indes schon, denn der Barkeeper ist berühmt für seine fachkundig gemixten Cocktails. Und die Pizzen frisch aus dem Ofen sind ein Gesicht.

Ganz anders das Bild am Stadtstrand von Molfetta, der sich einen Kilometer außerhalb der relativ großen Hafenstadt befindet und glasklares, sauberes Wasser bietet. Manchmal verirren sich sogar Sardinenschwärme in die weitläufige Bucht, verfolgt von unzähligen weißen Möwen, die dann ihr Festmahl wittern. Der Strand ist per lokaler und regionaler Buslinie erschlossen, bietet am Kiosk von Noemi Annese neben Tonic-Wasser und Bier auch kleine Snacks sowie oberhalb der Fels- und Sandstrandbucht ebenfalls Toiletten. Sehr wichtig sind die vor Jahren angepflanzten Bäume, die hier sogar bei brütender Mittagshitze luftigen Schatten bieten. Zurück nach Molfetta kann man auch gemütlich zu Fuß entlang des Lungomare Marcantonio Colonna spazieren. Kurz vor der Halbinsel Sant`Andrea, dem Nukleus von Molfetta mit der historischen Altstadt, öffnet die schöne Osteria Amèlie, wo leckere Mittagsgerichte zu vernünftigen Preisen geboten werden und man auch draußen gut geschützt vor der Sonne dinieren kann. Sehr zu empfehlen ist auch das angebotene, schon fast historisch zu nennende sizilianische Tonic-Wasser „Tonica Polara“.

Spaziergang durch Molfetta. Foto: Ellen Spielmann
Spaziergang durch Molfetta. Foto: Ellen Spielmann

Beinahe hätte Molfetta den Anschluss verpasst! Oder sogar alles verpatzt? Denn lange ließen die Stadtgewaltigen die Altstadt verkommen, planten womöglich gar Teilabrisse zugunsten moderner Bauten. Doch dann kriegte man doch noch die Kurve, besann sich eines Besseren und restaurierte den uralten Bezirk am historischen Hafen. So besitzt man heute mit der Halbinsel Sant`Andrea zwischen dem hochaufragenden Kampanile (Glockenturm) der Kirche San Pietro Apostolo (ab 1174 erbaut, Rekonstruktion 1750 – 1756 im Barockstil) bis hin zum meerumspülten Rundturm Torrione Passari (1512 erbaut) ein Schmuckstück ganz besonderer Art. Dies gilt auch, obschon hier so mancher Palast noch immer ohne Dach ist und der eigentlich öffentliche Aloe-Garten noch zugesperrt ist. Und manchmal müssen sich die Gebäude gegenseitig durch quer über die Gassen angebrachte Stempel stützen. Aber das wird schon!

Wie Altstadtsanierung perfekt funktioniert, sieht man an der Piazza del Municipio mit dem prächtigen Palazzo Giovene aus dem 16. Jh. zur Linken, der heute als Sitz der Stadtadministration und als kommunale Galerie fungiert. Rechterhand steht der als Rathaus genutzte Palazzo di Cittá, dem sich weiter rechterhand sogar ein kleines Juwel mit dem „Saal der Tempelritter“ anschließt. Denn die sollen hier einst an der uralten Kirche San Nicola niedergelassen haben, die heute nicht mehr existiert. Beim Weg durch die Altstadt fällt die Chiesa del Purgatorio (Fegefeuerkirche) ebenso auf wie ein zweigeschossiges Haus mit italienischer Trikolore auf dem Balkon, das sich an der Ecke Via Sant`Orsola zur Via San Girolamo geradezu leichtgewichtig über einem Tordurchgang erhebt. Höhepunkte sind dann die alte Bootsanlegestelle, heute von einer Terrasse überragt und mit moderner Kunst geschmückt, sowie der alte Dom mit seinen prächtigen Zwillingstürmen. Ursprünglich Santa Maria Assunta (Mariä Himmelfahrt), gewidmet, wurde der Dom später, exakt 1785, dem katholischen Heiligen Konrad von Bayern (1105 – 1126/27 oder 1154) geweiht, heißt italienisch Duomo di San Corrado), birgt einige besondere bauliche Applikationen an der Rückfront entlang der Via Chiesa Vecchia und die beste Ansicht auf die Hauptfassade an der Hafenseite. Er wurde 1150 bis ins 13. Jh. im romanisch-pugliesischen Stil erbaut und war bis 1785 die Kathedrale von Molfetta. Als wichtigster Bischof gilt Giovanni Battista Cibo (1432 – 1492), der 1472 Bischof von Molfetta wurde. 1484 eroberte er sogar als Papst Innozenz VIII. den Vatikan.

Haus mit Trikolore. Foto: Ellen Spielmann
Haus mit Trikolore. Foto: Ellen Spielmann

Auch nahe dem neuen barocken Dom an der Via Dante Alighieri wird eines Papstes gedacht. Am Park der Vila Comunale ragt an der Via Garibaldi seit 2019 ein mächtiges modernes Kreuz auf einem Hügel auf. Es erinnert an den Besuch von Papst Franziskus in Molfetta im Jahr 2018. So etwas Einzigartiges muss natürlich gewürdigt werden. Im Blues Café am Corso Dante Alighieri 49 wartet dann aber die endgültige Entspannung. Dies, obschon die Speisekarte nur ungelenk hilflos mit einem Übersetzungsprogramm ins Deutsche übersetzt wurde. Aber der Eiskaffee mit und ohne Sahne ist eine Wucht, ebenso die zum Tonic angebotenen Häppchen. Übrigens: Eine apulische Spezialität schlechthin ist auch der Eiskaffee nach Art der Stadt Lecce. Er wird mit Mandellikör hergestellt. Am Corso Vittorio Emanuele II ragt dann das Denkmal des ersten italienischen Königs der Neuzeit auf, ehe es in einem der vielen lokalen Busse für kleines Geld weiter zum nächsten Höhepunkt geht: Trani!

Fotos: Ellen Spielmann

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