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„Eleganz, Eleganz, Eleganz!“

Carlo Ferrini, gebürtiger Florentiner und 2008 vom Weinmagazin Wine Enthusiast (USA) zum besten Önologen der Welt gekürt, ist nicht nur seiner grandiosen Weine wegen unverwechselbar. Dafür sorgt vor allem sein Schnauzbart, die gepflegten „baffi“ sind fast zu seinem Markenzeichen geworden – mal abgesehen von den einzigartigen Brunello-Weinen von seinem Weingut in Montalcino! Die veranlassen die internationale Weinkritik nicht nur jährlich zu absoluten Höchstnoten! So vergab James Suckling für den märchenhaften Jahrhundertjahrgang des Giodo Brunello di Montalcino 2015 umgehend die Höchstbewertung: 100 Punkte!

Höchstpreise von 130 bis 140 Euro

Diese Brunello-Weine vom Ferrini-Weingut Giodo sind auch schwer zu ergattern. Dafür sorgen vor allem enthusiastische Sammler aus aller Welt, die einen Gutteil des stets limitierten Jahres-Outputs für sich reklamieren. Und dann ist da ja auch noch die über Jahrzehnte gewachsene internationale Fangemeinde. Die Weine der Ferrini-Weingüter Giodo im exklusiven Brunello-Mekka Montalcino und Alberelli di Giodo am Nordhang des Ätna werden, so Bianca Ferrini, insbesondere im nördlichen Europa, in Dänemark und Norwegen, und natürlich in Deutschland und den Alpenrepubliken hoch geschätzt. Aber auch die Märkte in Asien und natürlich den USA wachsen. Dies, obschon für diese Brunello-Kultweine locker und mühelos Höchstpreise von 130 bis 140 Euro pro 0,7 l-Flasche aufgerufen werden!

Carlo und Bianca Ferrini. Foto: Giodo
Carlo und Bianca Ferrini. Foto: Giodo

„Eleganza, eleganza, eleganza!“ Mit dieser knappen Formel und einem einmaligen Plädoyer für „Eleganz“ eröffnet Carlo Ferrini das Weinverkostungs-Meeting im renommierten Restaurant/Enoiteca „Il Calice“ am Walter-Benjamin-Platz 4 in Berlin-Wilmersdorf. Tatsächlich verifiziert Carlo wenig später sein Statement erneut und mit einem verschmitzten Lächeln zu „Vigna, vigna, vigna!“ Denn Carlo Ferrini war stets und ist ein Mann des Weinbergs – und man kann ihn sich perfekt auch in Stiefeln oder Boots auf schwierigem Terrain werkelnd vorstellen.

Italiens Önologe des Jahres

Aber Ferrini ist vielleicht auch der Akademiker schlechthin unter den Meisterwinzern Italiens. 1978 in Agrarwissenschaften an der Uni Florenz promoviert, kamen 1991 und 1992 weiter akademische Titel für Weinanbau und Wein und schließlich als Önologe hinzu. Ab 1986 leitete er das technische Büro des toskanischen Konsortiums Vino Chianti Classico, doch schon seit 1992 arbeitete er freiberuflich als Berater – mit Riesenerfolg. Er kreierte so grandiose Weine wie Siepi (Castello di Fonterutoli), La Gioia (Weingut Riecine) oder Casalferro (Castello di Brolio), verschreib sich anfangs ganz und gar seiner geliebten Sangiovese-Traube und erklärte noch Anfang der 2000er Jahre, er habe gar keine Zeit, sich um Weine außerhalb der Toskana zu kümmern. Doch es kam anders: Schon im Jahr 2000 war er zu Italiens Önologen des Jahres gekürt worden.

Danach folgten indes hochinteressante Projekte, die ihn auch ins Trentino, nach Friaul, in die Abruzzen und vor allem nach Sizilien führten. Seit 15 Jahren ist er nun dort aktiv. Und seit 2010 hat er am Nordhang des Ätna nach und nach 8 kleine Parzellen, eigentlich kleine „giardini“, Gärten, aufgekauft, auf deren Lavaböden neben bis zu 80 Jahre alten Weinstöcken auch Kirsch-, Feigen- und Olivenbäume gediehen. Damals, 2010, kosteten ihn die von Kleinbauern verlassenen Parzellen in Lagen von 750 m bis zu sogar 1000 m Höhe nur einen Pappenstiel. Heute, so Ferrini, der am Ätna seit 2016 Weine herstellt, zahlt man für einen Hektar Weinberg am Ätna durchaus schon 100.000 Euro. Welch großartige Resultate Ferrinis Postulat der Eleganz ergibt, zeigt schon der erste vorgestellte Weißwein, der Alberelli di Gido Carricante 2021: Dieser reine Carricante überzeugt sofort durch Frische, eine gewisse herbe Fruchtigkeit und einen gewissen rauchigen Abgang!

La Quinta und der Brunello von Giodo. Fotos: Jürgen Sorges
La Quinta und der Brunello von Giodo. Fotos: Jürgen Sorges

Und er passt perfekt zu den gereichten Seppia (halbroh) mit Kürbis, Haselnuss, Parmesan und Senf. Resultat: Einfach erstklassig und sicher einer der besten Carricante, die je abgefüllt wurden. Dabei, so Carlo Ferrini, habe er der Natur einfach nur freien Lauf gelassen. Nach dem Stahl seien sechs Monate Lagerung auf der Flasche erfolgt – fertig war der Superwein! Doch Understatement gehört auch zum Repertoire des Weinzauberers. So ist alles bei ihm bis ins kleinste Detail liebevoll arrangiert – ob nun die Etiketten auf den Weinflaschen oder eben das Handling bei der perfektionistischen Auswahl und Bearbeitung der Trauben. Bei ihm wird in der Cantina keine Traube gepresst oder gar durch Röhren geschickt, wo die Trauben aufbrechen könnten. Und natürlich sind alle seine Weine biologisch – und voll zertifiziert! Einen Hinweis dazu findet man auf den herrlich gestalteten Etiketten indes nicht. Dies wissen seine Stammkunden längst und er kann generös darauf verzichten.

Carlo Ferrinis neue zweite große Liebe

Es folgt Carlo Ferrinis neue zweite große Liebe nach dem Sangiovese, dem „Blut Jupiters“ (sangue di Giove): die Ätna-Rebsorte Nerello Mascalese. Zu Kichererbsen-Cremesuppe mit einer Delikatesse, roten Garnelen aus dem westsizilianischen Mazara del Vallo. verkosten wir die Jahrgänge Alberelli di Giodo Nerello Mascalese 2018 und 2020 – und erneut offenbart sich Ferrinis Liebe zur Eleganz, zu linearen Weinen mit fein abgestimmten Säuregehalt. Nur 9000 Flachen werden jährlich von diesem bis auf 950 m Höhe gedeihenden Wein abgefüllt. Und zurecht erhielt der 2018er mit 14,5 % Alkoholgehalt mühelos bis zu 95 Punkte von der Weinkritik (ab 50 € pro 0,7-l-Flasche). Auf die Qualitätsbezeichnung Etna DOC verzichten die Ferrinis allerdings, weil einige Parzellen außerhalb der Zone liegen. Sie ziehen daher „Terre Siciliane“ als Herkunftsbezeichnung vor.

Im Weinkeller von Giodo. Foto: Giodo
Im Weinkeller von Giodo. Foto: Giodo

Ähnliches gilt teils auch für das Brunello-Weingut Giodo, das Carlo Ferrini 2002 gründete und nach seinen Eltern Giovanna und Donatello benannte. Auch hier liegt etwa die Hälfte der 6,5 ha Weinberge außerhalb der Brunello-Zone. Also produzierten die Ferrinis hier auf sechs Parzellen erst einmal den Giodo La Quinta, einen IGT Toscano, in dem „20 Jahre Erfahrung“ stecken. Seinen Namen erhielt dieser Spitzenwein, der auch als „kleiner Brunello“ von Giodo firmieren könnte, schlicht und unprätentiös von Parzelle 5 („quinta“), von wo die meisten Trauben stammen.

Fast wie da Vincis vitruvianischer Mensch

Und anders als bei manchen „Supertuscans“, die ebenfalls als IGT Toscano firmieren, aber eher Blends mit vielen weiteren Rebsorten sind, ist „Giodo „La Quinta“ eine Hommage an „Signore Sangiovese“ wie Carlo Ferrini das weiße Strichmännchen auf dem Etikett nennt. Und „Herr Sangiovese“ bewegt sich auf dem Etikett im weißen Kreis vor knallrotem Hintergrund beinahe – aber eben nur fast – wie da Vincis vitruvianischer Mensch – und bezeugt so seinen Einfluss auf diesen IGT Toscano. Im Gegensatz dazu trägt „Signore Sangiovese“ auf dem Brunello-Etikett den Kreis – und ist so grandioser Hauptakteur dieser mit Brillanz und unglaublich perfektionierter Finesse ausgestatteten Weine, die teils in Amphoren, teils in Holz reifen und deren Jahrgänge 2018 und 2020 locker 92 bzw. 93 Punkte und mehr erreichen.

Brunello Weinberge des Weinguts. Foto: Giodo
Brunello Weinberge des Weinguts. Foto: Giodo

Zu den mit Auszeichnungen und Topbenotungen überhäuften Superjahrgängen Giodo Brunello di Montalcino 2015 und 2016 gesellt sich heute zu geschmorten Kalbsbäckchen, Topinambur, Roter Bete und Salbei der neue Giodo Brunello di Montalcino 2018. Und wieder ist Carlo Ferrini mit absolutem Understatement zur Stelle, als er seinen 2018er Brunello-Jahrgang mit einem Studenten an der Universität vergleicht, der auf einer Bewertungsskala von Eins bis Zehn benotet werden soll. Ferrini würde seinem 2018er eine „Sieben bis Acht“ geben, mithin ein knappes „Gut“. Denn: Der 2018er sei kein „Wow-Wein“. Aber er ist ein wunderbarer, erstklassiger Wein der absoluten Spitzenklasse!


Informationen:

Podere Giodo, www.poderegiodo.it

Alberelli di Giodo, www.giodo.it/en/portfolio/l-etna-alberelli-di-giodo

Enoiteca Il Calice, www.enoiteca-il-calice.de

Fotos: Giodo, Jürgen Sorges

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