Denn sechs Kilometer vom historischen Zentrum wohnte hier einst der berühmteste Bewohner der Kleinstadt: der Philosoph, Politiker und Schriftsteller Niccolò Machiavelli (1469 – 1527). Sein historisches Anwesen, die Casa Machiavelli, ist heute weithin genauso als Albergaccio, großes Herbergsanwesen, bekannt. An der Hauswand des Palazzo ehrt die Stadt San Casciano ihren berühmten Bürger, der als Verfasser des 1513 edierten Werkes „Il Principe“, „Der Fürst“, Weltruhm erlangte, mit einer Marmor-Gedenktafel.
Gegenüber betreiben die auch als Winzer sehr erfolgreichen Familie (Vater und Gebrüder) Saraceni das angeblich älteste Restaurant der Toskana. Ihr Ristorante „L`Albergaccio dal 1450“ wäre somit gleich 20 Jahre älter als der Beginn der Machiavelli-Präsenz an diesem Ort. Denn in den Besitz der Familienlinie kam der Albergaccio erst 1470. Bernardo di Niccolò Machiavelli (1432 – 1500), der Vater von Niccolò, beerbte zwei Onkel. Zum Besitz zählte ab 1515 auch die Dorfkirche: Die Pfründe erhielt Totto (1475 – 1522), der jüngere Bruder von Niccolò Machiavelli. Niccolò selbst, in Florenz geboren, zog sich hierher zurück, nachdem er 1512 von seiner Heimatstadt uns insbesondere den Medici ins Exil getrieben wurde.
Seine Wahl war perfekt. Denn vom heute italienischen Garten seines Anwesens konnte er tagein tagaus die Kuppel des Florentiner Doms sehen. Und Niccolò höchstpersönlich verfasste am 10.12.1513 auch jenen Brief an seinen Freund Francesco Vettori, in dem er ebenfalls das gegenüber liegende Gehöft und die damalige Osteria, heute das vielbesuchte, gute Ristorante, erwähnte.
Und natürlich gehörten Gehöft wie Osteria damals ebenfalls Niccolò, dem wir bis heute dank seiner politischen Empfehlungen an die Herrschenden auch den Terminus „Machiavellismus“ verdanken. Hier soll er abends mit Gästen und Freunden vorwiegend Tric Trac gespielt haben, eine toskanischen Version des Backgammon. Dann aber zog es ihn nachts zurück in seien Bibliothek und an seinen Schreibtisch, wo er in wenigen Monaten sein Hauptwerk, „Il Principe“ zu Papier brachte. Nach seinem Tode ging die Casa Machiavelli an seine Erben, dann an die Florentiner Familie Serristori, schließlich seit einigen Jahren an die Grupo Italiano Vini, die das alte hausperfekt restaurierte und ringsum Weinberge besitzt.
Heute kann Bürgermeister Roberto Ciappi stolz sein auf dieses wunderbar hergerichtete Museum, auf die ausgestellten historischen Möbel, die noch originalen hölzernen Türdurchgänge, auf die restaurierte historische Küche der Machiavelli – ein Schmuckstück.
Und natürlich darf zwischendurch auch nicht die eine oder andere Flasche Wein fehlen, deren Etikett mit dem weltbekannten Namen Machiavelli wirbt – etwa der mit Machiavelli-Portrait aufwartende Vigna di Fontalle Chianti Classico Riserva oder gar eine Gran Selezione.
Ein besonderer Clou ist dann aber der Weinkeller mit historischen großen Weinfässern und moderneren Zementtanks. Denn er ist zudem durch einen speziellen unterirdischen Tunnel sogar mit dem Ristorante auf der gegenüberliegenden Straßenseite verbunden ist. Gut möglich, dass ihn auch Machiavelli nach dem ein oder anderen Trink- und Spielgelage nutzte. Denn beschrieben hat er auch diesen Gang. Wir aber können uns an den Köstlichkeiten im erstaunlich großen Ristorante erfreuen, in dem verwinkelte Treppen die schmucken Gasträume miteinander verbinden.
Sehr zu empfehlen ist z. B. Tatar vom Chianina-Rind, serviert mit Kapern und Zitrone (13 Euro). Ebenfalls prima sind die Bruschette mit frittierte Polenta, Wildschweinragout, toskanischem Schwarzkohl (cavolo nero) und der toskanischen Hühnerleber-Spezialität, dem Crostino di Fegatino al Vin Santo (8 €). Auch die bei Niedrigtemperatur gegarten Tortellone gefüllt mit gehacktem Rind- und Schweinefleisch (13 €) sind ein Gedicht. Und natürlich darf die Bistecca Fiorentina ebenso wenig fehlen wie ein Leibgericht des Großtheoretikers des politischen Durchsetzungsvermögens, die „Braciola del Machiavelli“ (16 €). Das Rezept mit Rotwein und wildem Fenchel soll direkt auf ihn zurückgehen. In jedem Fall bietet die Speisekarte weitere historische Traditionsgerichte der Extraklasse.
Und natürlich dürfen zum Dessert die hausgemachte Möhrentorte und die Coppa Machiavelli nicht fehlen: Mascarpone mit Cantuccini und Vin Santo. Schließlich ist San Casciano in Val di Pesa nicht nur für Wohnmobilfreunde ein Eldorado. Gleich nebenan bietet das edle B&B La Fonte del Macchiavelli Übernachtungsgenuss im gehobenen Landhausstil und damit auch eine gewisse Gewähr für einen feuchtfröhlichen Abend im Ristorante Albergaccio ohne polizeiliche Promille-Kontrolle.
Informationen:
Ufficio Informazioni Turistiche, www.sancascianovp.net/ufficio-turistico-san-casciano
Toscana Promozione Turistica, www.visittuscany.com
Fotos: Ellen Spielmann