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Interview mit den Machern des Berliner Sterne-Restaurants „Lorenz Adlon Esszimmer“

KULINARIKER: Das „Adlon“ ist vermutlich das bekannteste Hotel Deutschlands. Was bedeutet es für Sie, an einem solchen Ort zu arbeiten?

RB:  Das „Adlon“ ist ein ganz besonderes Hotel. Da ist die Geschichte, da ist die jahrzehntelange Passion für höchste Qualität und Luxus. Es macht viel Freude, an einem so exklusiven Ort zu arbeiten und die anspruchsvollen Gäste mit feinster Gourmetküche zu verwöhnen. Das schafft man auf diesem Niveau nur als Team, auf das ich sehr stolz und wofür ich dankbar bin.

OK: In meiner bisherigen Karriere war ein dem Restaurant zugehöriges Hotel immer eher zweitrangig. Schließlich ging es für mich vorrangig um das Restaurant, den Küchenchef und den Küchenstil. Im Hotel Adlon ist das anders. Ein legendäres Haus, mit einer so langen, glanzvollen Tradition! Das war für mich ausschlaggebend, hier zu arbeiten. Es erfüllt mich mit Stolz, dessen Geschichte weiterschreiben und ein Teil davon sein zu dürfen.

Das Konterfei von Wilhelm II. blickt im Lokal auf die Gäste. Der einstige deutsche Kaiser gehört zur Geschichte des Hotels, aber dürfte nach dem derzeitigen Zeitgeist vor allem eine Reizfigur sein. Wie gehen Sie damit um? Hat schon jemand daran Anstoß genommen?

OK: Bisher gab es dazu keinerlei Kommentare, schon gar keine Beschwerden. Für uns ist Kaiser Wilhelm II. ein wichtiger, sehr bedeutender Teil unserer Hotelgeschichte. Ohne ihn hätte es dieses Haus so wohl nie gegeben, da er Lorenz Adlon bei der Realisierung des Baus im Hinblick auf seine Staatsgäste maßgeblich unterstützte. Bald wurde er Stammgast im „Adlon“.

Lorenz Adlon. Ein Name, der verpflichtet…

OK: Auf jeden Fall. Lorenz Adlon (1849-1921) war schließlich ein legendärer Gastronom und Visionär. Kurz nach 1900 ließ er das Hotel erbauen, bald wurde es zum Zentrum des gesellschaftlichen Lebens in Berlin. Im ersten Stock befindet sich nun unser Restaurant.  

Warum erhielt das Restaurant später noch den Zusatz „Esszimmer“?

OK: Diese Ergänzung betont seit 2011 das Gemütliche und Gediegene, das diesen Raum ausmacht. Da sind die holzgetäfelten Wände, da ist der Kamin. Es herrscht eine familiäre, wohlige, nahezu intime Atmosphäre. Eben ein stilvolles Wohnzimmer, in dem ausgezeichnet gespeist wird. Und das am wohl am bedeutendsten Ort von ganz Berlin. Am Brandenburger Tor.

Wer sind Ihre Gäste?

OK: Weniger die Reichen und Schönen. Vielmehr ein breiter Querschnitt durch die Gesellschaft. Vom Mittzwanziger bis zum betagten Senior. Vom einfachen Angestellten bis zum betuchten Firmeninhaber. Gut 80 Prozent gehören zu den „normalen Bürgern von nebenan“. Leute, die sich vielleicht einmal im Jahr etwas Besonderes leisten wollen. Oft zu besonderen Anlässen. Die goldene Hochzeit, der runde Geburtstag. 

Woher kommen die?

OK: Etwa 70 Prozent unserer Gäste sind international. Sie stammen vor allem aus dem europäischen Raum, aus Skandinavien, Großbritannien, Frankreich und den Benelux-Ländern. Aber auch der eine oder andere Gast aus Südamerika, USA und Asien findet seinen Weg in unser Restaurant. Der restliche Anteil kommt aus Berlin samt Umgebung und dem Rest des Landes.

Wie reagieren Sie auf schwierige Gäste?

OK: Die gibt es äußerst selten, zum Glück. In der Regel hilft Humor, die Situation zu entkrampfen. Nur ein einziges Mal gab es den Fall, dass ein Gast einen meiner Mitarbeiter auf unflätigste Weise beleidigt hat. Es wurde zwar auf eine Strafanzeige verzichtet, aber der Gast bekam dann einfach die Rechnung sehr viel früher, als erwartet. Aufdringliches und zu intensiv eingesetztes Parfüm stört uns übrigens genauso wie manche Nörgelei, wenn ich das mit einem leichten Augenzwinkern anmerken darf (lacht). Passiert aber zum Glück extrem selten.

Reservierungen sind sicherlich empfehlenswert…

OK: Unbedingt. Am besten mindestens zwei bis drei Wochen vorher. Wir sind sehr gut gebucht und gerade am Wochenende immer voll belegt.

Erhöhte Mehrwertsteuer, Inflation, die Branche leidet. Wie gehen Sie mit den gestiegenen Kosten um?

OK: Wir haben unser Menü von ursprünglich acht auf sieben Gänge reduziert. So können wir den aktuellen Preis von 290 Euro halten. Unser Weg führt also über den geringeren Wareneinsatz.

Reto Brändli: Dress Code? Jedes Outfit ist willkommen. Foto: Hotel Adlon Kempinski Berlin
Reto Brändli: Dress Code? Jedes Outfit ist willkommen. Foto: Hotel Adlon Kempinski Berlin

Gibt es einen Dress Code?

OK: Nein, jedes Outfit ist willkommen. Die Zeiten sind vorbei einen Gast Anhand der Kleidung zu selektieren und einzuordnen. Selbst, wenn der Gast gerade im Jogging-Anzug aus dem Hotelzimmer gestolpert ist. Im Übrigen gibt es ja auch da sehr teure Exemplare (lacht).

Wie gehen Sie mit „No Shows“ um?

OK: Bei elf Tischen können wir uns kurzfristige Absagen nicht erlauben. Daher werden bei „No Shows“ laut unseren AGBs pro Person 190 Euro fällig. Künftig werden wir irgendwann an Anzahlungen wohl nicht mehr vorbeikommen.

Herr Brändli, Sie sind seit Frühjahr 2022 im Esszimmer und haben zwei Michelin-Sterne in diesem Jahr erneut erfolgreich erkocht. Was zeichnet Ihre Handschrift aus?

RB: Eine klassische französische Küche, mit der Leichtigkeit, der Frische und den Aromen des fernöstlichen Asiens. Zudem zieht sich immer ein Hauch von Säure durch nahezu das gesamte Menü.  Ich liebe Zitrusfrüchte. Und Kaviar. Der ist inzwischen alltagstauglich, weswegen gleich einige Sorten auf unserer Karte stehen.

Gibt es Unterschiede zu ihrem Vorgänger Hendrik Otto?

RB: Hendrik Otto kochte eine klassisch, französische Küche, zuletzt häufig mit regionalen Produkten. Die Gerichte waren reduzierter, vielleicht ein wenig bodenständiger. Kurzum eine sehr klassische Handschrift, die aber ihren ganz eigenen Glanz hatte.

Ich koche ebenfalls auf Basis der traditionellen, klassisch-französischen Küche. Diese ist aber moderner interpretiert, und, wie bereits erwähnt, von mehr internationalen Einflüssen geprägt. Dabei spiele ich gerne mit verschiedenen Texturen und Aromen. Immer verwende ich ausschließlich die besten Produkte aus aller Welt und setze sie so gekonnt wie möglich in Szene. Sehr aufwendig und mit viel Liebe zum Detail.

Was inspiriert Sie für ihre Gerichte? Wie kommen Sie zu ihren Ideen?

RB:  Mich inspiriert vor allem die tägliche Arbeit in der Küche. Wenn ich die Produkte betrachte und sie zubereite, kommen mir automatisch neue Ideen, die ich dann ausprobiere. So lange, bis ein harmonisch abgestimmtes neues Gericht entstanden ist. Einige Ideen schaffen es nie auf die Speisekarte. Andere finden dann zu einem späteren Zeitpunkt ihren Weg in ein dazu passendes Menü. Unter Umständen entsprechend modifiziert.

Welche Stationen Ihrer Laufbahn haben Sie am meisten geprägt?

RB: Eigentlich alle. Ich habe bei renommierten Schweizer Küchenchefs Erfahrung gesammelt und überall etwas dazugelernt. Ob während meiner Ausbildung bei Kurt Röösli im „Waldhaus Sils“, in Sils Maria, ob bei meiner Mitarbeit bei Zwei-Sterne-Koch Rolf Fliegauf im „Ecco“ in Ascona und im „Champfèr“ in St. Moritz. Danach erkochte ich als Küchenchef im „Ca d´Oro“ im „Grand Hotel Kempinski“ in St. Moritz zwei Sterne.

Berlin ist mit dem „Lorenz Adlon Esszimmer“ ihre erste Station im Ausland?

RB: So ist es. Ich stamme aus Pfäffikon In der Nähe von Zürich und bin meinem Heimatland bisher weitgehend treu geblieben. Aber das legendäre Adlon war schon ein reizvolle Herausforderung. Ich habe es nicht bereut.

Wie war ihr Start im Adlon im Mai 2022?

RB: Anfangs viel Aufbauarbeit. Ich habe mir mühsam ein Team zusammengestellt, mit dem musste ich die laufenden Arbeitsprozesse in der Küche koordinieren. Inzwischen klappt alles, das Klima ist super. Vor allem aber muss die Chemie zwischen Küchenchef und Restaurantleiter stimmen. Oliver Kraft und ich sind zum Kennenlernen einfach mal um die Häuser gezogen. Das hat dann bis zum Morgengrauen gedauert. Es passt also.

Wollen Sie im Adlon bleiben?

RB: Ich bin sehr gerne hier. Aber ich werde Mitte Januar 2025 in die Schweiz zurückkehren. Ich freue mich auf meine alte Heimat, die Natur, die Berge, die Seen.

Hat die Spitzengastronomie in der Schweiz einen höheren Stellenwert als in Deutschland?

RB: Auf jeden Fall. Gemessen an der Einwohnerzahl hat die Schweiz viel mehr Sterne-Lokale als Deutschland. Die Mentalitäten sind einfach sehr verschieden. Das Auto ist in Deutschland immer noch wichtiger als gutes Essen. Bei uns in der Schweiz ist das anders, schon wegen der französischen und italienischen Einflüsse. In diesen Kulturen ist die Küche von höchster Bedeutung. In beiden Ländern wird hart gearbeitet, aber die Schweizer geben gerne viel Geld für gutes Essen aus. Bei den Deutschen hat Essen traditionell billig zu sein, es dient in der Tendenz immer noch mehr der Sättigung als dem Genuss.

Reto Brändli: "Ich lege Wert auf Qualität". Foto: Hotel Adlon Kempinski Berlin
Reto Brändli: "Ich lege Wert auf Qualität". Foto: Hotel Adlon Kempinski Berlin

Legen sie bei den Produkten Wert auf Regionalität?

RB: Wir legen vor allem Wert auf Qualität. Wenn der Produzent stimmt, dann gerne auch regional. Unser Wild etwa stammt aus Brandenburg. Ansonsten ist uns für ein Spitzenprodukt kein Weg zu weit. Ob Hummer aus der Bretagne, ob Königskrabbe aus Alaska. 

Ist bei solch weiten Wegen die Frische gewährleistet?

OK: Auf jeden Fall. Von Tür zu Tür dauert die Reise nicht mehr als 24 Stunden. Die Flüge gehen nach Frankfurt, von da aus gelangen die eingekauften Produkte mit dem Kühl-Lastwagen direkt weiter zu mir in die Küche. Eine zwischenzeitliche Lagerung im Kühlhaus findet also nicht statt.

Bei den Weinen sind die Wege weitaus kürzer….

HMK: So ist es. Hier liegt die Qualität quasi vor der Tür. Wie bieten eine sehr umfassende Auswahl einheimischer Gewächse, wie beispielsweise Riesling an. Gerade den internationalen Gästen dürfen wir damit zeigen, was der deutsche Wein so alles kann. Und das mit Erfolg. Ansonsten setzen wir auf das „alte“ Europa, wie Frankreich oder Italien. Daher ist unser Angebot an Weine aus Übersee etwas weniger umfangreich.

Wie finden Sie den passenden Wein für den jeweiligen Gast?

HMK: Das hängt nicht nur von den Speisen ab. Was bestehen für Vorlieben? Wieviel Alkohol darf der Wein enthalten?  Ist ein ganz bestimmtes Trinkerlebnis gewünscht? Was ist der Anlass des Besuchs? Nicht zuletzt: In welchem Preisrahmen soll sich bewegt werden?

Auf der Karte stehen auch Weine für bis zu 30.000 Euro. Wurde so etwas schon bestellt?

HMK: Ja, von manchen unserer regelmäßigen Besucher, wenn auch selten, zu besonderen Anlässen. Etwa einem runden Geburtstag. Wir bieten eben eine Weinauswahl an, die sehr genau auf die Wünsche unserer Gäste abgestimmt ist. Dazu gehören auch Genuss-Momente in diesem Preissegment.

Wie sind Sie zum Wein gekommen?

HMK: Über mein Elternhaus. Es wurde nicht viel Wein konsumiert, dafür aber meist eine gute Qualität. Ob Wein, ob Champagner.  Das brachte dann eine gewisse Qualität mit sich, die mein Interesse geweckt hat.

Was möchten Sie mit Ihrer Empfehlung erreichen?

HMK: Zufriedene Gäste, die unser Restaurant verlassen, und alsbald wiederkommen.  Die gesamte Erfahrung sollte ein Geschmackserlebnis sein, welches, im wahrsten Sinne des Wortes, als delikat empfinden wurde. Am Ende des Abends sollte das Fazit lauten: „Wir haben sehr gut gegessen und sehr gut getrunken“.

 

 

Informationen:

www.lorenzadlon-esszimmer.de

Fotos: Hotel Adlon Kempinski Berlin, Fritz-Hermann Köser

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