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Interview mit Willi Stürz (Kellermeister der Kellerei Tramin)

KULINARIKER: Wie sind Sie zu Ihrer Profession bei der Kellerei Tramin gekommen? 

Willi Stürz: Mein Vater war Angestellter und bewirtschaftete in seiner Freizeit ein kleines Obst- und Weingut. Dies hat dazu beigetragen, mein Interesse an Landwirtschaft zu entwickeln. So sehr, dass ich, als ich über die schulische Orientierung nachdenken musste, keine Zweifel hatte und mich an der Landwirtschaftlichen Oberschule einschrieb. Die Faszination für Technik und Architektur hat mich immer begleitet und ich hatte sie stets im Blickpunkt, in der Schule konnte ich praktische Übungen zur Gestaltung von Bauernhöfen machen. Nach dem Abitur entschied ich mich zunächst einmal am örtlichen Land- und Forstwirtschaftlichen Forschungszentrum Laimburg Erfahrungen zu sammeln. Ich erinnere mich an die Ernte von 1987: Es war aufregend und fesselnd. Von diesem Moment an wurden meine Emotionen und mein Interesse verstärkt und mein Weg war wohl vorgezeichnet. Es reifte der Wunsch, mich auf Önologie zu spezialisieren. Trotzdem habe ich mich sicherheitshalber auch an der Technischen Fakultät in Innsbruck eingeschrieben.

Sie haben einen Wein vinifiziert, dessen erster Jahrgang 2009 die höchste Punktzahl von Robert Parker’s Wine Advocate erhalten hat. Es war ein historischer Moment für ganz Südtirol und ein großes Ausrufezeichen für die kleine Region. Bisher ist es immer noch der einzige Weißwein in Italien mit dieser Höchstpunktzahl. Was genau ist unter dem Epokale zu verstehen? 

Epokale ist das Ergebnis unserer Suche nach Möglichkeiten, das Potential der historischen Rebsorte Gewürztraminer auszuschöpfen. Es ist ein Typus von Wein, wie er bis ins vorletzte Jahrhundert hoch im Kurs stand: mit wahrnehmbarer Restsüße. Eine alte Spielart, die im Geiste einer längst vergangenen Epoche wiederbelebt wurde, von daher kommt auch der Name „Epokale“. Gleichzeitig ist er aber kraftvoll, elegant und anmutig. 

Wie ist die Idee zu dem Epokale entstanden?

Seit vielen Jahren legen wir unser ganzes Herzblut in den Gewürztraminer. Mit Nussbaumer haben wir den für Südtirol typisch trockenen Ausbau als eigene Stilistik auch außerhalb von Italien etabliert. Alle Mikrozonen werden separat vinifiziert. Für Nussbaumer wurden bei einem Teil der älteren Anlagen die Trauben einige Wochen länger am Rebstock gelassen, solange, bis sie eine extreme Reife entwickelten. Diese Weine mit erhöhten Zuckerwerten haben mich beim Verkosten über die Jahre immer wieder wegen ihrer Komplexität fasziniert. So entstand der Wunsch für eine Variante mit einem bedeutenden Restzuckergehalt, der aber auch die enorme Reifefähigkeit des Gewürztraminers aufzeigen soll.

Willi Stürz: Epokale ist das Ergebnis unserer Suche nach Möglichkeiten. Foto: Carola Faber
Willi Stürz: Epokale ist das Ergebnis unserer Suche nach Möglichkeiten. Foto: Carola Faber

Wo lagert der Epokale? 

Epokale lagert in einem aufgelassen Bergwerkstollen in 2000 Meter Höhe am Alpenhauptkamm. Er gehört zum Landesmuseum Bergbau Ridnaun. In über 3000 m Tiefe reift Epokale in völliger Dunkelheit, totale Ruhe und bei gleichbleibender Temperatur von 11 Grad Celsius. 

Warum erfolgt die Lagerung im Stollen und was genau wirkt sich so positiv auf den Wein aus? 

Die idealen Bedingungen im Bergwerk sind in unserer Kellerei selbst mit einem hohen technischen Aufwand nicht erreichbar. Während mit der Zeit Frische und Frucht eines Weines normalerweise welken, verleiht die Reifung in den Tiefen des Bergwerks, wo jahraus, jahrein, zu jeder Jahreszeit konstante Temperatur, gleichbleibende Feuchtigkeit, vollständige Dunkelheit und absolute Ruhe herrschen, eine ausgezeichnete Balance, ohne gleichzeitig an Frische, Frucht und „Knackigkeit“ zu verlieren.

Welcher Aufwand steckt hinter der Lagerung im Stollen? Was ist die größte Herausforderung?

Die Ortschaft Ridnaun liegt etwa 100 km von unserer Kellerei entfernt. Von dort führt ein steiler Forstweg, der durch die Klimasituation und die Gefahr der Bodenerosion nur wenige Wochen im Jahr befahrbar ist, zum Stolleneingang. Dort werden die Flaschen von Hand in die Wagen einer Elektrobahn geladen. Die Bahnstrecke endet nach fast 3 Kilometer. Unser Lagerplatz liegt dann einige hundert Meter entfernt in einem Seitenstollen. Die Flaschen werden in Schubkarren geladen und dorthin gebracht und aufgestapelt. Der Boden ist nass und schlammig. Nach Jahren nehmen die Flaschen den umgekehrten Weg. Vor der Etikettierung werden in der Kellerei alle Flaschen vor der Etikettierung geputzt.

Wie viele Flaschen lagern in dem Stollen, welche Jahrgänge und wie lange lagern die einzelnen Jahrgänge?

Die Weine lagern im Schnitt etwa 6 bis 7 Jahre im Bergstollen. Momentan lagern die Jahrgänge 2017 bis 2022, insgesamt etwa 18.000 Flaschen.

Lagerung im Stollen bei 11 Grad Celsius. Foto: Carola Faber
Lagerung im Stollen bei 11 Grad Celsius. Foto: Carola Faber

Lagern Sie Vergleichsflaschen in der Traminer Kellerei?

Ja, im Vergleich zu einer Epokale-Flasche, der unter bestmöglichen Bedingungen in unserem Weingut gelagert wird, genießt ein Epokale, der in der Mine gealtert ist, einen homogeneren Reifungsprozess. 

Die einzelnen Editionen sind sehr schnell ausverkauft? 

Durch seine einzigartige Aufbereitung ist die Flaschenanzahl sehr gering und somit auch nur limitiert erhältlich. Epokale ist in erster Linie für die gehobene Gastronomie bestimmt. Die viel stärkere Nachfrage gegenüber der Verfügbarkeit regeln wir mit Zuteilungen, noch lange bevor der Jahrgang auf den Markt kommt.

Wie würden Sie den Geschmack des Epokale beschreiben?

Epokale ist leuchtend intensiv goldgelb, sein Duft ist intensiv und eindrucksvoll und zeigt Noten von Rosenblüten, Lavendel, reife gelbe exotische Früchte, Honigmelone, Mango, Maracuja, Pfirsich, Litschi sowie würzige Noten von getrockneten Kräutern: Gewürznelken, Salbei, Ingwer, Safran, Zimt und Muskatnuss. Im Geschmack sehr elegant und anmutig, mit enormem Tiefgang und ausgeprägter Aromatik. Epokale ist körper- und extraktreich, aber mit feinwürziger Saftigkeit und salziger Mineralik ausgestattet. Die hochfeine Restsüße harmoniert mit milder Säure. Der Abgang ist nahezu unendlich lang. 

Ihre weiteren Pläne für die Kellerei Tramin?

Nach dem Erfolg mit Gewürztraminer haben wir in den letzten Jahren den Chardonnay in den Mittelpunkt unserer Wahrnehmung gestellt, ihm viele Studien gewidmet und das große Potenzial dieser Rebe im Alpenraum gründlich untersucht und als Teil eines umfassenden önologischen Projekts kontinuierlich ausgebaut. Die kalkreichen Böden und das bei uns herrschende Klima bieten unendliche Möglichkeiten für die Entwicklung dieser Rebsorte. Dabei sind wir mit der Sorte auch in unübliche Höhenlagen vorgedrungen, denn komplexe Chardonnays aus hohen Lagen sind eine Seltenheit, doch genau darin liegt für uns der Reiz.

Fotos: Carola Faber

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