Schon im Anflug übersieht man die gesamte Insel: die 316 Quadratkilometer erscheinen Ton in Ton, blasser, fast weißer, reflektierender Kalkstein, selbst die Gebäude… hier und dort ein grünes Fleckchen. Ein sanfter Wind weht – es herrscht mediterranes, trockenes Klima: Die Lage zwischen der nordafrikanischen Küste und Sizilien war für viele Völker in den Jahrtausenden stets auch eine strategische. Das mediterrane Klima wird das ganze Jahr über geschätzt von Reisenden, die trockene Hitze bevorzugen.
Seit geraumer Zeit beleben die Malteser ihre kulinarischen Vielvölker-Wurzeln bewusst neu. Über die Inseln zogen im Laufe der Jahrtausende Phoenizier, Wandalen, Byzantiner, auch Ostgoten, Römer, Türken, Griechen, Araber hinweg und hinterließen Architektur, Sitten und Gebräuche. Der Anbau von regionalem Gemüse, Obst und Kräutern nimmt Fahrt auf, kleine Familienrestaurants und Bistros in idyllischen Dörfern bieten authentische Küche feil.
Kleiner Ort – große Küche
Knackfrische Nahrung, keine Pestizide, kein Plastik, keine Transportkosten auf dem Eiland mit knapp 500.000 Seelen: Seit geraumer Zeit macht sich auf der Insel großes Interesse breit, sich den Zutaten und Rezepten der Vorfahren zu nähern. Manuel Schembri beispielsweise beackert mehrere Hektar im Nordwesten und ringt dem trockenen Wüstenboden Beachtliches ab. Seine field-to-fork Versorgung des eigenen „VERBENA – Wine & Dine“ Restaurants in Żebbiegħ/L’ Mġarr gleich neben der Dorfkirche sind Kräuter und kleine Gemüse. Wobei die aromatische und heilende Zitronenverbene nicht nur den Namen für das Familienrestaurant liefert, sondern für seine Gerichte unerlässliche Zutat ist. Manuels Chef-Karriere in UK und mehreren Mittelmeer-Sterneküchen schaffte eine solide Basis für dieses eigene Restaurant. Durch die tägliche Ernte sind auch seine Gerichte täglich anders. Dennoch fühlt er sich der maltesischen Tradition verpflichtet.
Er brutzelt und schmurgelt in seiner kleinen Küche… Rüben, Ingwer oder Chili… alles aus eigenem Anbau: für Frühlingsrollen, Gemüsekrapfen oder Ravioli. Diese füllt er gern mit Süßkartoffel-Babaganoush. Der „Lampuki“-Fisch etwa ist Teil der Maltesischen DNA, der ‚gbejniet‘-Schafskäse kommt von glücklichen maltesischen Schafen aus Siġġiewi. Die vielen Insel-Kaninchen enden nicht nur hier in leckeren Kroketten oder als kompletter Nationalgericht-Braten „Stuffat tal Fenek“/ „Fenek bit-tewn u bil-inbid“ – die Sauce ist aus Tomaten, Rotwein und reichlich Knoblauch sowie Rosmarin, Thymian, Majoran und Lorbeer. Das Gericht kommt längst nicht mehr mit dem Tierkopf auf den Tisch, das hatte zu viele Gäste zu sehr erschreckt.
Manuel Schembri hat sowohl die besten schottischen Whiskys wie maltesische Biere im Angebot – oder KINNIE! Die herbe, alk’freie Limonade aus Kräutern und Bitterorangen hat mittlerweile Kultstatus und ist eine großartige Alternative zu Coca Cola. Seine Inselernte stellt auch die Desserts: mit Walnuss oder Dattelanteilen. Johannisbrot-, Pfirsich oder Kaktusfeigensorbet, salziges Karamelleis – alles eine Kombination aus den Küchen der Vorfahren auf diesem nordafrikanischen Breitengrad.
Pastizzi at its best
Etwas Besonderes haben sich Ġulinu Scicluna und Ehefrau Nancy einfallen lassen: sie stellen seit über 30 Jahren handmade Pastizzi her, Heiße, flockige, herzhafte Gebäckstücke mit einer Füllung aus Ricotta oder Erbsenpüree. Ihre Kunst bieten sie als Kurse an, die Herstellung authentischer Pastizzi. Gastgeber sind gern der Bauer Charlie Vella mit seiner Frau Bella, in einem paradiesischen Farm-Garten und einem selbstgebauten Holzofen in einer per Hand aufgeschichteten Natursteinmauer.
Ob man es wirklich so hinbekommt, diesen aufwändigen Teig aus Mehl, Olivenöl, Salz, Butter und Margarine sowie einem Schuss Essig selbst herzustellen? Den Teig so leidenschaftlich, liebevoll und gründlich mit den Händen in Schichten zu walken, zu kneten und zu rollen wie der 73-jährige Ġullinu – und schließlich die Teig-Vierecke zu füllen? Einen Versuch ist es wert.
Der Duft während der 30minütigen Backzeit ist betörend, das Ambiente unter freiem Himmel in diesem paradiesischen Garten mit Blick aufs Meer „breath taking“. Unter Granatapfelbäumen und umgeben von exotischen Pflanzen dieses traditionelle maltesische Fast Food zu verspeisen, dazu noch einen typischen maltesischen Kaffee, gewürzt mit gerösteter Wurzel von Zichorien, gemahlenen Nelken, Anis und Orangenschalen – man trinkt ihn aus einem Glas und er gehört zu den sehr besonderen maltesischen Eindrücken.
Grain Restaurant: Oben, Straße und Unten
Das elegante Restaurant „Grain“ in der Triq Il Merchanti/Merchants Street in Valetta ist sozusagen ein Dreiteiler: Im „Over Grain“, der Roof Top Bar, stimmt man sich über den Dächern der Hauptstadt mit Cocktails auf ein lukullisches Erlebnis ein. Es wird entweder im „Under Grain“ Keller-Restaurant, einer ehemaligen Schneiderein eingenommen oder im „Street Grain“ auf der Straßenterrasse inmitten brodelnden Lebens der Hauptstadt.
Für das „Under Grain“ kann man ausnahmsweise einmal drinnen speisen. So wie seinerzeit die Schneider hier Exquisites aus Stoffen herstellten, so bereitet heute der kreative Chef Victor Borg großartige Küche zu.Von feinen mediterranen Zutaten mit intensivem Geschmack wie etwa wie die bereits zitierten frittierten Kaninchenbälle. Seine Gänge werden gern rustikal in heißen Pfannen serviert, dazu reichlich köstliche Saucen zum nachfüllen. Etwas herber das hausgebackene Brot, eine zarte Lemontarte am Abschluss. Auch auf seine Weinbegleitung kann man sich verlassen, der rote 1919 Marsovin ist ein hochwertiger Inselwein aus der Marsovin Artist Edition.
Taż-Żiri off Triq Blat il-Qamar Girgenti l/o, Is-Siġġiewi
… das ist für unsereins die kaum aussprechbare Adresse eines Weingutes. Den Weinanbau haben die Malteser den Phöniziern zu verdanken, die Rebenlandschaften sind nicht sofort als solche zu erkennen, der Wein wird wegen der Hitze und des Windes oft in Büschen angebaut. Überall die Nähe des Meeres und der kalkhaltige Boden führen zu interessanten Erträgen und durchaus erlesenem Geschmack. „Ta’ Betta Wine Estates“ etwa in der hügeligen, üppig grünen Umgebung von Siġġiewi umfasst vier Hektar terrassiertes Land. Astrid und Juanito Camilleri benennen ihre Weine nach menschlichen Eigenschaften: elegant, tiefgründig, kokett oder hartnäckig, opulent oder robust… je nach Persönlichkeit oder Charakter, den er hervorruft.
Ihre 2002 aus Frankreich importierten Reben waren sorgfältig ausgewählte Klone edler Rebsorten: Merlot, Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc, Syrah und Chardonnay. „Man kann nie guten Wein aus schlechten Trauben machen, man kann nie authentische Weine machen, indem man mit Chemie Defizite vertuscht oder den Ertrag der Natur aufbessert“ sagen die engagierten Winzer. Und so finden sich ihre Weine auf den meisten Karten in Malta!
Hier zu: Malta pflegt sein kulinarisches Erbe (Teil 2)
Informationen:
Verbena Wine & Dine, www.verbenamalta.com
Grain, www.grain.mt
Ta’Betta Wine Estae, www.tabetta.com
Fotos: viewingmalta.com, Uta Petersen