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Wroclaw – Stadt der Musik, Kunst und Kultur (Teil 2)

Tatsächlich ist es aber auch das Wohn- und Geburtshaus des Physik-Nobelpreisträgers Max Born (1882 – 1970), dem eine ehrende Wandtafel gewidmet ist. Er erhielt die Auszeichnung 1954 für seine Arbeiten zur Quantenmechanik. Born, eng mit Einstein befreundet, wurde 1933 wegen jüdischer Vorfahren und pazifistischer Neigungen zwangsbeurlaubt, 1936 die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen und ins Exil nach England gezwungen. Und auch Born stammte aus einem nicht nur professoralen, sondern auch hochmusikalischen Breslauer Elternhaus. Die Sängerin und Schauspielerin Olivia Newton-John ist übrigens eine Tochter seiner Tochter Irene. Und die die Sozialwissenschaftlerin und Musikerin Georgina Born ist eine Enkelin Max Borns.

Welch ungeheuren menschlichen und kulturellen Verluste die Nazizeit auch für Breslau mit sich brachte, zeigt dann der Besuch in der Storchen-Synagoge. Im Hof des heute wieder der jüdischen Gemeinde von Wroclaw gehörenden Gebäudekomplexes erinnert eine Wandtafel an die Deportationen, die von diesem Platz aus in den Jahren 1941 bis 1944 in die Vernichtungslager stattfanden. Eines der ersten NS-Konzentrationslager für politische Häftlinge gab es schon 1933 mit dem KZ Breslau-Dürrgoy. Bei den Novemberpogromen 1938 („Reichskristallnacht“) legten SA-Trupps Feuer an Breslaus 1872 erbaute Neue Synagoge. Sie war zuvor neben der Neuen Synagoge Berlin eine der berühmtesten in Deutschland. Zudem wurden 2000 jüdische Bürger in „Schutzhaft“ genommen und in Konzentrationslager verschleppt, zur Emigration genötigt und ihr Vermögen „arisiert“.

Die Synagoge zum Weißen Storch, 1827 bis 1829 von Carl Ferdinand Langhans erbaut. Foto: Jürgen Sorges
Die Synagoge zum Weißen Storch, 1827 bis 1829 von Carl Ferdinand Langhans erbaut. Foto: Jürgen Sorges

1941 begannen in Breslau dann die Transporte und Deportationen. Ein Großteil der 23 000 bis 26 000 Breslauer Juden, die vor dem Zweiten Weltkrieg nach Berlin und Frankfurt/Main die drittgrößte Gemeinde in Deutschland bildeten, überlebte den Krieg nicht. Ein kleines Wunder bleibt, dass die Synagoge zum Weißen Storch, die „Storchensynagoge“ erhalten blieb. 1827 bis 1829 von Carl Ferdinand Langhans erbaut, gehörte sie bis 1872 zum liberalen, danach bis zu den Novemberpogromen 1938 und noch bis 1941 zum konservativen Judentum Breslaus. Bis Ende des Zweiten Weltkriegs diente sie als Garage und Lager für geraubtes Eigentum von Juden. 2010 konnte sie nach umfangreicher Restaurierung als Kulturzentrum wiedereröffnet werden. Großen Anteil daran hatten Bente Kahan und die Bente-Kahan-Stiftung. 1996 war das Gebäude an die Jüdische Gemeinde Wroclaw zurückgegangen. Eine erste Restaurierungsphase wurde 1998 abgeschlossen.

Ab 2005 setzte die norwegische jüdische Künstlerin Bente Kahan neue Akzente, in dem sie in der Synagoge zum Weißen Storch das Zentrum für jüdische Bildung und Kultur in Breslau gründete. 2006 kam ihre Stiftung hinzu. Im Jahr 2010 konnte dann die vollständig restaurierte Storchensynagoge wieder eröffnet werden. Der Hauptraum dient heute nur zu hohen religiösen Feiertagen als Synagoge und wird daher auch für kulturelle Veranstaltungen genutzt. Die kleine jüdische Gemeinde von Wroclaw trifft sich derweil zum Gebet in der „Shul“ einem kleineren schon restaurierten Raum nebenan. 2018 konnte die heute mehrfach ausgezeichnete Schauspielerin und Sängerin Bente Kahan endlich auch die Restaurierung des Mikwe-Bades abschließen, dessen Interieur nun ebenfalls erfolgreich für Kulturveranstaltungen und Ausstellungen, aber auch als rituelles Bad genutzt wird. Beeindruckend ist schließlich die Holocaust-Ausstellung – samt der unwiederbringlich verlorenen kulturellen Verluste.

Tagesabschluss im Art Hotels in der Altstadt. Foto: Jürgen Sorges
Tagesabschluss im Art Hotels in der Altstadt. Foto: Jürgen Sorges

Bei einem Streifzug durch Wroclaws auch Vier-Tempel-Viertel genannte Viertel der Vier Religionen ist natürlich auch die Storchen-Synagoge ein wichtiger Besuchspunkt. Es wird von den Straßen ul. Kazimierza Wielkiego, ul. Mikołaja, ul. Włodkowica und ul. Św. Antoniego begrenzt und heißt seit 1995 so, weil hier vier Konfessionen friedlich miteinander leben. Seit 2005 sind die Attraktionen durch einen Kulturpfad miteinander verbunden, darunter natürlich auch die Storchensynagoge. Ein wichtiger Treffpunkt ist schließlich an der Ecke ul. Kazimierza Wielkiego mit der ul. Św. Antoniego die Skulptur „Planeta“ (Planet). Diese 2012 enthüllte Skulptur ist heute das Symbol des Viertel. Bildhauerin Ewa Rossano, eine Künstlerin aus Wrocław, schuf sie. Sie hat ihr Atelier übrigens nahebei.

Nach so vielen Entdeckungen gebührt Wroclaw-Besuchern natürlich auch ein leckeres Dinner. Warum nicht im Art Restaurant des Art Hotels in der Altstadt? Hier, im Renaissancegebäude aus dem 16. Jahrhundert (1520), passt zu Halloumi, Salat, gegrillter Birne, Cocktailtomate, mariniertem Kürbis und Zitronensauce passt ebenso ein leckeres Bier wie zum Steinpilz-Cappuccino mit Ziegenkäse oder zum Hauptgericht, etwa Entenbrust mit Pflaume, Roter Bete, Kürbis-Fondant und Portwein. Zum Dessert locken Kürbistrüffel mit Amaretto, Salzkaramelleis und Honig-Granola. Und das Bier sollte am besten das im Angebot befindliche regionale aus einer örtlichen Mikrobrauerei sein. Und bei Spezialgerichten wird dank der Rezepte auch das alte Breslau ein wenig lebendig.

 

Information:

Polnisches Fremdenverkehrsamt, www.polen.travel 

Visit Wroclaw (Breslau): https://visitwroclaw.eu/de

Übernachten/Essen und Trinken:

Hotel Monopol, https://monopolwroclaw.hotel.com.pl/hotel-monopol-wroclaw

Fotos: Jürgen Sorges

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