In Baile a’ Chaisteil, wie das Dorf Braemar auf schottisch-gälisch heißt, beherbergt das örtliche Fife Arms Hotel 14.000 Ausstellungsstücke an Antiquitäten und Kunstobjekten. Nur um einen gewagten Vergleich anzubringen: Im Pariser Louvre sind es gerade einmal 2600. Nun, der Vergleich hinkt natürlich, dennoch bleibt es eine erstaunliche Anzahl an Exponaten, die das Galeristenpaar Iwan und Manuela Wirth hier in die schottischen Highlands brachten.
International zählt das Schweizer Ehepaar zu den größten Kunsthändlern der Welt. Kein Wunder also, wenn es das eine oder andere Kunstobjekt in ihr Hotel schafft. 2018, nach mehrjähriger Renovierungsphase, öffnete das Fife Arms Hotel seine alten Tore. Es ist ein traditionelles Haus, einst durch den Duke of Fife im 19. Jahrhundert erbaut, war es so etwas wie ein Gasthaus der royalen Sommerresidenz des Balmoral Castle, welches sich nur wenige Kilometer entfernt befindet.
Wer hier wohl einst durch die Hallen wandelte, vermag man sich kaum vorzustellen. Es dürfte aber vom höchsten Adelsgeschlecht bis zu Schauspielern und Künstlern vieles dabei gewesen sein. Doch natürlich nicht nur, denn das Hotel in den nord-östlichen Highlands ist mit seinen 46 Zimmern und Suiten heute ein Ort der Begegnung für jedermann. Es gibt, so wird uns erzählt, durchaus viele Besucher, die einfach in das Hotel kommen um die Kunst zu bewundern. Denn derer gibt es bereits in der Lobby viele.
Empfangen wird der staunende Gast beim Betreten des Hotels mit Klaviermusik. Musik von einem Steinway, welcher von dem amerikanischen Künstler Mark Bradford mit einem shabby-textur-old-school Muster versehen wurde und wie von Geisterhand alleine vor sich hinklimpert. Wem die Musik nicht recht passen möge, der sucht sich auf dem iPad, welches auf dem Klavier liegt, einfach ein neues Stück aus und lässt den umgebauten Steinway ein anderes Stück spielen. Ein Computer steuert jeden Abend neben der Musik auch den Anschlag der Tasten.
Vis-à-vis, etwas erhöht, schräg über der Treppe zu den Zimmern und Suiten, hängt ein von Richard Jackson entworfener Kronenleuchter. Der „Red Deer“ aus Edelstahl, Kunststoff, Glas und Neon scheint so gar nicht in das altehrwürdige Gebäude zu passen. Aber vielleicht ist es ja eben genau das, was die Eigenart des Hotels so besonders macht: surreale Kunst, ein wenig Kitsch, Klassiker hängen neben Tierpräparaten und neumoderne Abstraktionen umgeben sich mit Jagdtrophäen. Tatsächlich wird hier Kunst als Gesamtkunstwerk inszeniert. Spannend.
Royale Kunst befindet sich gleich am Empfangstresen, etwas unscheinbar zunächst. Beim genaueren Hinsehen und der Durchsicht des angebrachten Schildes erkennt man, dass es sich bei der Bleistiftzeichnung um ein Bild Königin Victorias handelt. Allgemein eher unbekannt, war die 1901 verstorbene Queen eine talentierte Zeichnerin, und eben hier, im Fife Arms, hängt eines ihrer Werke. Darauf zu sehen ist ein Hirsch mit Geweih, der, mehr als passend, sich nahtlos in das „Kunstwerk“ Fife Arms einpasst. Denn scheinbar tausendfach befinden sich in allen Räumlichkeiten Geweihe, die in verschiedensten Anordnungen wiederum Kunst erschaffen.
Bestes Beispiel dafür dürfte das Kaminzimmer sein, in dem dutzende Geweihe zu einer Girlande geformt wurden. Ein paar Schritte weiter findet sich in einem Raum ein Kronleuchter von Subodh Gupta mit den beachtlichen Ausmaßen von 410 x 440 Zentimetern. Der indische Künstler hat sich mit diesem Kronleuchter wahrhaft „austoben“ dürfen, verarbeitete scheinbar so ziemlich alles was er finden konnte. Von der Lunchbox bis zur Pfanne, von den unterschiedlichsten Glühbirnen in allen Formen und Farben bis zum Milcheimer: Eine wahnsinnige Strahlkraft geht von diesem Leuchter aus – und es ist wahrlich ein Objekt, dass durch seine Anordnung und Vielseitigkeit längerer Aufmerksamkeit bedarf.
Der Künstler selbst sieht sein Werk als Anstoß um über die Gesellschaft nachzudenken und will darauf aufmerksam machen, wie diese sich an die neuen Umstände einer globalisierten Welt formt(e). Nun, Kunst hat eben ihre eigene Kraft. Und ihre eigenen Aussagen anhand von konstruierten Bildern. Seien sie nun manifestiert, oder vielmehr Leitlinie des Künstlers. Was bleibt ist zumindest ein bleibendes Bild eines Leuchters, der wahnsinnig viel Arbeit gemacht haben dürfte.
Zhang Enli, ein chinesischer Künstler, dürfte wohl das „anstrengendste“ Kunstwerk im Hotel geschaffen haben. Über gut 60 Quadratmeter schuf er ein Deckenkunstwerk im Aufenthaltsraum neben der Lobby. Es ist ein farb- und texturreiches Kunstwerk, dass sich sicher nur mit einiger Mühe und Anstrengung hat an der Decke verewigen lassen. Es stellt schon recht vorstellbar die landschaftlichen Höhen und Tiefen der Highlands dar.
Teils abstrakt, dann klassisch, mal traditionell: so erscheint Kunst im Fife Arms. So hängt ein Picasso an der Wand, fast unscheinbar. Etwas weiter ein Werk von Sir Cecil Beaton oder auch von Hans Bellmer. Verschiedene Bilder zeigen Mitglieder der Königsfamilie, in der Bar reihen sich Bilder an den Wänden ein, mit abermals dutzenden Geweihen, teils erstellt aus einfachen Scheiben von Birken mit Ästen als Geweih dargestellt. Und eben dort findet man auch den „Flying Stag“ über dem Tresen „schwebend“.
Der Künstler James Prosek schuf dieses Hybridwesen eines Hirsches mit Flügeln, welcher im Wappen erscheint und Namensgeber der öffentlichen Bar ist. Das Wesen soll die Verbindung zwischen dem Leben im Tal (Hirsch) und dem Leben auf den höchsten Gipfeln (Schneehuhn) darstellen. Prosek selbst sagt dazu: „Letztendlich hängt die Gesundheit des einen von der Gesundheit des anderen ab – alles ist miteinander verbunden.“
In verschiedenen Stockwerken und in allen Winkeln dieses Ausnahmehotels findet sich Kunst. Mal ist sie amüsant, mal etwas morbid, aber (fast) immer mit Bezug zu der Region. Ein Hotel, dass fast als Galerie daherkommt. Unglaublich, fantastisch, interessant: es gehen einem fast die Superlative aus…
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Fotos: Michael Schabacker