Man kennt das ja: Im Italien-Urlaub fühlt sich alles so leicht, so unbeschwert an. Man genießt die Sonne, die Wärme, das süße Nichtstun. Lernt neue Freunde kennen. Isst und trinkt zusammen. Verabredet sich zu Weinproben. Packt mehrere Kisten in den Kofferraum. Doch zuhause schmeckt der Rebensaft dann lange nicht mehr so gut wie in Bella Italia.
So ähnlich muss es dem damaligen TUI-Chef Michael Frenzel gegangen sein, als er 2006 zum ersten Mal Castelfalfi besuchte: ein verlassenes Dorf mit etruskischen Wurzeln in den Hügeln der Toskana zwischen Florenz, San Gimignano und der tyrrhenischen Küste, wunderschön gelegen und sogar mit einer Burg- und Schlossanlage. Ein Traum, wie ihn New Yorker Bestseller-Autorinnen nicht besser beschreiben könnten in Büchern mit Titeln wie „Mein toskanischer Sommer“. 2007 schlug Frenzel zu und kaufte für den größten integrierten Touristik-Konzern der Welt gleich das ganze Dorf Castelfalfi. Doch bald schon musste TUI erkennen, dass klischeereiche Bilder allein nicht ausreichen, um ein 1.100 Hektar großes Areal profitabel zu managen. Die abgelegene Idylle erwies sich plötzlich als Standortnachteil. Und der Verkauf der Villen, die das Projekt gegenfinanzieren sollten, lief nur schleppend an. Der „Wirtschaftswoche“ zufolge hat der Ausflug in die Toskana TUI wohl mindestens 300 Millionen Euro gekostet. TUI hatte beim Baustart Investitionen in Höhe von 250 Millionen Euro bestätigt. Und der Betriebsverlust belief sich auf einen mindestens mittleren zweistelligen Millionen-Betrag.
In Pandemie-Zeiten lief der Verkauf der Villen auf dem internationalen Markt dann doch ganz ordentlich. Und das „Resort TUI Blue Castelfalfi“ wurde eine gute Adresse für den Toskana-Urlaub, bei den Gästen durchaus beliebt: ein Hotel mit angeschlossenem Dorf und 27-Loch-Golfplatz, einem der größten und anspruchsvollsten ganz Italiens. Trotzdem hatte TUI die Nase voll. Als sich 2021 der indisch-stämmige indonesische Unternehmer Sri Prakash Lohia (Indorama Corporation) in Castelfalfi verliebte, verkaufte der Touristik-Konzern das einstige Sorgenkind. Der Milliardär kündigte an, auf Basis eines ehrgeizigen Investitionsplanes „einen neuen Kurs einzuschlagen und eine neue Ära einzuläuten“.
Dass sich etwas verändert, merken wir bereits bei der Ankunft: Da werden nämlich gerade zwei Kübel mit Olivenbäumchen, die den Eingangsbereich flankierten, von Elefanten aus Ton abgelöst. Offenbar sollen die Dickhäuter Glück bringen, aber auch signalisieren, dass jetzt ein Herr aus Asien hier das Sagen hat. Fünf Minuten später stehen wir auf der großzügigen Veranda des Haupthauses und blicken im weichen Abendlicht auf einen toskanischen Traum aus sanften Hügeln, Weinbergen und Zypressen, die sich bis zum Horizont erstrecken. Man beginnt zu verstehen, warum sich die Herren Frenzel und Lohia in dieses Stückchen Erde verguckten.
Beim Aperitivo mit Castelfalfi-Negronis (mit hauseigenem Gin und Amaro) erklärt der umtriebige Resort-Direktor Isidoro di Franco, was sich in der neuen Ära ändern wird. Der aus Palermo stammende Sizilianer war schon zu TUI-Zeiten an Bord, und wir werten es als gutes Zeichen, dass er es auch jetzt noch ist. Anscheinend sprechen er und die Elefanten-Freunde eine gemeinsame Sprache. Di Franco zufolge werden die rund 150 Zimmer und Suiten des Haupthauses bis zum Saisonbeginn 2023 neu gestaltet – schon jetzt kann man einige der neuen Räume, in denen erdige Farben und Brauntöne dominieren, buchen. Ein Upgrade bekommt auch das Spa mit noch mehr Anwendungen und Behandlungen, natürlichen Produkten der Marke ESPA im Wellnessbereich, beheizten Indoor- und Outdoor-Pools, Whirlpools, einer finnischen Sauna und Erlebnisduschen. Tipp: Partner-Massagen im Outdoor-Zelt mit Blick über die Hügel der Toskana!
Wenig Adjustierungsbedarf gebe es bei den Villen und Bauernhäusern, die zur Vermietung und zum Verkauf angeboten werden. Da habe die Pandemie das Geschäft beschleunigt. Überhaupt soll der Charakter des Resorts als offenes „Albergo Diffuso“, in dem auch Einheimische und Gäste anderer Hotels freimütig ein- und ausgehen können, erhalten bleiben: „Castelfalfi ist für uns kein Resort, sondern ein Ort mit Tradition, an dem derzeit rund 80 Menschen permanent leben“, betont der Gastgeber.
Welch großes Potenzial in dem Resort-Dorf oder Dorf-Resort steckt, das jetzt „Toscana Resort Castelfalfi“ heißt, erleben wir in den kommenden Tagen. Die Gäste können aus mehr als 50 Outdoor- und Indoor-Aktivitäten wählen. Wir wandern auf ausgeschilderten Routen durch die Weinberge, reiten auf echten Pferden und auch auf E-Bikes aus, verabreden uns zu Yoga und Pilates im super-modernen Gym oder an sonnigen Tagen im Garten. Die Kids toben sich derweil im Adventure Park aus: testen ihren Mut im Hochseilgarten, lernen mit Pfeil und Bogen zu schießen, fangen Fische im See, werden zu „Bushcraftern“ unter der fachkundigen Anleitung eines Trainers.
Und dann sind da ja noch die vielen kulinarischen Erlebnisse: Castelfalfi ist eben nicht nur Resort, sondern auch landwirtschaftlicher Betrieb mit eigener Weinkellerei und Ölmühle. 25 Hektar der Gesamtfläche sind mit Reben bepflanzt. Jedes Jahr werden rund 130.000 Flaschen für ein halbes Dutzend Etiketten abgefüllt (alle Bio, ausschließlich eigene Trauben). Am besten verkostet man diese in den alten Kellern der Tenuta mit Diego Mugnaini, dem landwirtschaftlichen Direktor und Chefwinzer von Castelfalfi.
In der Barricaia, wo der Barrique-Ausbau erfolgt, sollte man vor allem den Vorzeigewein des Landguts namens Poggio alla Fame probieren. Der Rosso Toscano IGT wird zu 100 Prozent aus Sangiovese-Trauben von teilweise mehr als 20 Jahre alten Rebstöcken gewonnen. Das heißt: wenig Ertrag, der karge Lehmboden auf dem „Hungerhügel“ (fame = Hunger) tut ein Übriges. 20 Monate wird der Wein in Großfässern ausgebaut. Heraus kommt dabei ein schöner Kontrast zwischen Säure und Tanninen, der den „Fame“ mit der Zeit zu einem ausgezeichneten alterungsfähigen Wein mit guter Struktur macht, der fein am Gaumen liegt. Mugnaini weiß jedoch auch, dass seine Weinberge noch mehr Potenzial haben, schließlich befinden sich diese in den zentralen Hügeln der Toskana, wo jedes Jahr Weltklasse-Weine gekeltert werden.
Bei den Olivenölen spielt Castelfalfi bereits in der Oberklasse. 10.000 Bäume liefern Oliven für drei verschiedene Öle. Zwei davon werden ausschließlich aus einer einzigen Sorte gewonnen (Moraiolo und Frantoio), das dritte Öl (Toscano IGP) ist ein Blend aus Frantoio, Moraiolo, Leccino und Pendolino. Selbstverständlich werden alle drei Öle vollkommen biologisch im traditionellen Kaltpressverfahren hergestellt. „Unsere eigene Olivenmühle ist auch wichtig für den Kontakt zu den Einheimischen, die hier ihr eigenes Öl pressen lassen“, erzählt Diego Mugnaini, der gerne ein Tasting organisiert.
Apropos Tasting: Wer sich kulinarisch fortbilden möchte, ist in Castelfalfi goldrichtig: Im Herbst geht es auf Trüffelsuche. Und ganzjährig gibt es Pizzabäcker-Kurse, Käse-Verkostungen, Seminare zur Käse- und Schokoladenherstellung sowie Kochkurse mit Executive Chef Francesco Ferretti (sehr empfehlenswert!), der bereits seit 2011 an Bord ist und jetzt gespannt ist, welchen Food-Kurs der neue Eigentümer einschlagen möchte. Tatsächlich deckt schon jetzt das Angebot an Restaurants ein großes Stück Italien ab. Flaggschiff ist das in der mittelalterlichen Burg gelegene Gourmet-Restaurant „La Rocca di Castelfalfi“, wo der junge Chefkoch Michele Rinaldi aus Bergamo (Schüler von Gualtiero Marchesi) eine traditionelle Küche mit Fleisch und frischem Mittelmeerfisch präsentiert. „La Via del Sale“ heißt das Restaurant im Hotel, wo unter der Regie von Davide Rialti handgemachte Teigwaren, Meeresgetier und Traditionsgerichte von Nord- bis Süditalien auf den Tisch kommen. Sehr gute Pizzen, Pasta und eine Bistecca serviert die Trattoria „Il Rosmarino“, in der auch die Locals gern einkehren.
Wer mittags Lust auf leichte mediterrane Küche verspürt, geht am besten in das neue Restaurant, das sich im Country Club House inmitten des Golfplatzes befindet. Für den Sundowner verabredet man sich am besten in der Bar Ecrù, wo man von der Terrasse einen fantastischen Blick auf das Tal genießt. Man kann hier auf die neue Ära anstoßen, die in Castelfalfi begonnen hat – oder aber auch auf die gute Vorarbeit, die TUI hier geleistet hat.
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Fotos: Toscana Resort Castelfalfi