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Schwelgen an der Stiefelspitze

Italien ist und bleibt eines der Lieblingsreiseziele der Deutschen. Obwohl Kalabrien über den Flughafen in Lamezia Terme schnell erreichbar ist und Hotelburgen oder hoffnungslos überfüllte Strände ein Fremdwort sind, fristet die Region – zumindest relativ betrachtet – ein Dornröschendasein. Die rund 780 Kilometer Küstenlinie verteilen sich auf zwei Meere: das Ionische im Süden und das Tyrrhenische im Norden. Highlight ist Costa Degli zwischen Pizzo und Nicotera.

Ein Muss für jeden Kalabrien-Reisenden ist neben dem malerischen Pizzo, wo der Legende nach das Tartufo-Eis entdeckt wurde, das knapp 6500 Einwohner zählende Städtchen Tropea. Das historische Zentrum mit seinen engen Gassen thront auf einer rund 50 Meter hohen Steilküste aus Tuffstein. Bei gutem Wetter reicht der Blick bis zu den Liparischen Inseln, eine von ihnen Stromboli mit dem gleichnamigen aktiven Vulkan. Die Fahrt dorthin mit dem Schiff dauert nur eineinhalb Stunden, Tickets gibt es am Hafen und in der Altstadt.

Sicht auf Tropea. Foto: Christian Euler
Sicht auf Tropea. Foto: Christian Euler

Zum kalabrischen Pecorino genießt man die berühmte „Marmellata di cipolle rosse di Tropea“, eine Marmelade aus den roten, leicht süßlich schmeckenden Zwiebeln, für die die Region bekannt ist. Für hartgesottene Gourmets bieten fast alle Gelaterias Eis aus den roten Zwiebeln an. Der Cipolla Rossa di Tropea wurde sogar ein eigenes Festival gewidmet, das alljährlich im August in Ricardi stattfindet.

Spiel der Geschmacksnuancen im Restaurant De‘ Minimi

Stilvoll wohnen lässt es sich in der zur Mediterranean Hospitality-Gruppe gehörenden Villa Paola, eingerahmt in einen tropischen Garten mit Postkartenblick auf die Stadt und das Meer. Das kleine Boutique-Hotel mit seinen nur zwölf Zimmern versprüht den Charme einer historischen Residenz. Der Legende nach hatte der Heilige Franziskus von Paola auf seiner Reise nach Sizilien die Adelsfamilien von Tropea gebeten, an diesem Ort ein Kloster und eine Kirche für seine Minimi-Brüder zu bauen. Heute ist das ehemalige Kloster aus dem 16. Jahrhundert ein geschmackvolles Fünf-Sterne Hotel.

Aussicht auf das Meer inklusive. Foto: Eric Cuvillier
Aussicht auf das Meer inklusive. Foto: Eric Cuvillier

Geschmackvoll ist hier im besten Sinne doppeldeutig gemeint: Denn dort, wo einst die Gärten der Mönche standen, wächst heute das gesamte Gemüse und die Kräuter, die Küchenchef Emanuele Pucci im Restaurant De‘ Minimi auf die Teller bringt. Die Produkte für seine Menüs bezieht er von regionalen Landwirten und Slow-Food-Betrieben. Sein Credo: „Die kalabrische Küche zu entdecken bedeutet, die Geschichte dieses Gebiets zu verstehen, das reich an Nuancen und Kontrasten zwischen Meer und Land, zwischen Heiligem und Profanem ist.“

Den salzigen Stockfisch kombiniert er mit Crusco-Pfeffer und Nduja, einer sehr würzigen und scharfen Wurst, die in einem kleinen Ort in der Nähe von Tropea hergestellt wird. Beim erstklassigen Kalbsbries wiederum erzeugt Pucci dank einer intensiven Orangen-Reduktion, getrockneten Oliven und Paprika einen aromatischen Spannungsbogen, der im Gedächtnis bleibt. Ein gekonntes Spiel der Geschmacksnuancen ist auch die Seegurke, die eine mit gegrillten Sardinen aromatisierten Butter, getrocknetem Fischrogen und einem Hauch von Bergamotte verfeinert.

Küchenchef Emanuele Pucci. Foto: Giordano Garosio
Küchenchef Emanuele Pucci. Foto: Giordano Garosio

Casa Comerci: kleines Familienweingut

Der Weinclub der Villa Paola veranstaltet jeden Montag Verkostungen mit lokalen Winzern, ergänzt durch die passende kulinarische Begleitung. Hierzulande sind kalabrische Weine wenig bekannt, weil sie für nicht einmal fünf Prozent der italienischen Weinproduktion stehen. Zu Unrecht, einige sind durchaus eine Sünde wert. Mit seiner rund 3.000 Jahre alten Weinbaugeschichte zählt Kalabrien zu den ältesten Weinbauregionen Italiens. Rund 25.000 Hektar stehen unter Reben, die teils in 1000 Metern Höhe wachsen. Die Böden sind leicht, liefern aber dank des heißen, mediterranen Klimas beste Voraussetzungen für hochwertige Tropfen. 90 Prozent der Weinherstellung Kalabriens entfallen auf Rotweine, allen voran auf die autochthone Gaglioppo-Rebe, die auf einem Viertel der Rebberge kultiviert wird. Der wichtigste Weißwein-Vertreter ist der ebenfalls einheimische Greco Bianco.

Klein und fein ist der in Nicotera gelegene Familienbetrieb Casa Comerci. Die jährliche Produktion des im Jahr 1800 gegründeten Gutes beläuft sich auf 45.000 Flaschen Rot- und Weißwein aus 15 Hektar Rebflächen. Der Fokus liegt auf den biologisch an- und ausgebauten Sorten Magliocco Canino und Greco Bianco. Flaggschiff ist der ‘A Batia in einer Auflage von genau 3333 nummerierten Flaschen. Zu 100 Prozent aus der roten Magliocco Canino vinifiziert, leuchtet der 2019er Jahrgang rubinrot im Glas. In der Nase Noten von reifen roten Früchten. „Jancu!“heißt der ungewöhnliche Orangewein aus Greco Bianco-Trauben, die 70 Tage lang mazeriert wurden. Aromen von getrockneten Aprikosen, Haselnüssen und einem Hauch Vanille machen den Wein vollmundig und weich. Herrlich auch die leicht salzige Note, die das nahe Meer auf der Zunge widerspiegelt.

Der Weinberg Casa Comerci. Foto: Christian Euler
Der Weinberg Casa Comerci. Foto: Christian Euler

Die schönsten Buchten liegen am Capo Vaticano, 20 Autominuten südlich von Tropea. Am Kap blinkt ein Leuchtturm, der 1885 erbaut wurde. Bei klarer Sicht reicht der Blick bis zu den Liparischen Inseln, die Straße von Messina und Sizilien. Das nach der Landspitze benannte Capovaticano Resort mit seinen 123 ab 30 qm großen Zimmern und Suiten besticht neben seiner Alleinlage am Meer durch sein Spa und sein Zentrum für Thalassotherapie. Dort haben die Gäste die Wahl zwischen drei Pools mit beheiztem Meerwasser, Kneipp-Parcours, Sauna, türkischem Bad, Aromaduschen, Algentherapie, Shiatsu oder Massagen mit ätherischen Ölen. Im Hauptrestaurant Mantineo setzt Executive Chef Dario Bettoni auf traditionelle kalabrische Küche in einer leichteren Gourmet-Variante. Preise ab 110 Euro im Doppelzimmer mit reichhaltigem Frühstücksbuffet machen das Capovaticano Resort in der Nebensaison zum Schnäppchen.

Informationen:

Villa Paola: www.villapaolatropea.it/en

Capovaticano Resort Thalasso Spa: www.capovaticanoresort.it/de

Casa Comerci: www.casacomerci.it

Fotos: Lavinia Cernau, Christian Euler, Eric Cuvillier, Giordano Garosio

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