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Orange-Farben und Indian Summer am Castello di Porciano

Ausgestellt ist der berühmte Casentino-Mantel – in Variationen – neben Pullovern, Mützen, Jacken und Hosen z. B. auch im Verkaufsladen am historischen Museum der Kunst der Wollverarbeitung, dem Museo dell`Arte della Lana im kleinen Bergdorf Stia im Casentino, jenem auf über 1600 Meter ansteigenden sattgrünen Apenninengebiet, das sich südöstlich von Florenz aus dem Arnotal erhebt. Hier bieten zwei noch in Handarbeit produzierende lokale Wollwebereien ihre faszinierenden Produkte aus dem historischen, ebenso praktischen wie wärmenden Wolltextil des „Panno Casentino“, aber z. B. auch aus Kaschmir-Wolle an. 

Die alte Wollfabrik, in der 1878 über 500 Menschen, zumeist aus Stia, arbeiteten, steht seit langem still. Doch seit 2010 ist das Industriedenkmal zum sehenswerten Museum gewandelt – ein Ergebnis der Stiftung Luigi e Simonetta Lombard, der letzten Besitzerfamilie, die mit dieser Investitionen die lange Tradition der Wollherstellung und die mit ihr verbundenen Menschen in Stia würdigen wollte. Bis heute wird der „Panno Casentino“ noch nahebei in Bibbiena gefertigt. 

Ausstellung im Museum. Foto: Ellen Spielmann
Ausstellung im Museum. Foto: Ellen Spielmann

Top-Modedesigner wie Roberto Cavalli, Pierre Cardin und Gianfranco Ferré nutzen ihn weiterhin für ihre Kollektionen. Wolle wurde im Casentino dank einer besonderen Schafrasse schon im 13. Jahrhundert produziert. Man bezahlte damals damit die Steuern an Florenz. Farblich war diese Wolle damals eher an der Tracht der Mönche des Franziskanerordens orientiert. Doch ab Mitte des 19. Jahrhunderts und vor allem ab 1890, als der Florentiner Adel diesen dank neuer Farbwahl ganz besonderen Stoff aus dem Hochtal, für sich entdeckte, änderte sich dies entscheidend. 

Ursprünglich war man dazu übergegangen, den Panno Casentino im grellen Rotorange-Ton zu fertigen und zwar als Pferdedecken und Kutscherumhänge für die pferdemobilen Herren der Schöpfung: Doch es kam anders. Denn den Signori, allen voran Verdi, Puccini oder den Baronen Ricasoli, gefiel der auffällige Stoff, aus dem die Träume sind, so sehr, dass bald Mäntel exklusiv für sie gefertigt wurden. Die florentinische Damenwelt musste sich anfangs mit einem Mantelpendant im satten Grünton beschränken. Doch dies änderte sich rasch: Denn die modebewussten Florentinerinnen drehten den Spieß um, machten sich flugs das Rotorange zu Eigen und schickten ihrerseits die Herrenwelt in grüne Mäntel.

Dies alles kann man bei einem sehenswerten, multimedial aufbereiteten Rundgang in der alten Wollmanufaktur, dem Lanificio von Stia, erleben. Bemerkenswert: Die historischen Webmaschinen stammen vorwiegend aus England und Deutschland. Und schon Ende des 19. Jahrhunderts sorgten die damaligen Besitzer der Manufaktur dafür, dass es für die Mitarbeiter immerhin eine gewisse Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und vor allem Krankenversorgung im ortseigenen Hospital gab.

Alte Produktionsmaschinen. Foto: Ellen Spielmann
Alte Produktionsmaschinen. Foto: Ellen Spielmann

Burgruine des Castello di Porciano

Nur drei Kilometer von Stia entfernt erhebt sich die Burgruine des Castello di Porciano. Eigentlich stehen nur noch der mächtige Bergfried mit angrenzenden Gebäuden und die dank wilder Weinranken jahreszeitlich auch farblich beeindruckenden Burgmauer, dazu die Bauernhäuschen und Versorgungsschuppen ringsum die Burg, die auf die im 11./12. Jahrhundert mächtige Adelsfamilie der Conti Guidi zurückzuführen ist. 

Es sollte bis in die 1950er und 1960er Jahre dauern, ehe Contessa Flaminia Goretti de‘ Flamini mit ihrem Gatten, dem US-amerikanischen Colonel George Anderson Specht, zur Tat schritt und die Restaurierung einleitete. Deren einzige Tochter Martha veräußerte nun die Burg an eine seit längerem in Porciano und Stia ansässige US-amerikanische Familie mit niederländischen Wurzeln. Seit 2021 führt die Burg der 40-jährige Will Volker, hat sie zu einem edlen, im Burgturm eingerichteten Luxushotel mit stilechten Burgzimmern und modernen Bädern umfunktioniert, die dank des eingebauten Fahrstuhls nun auch bequem bis in die oberen Etagen erreichbar ist. 

Panoramablick auf die Bergwelt. Foto: Ellen Spielmann
Panoramablick auf die Bergwelt. Foto: Ellen Spielmann

Zur Panoramaterrasse muss man dennoch hinaufkraxeln. Der Panoramablick auf die Bergwelt entlohnt für die Mühe. Im Turm, vor allem im großen Gesellschaftsaal Salone di Dante, ist zudem ein Museum mit Ausstellungsobjekten aus der Privatsammlung Specht und Goretti de` Flamini eingerichtet, durch das „Burgfaktotum“ Alessandro Falsini führt. Der gebürtige Sienese kümmert sich hier vor Ort um alles, sieben weitere Angestellte kümmern sich natürlich auch um das Wohl der Gäste, die zudem in weiteren stilvoll hergerichteten Appartements im Dorf Porciano logieren können. Nun, Dante war wohl nie auf der Burg Porciano, wohl aber nahebei im Castello di Romena, wo man ihm einst Asyl gewährte. Denn Dante war von Florenz ins Exil geschickt worden.

Il Fienile

Und natürlich wurde auch an das leibliche Wohl gedacht. Am Burghof wurde im alten, perfekt umgebauten alten Heuschober das sterneverdächtige Ristorante „Il Fienile“ eingerichtet, wo seit 2023 Chefkoch Catarin Lupo mit seiner Gattin Dr. Nicoleta Lupo und Souschef Martino Sargentini das Zepter schwingt. Gekocht wird als Herzenssache, mit viel Gefühl und rigoros im lokalen Stil des Casentino, etwa mit äußerst gelungenen selbst hergestellten Tortellini mit Steinpilzen oder mit Hauptgerichten wie Entenbrustfilets an Orangenscheiben, einem köstlichen Rezept, das schon auf Katharina de` Medici und ihren Hofstaat zurückgeht und mit dem sie u. a. die Pariser Adelswelt überraschte. 

Verschiedene Weine im Il Fienile. Foto: Ellen Spielmann
Verschiedene Weine im Il Fienile. Foto: Ellen Spielmann

Dazu werden allerbeste Zutaten, etwa das grandiose Olivenöl „Laudemio“ von Frescobaldi, selbst gebackenes Brot und natürlich lokale Weine aus dem Casentino gereicht. Dies könnten ein roter „Primae IGT Toscana 2018“ oder ein Poppiena, ein Pinot Nero als Rosé oder als Rotwein sein. Ebenso gut wären die Weißweine „Pipirii 2023“ oder „Anatrino IGT Toscana 2023“. 

Wir entscheiden uns für den Weißwein „La Dogana 2022“, einen reinen Viognier (13,5 % Alkoholgehalt), von dem Winzerin Francesca Polverini nach der Handlese auf ihrem Weingut Casina di Burchio bei Bibbiena nur 816 Flachen abfüllte. Ein Gedicht und die allerbeste Werbung für die Burg Porciano und ihr großartiges Ristorante, wo man einen Tisch unbedingt vorbestellen sollte! Zudem werden Wein- und Olivenöl-Degustationen und sogar Mittelalter-Dinner für die Hotelgäste veranstaltet.


Informationen:

Museo dell`Arte della Lana, Stia: www.museodellalana.it

Castello di Porciano, Porciano: www.castellodiporciano.com

Ristorante Il Fienile, Porciano: www.castellodiporciano.com/it/ristorante-il-fienile/

Fotos: Ellen Spielmann

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