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Mittelalterliches Reinheitsgebot und ein geheimnisvoller Mord

Vor der prachtvollen Kulisse der 102 Meter langen Orangerie berichtet die kleine Schwester von Friedrich dem Großen, die in ihrem bürgerlichen Leben Renate Weinmann heißt, von ihrem Leben am Hof, von der Stadtgeschichte und besonderen Persönlichkeiten der fränkischen Rokokostadt. Während die Markgräfin in ihrem goldbestickten grünen Taftkleid durch die Gartenanlagen und die Stadt wandelt, lässt sie durch ihre illustren Erzählungen das bunte Leben einer vergangen geglaubten Zeit lebendig werden.

Italienische Baumeister wie Gabriel de Gabrieli und Leopoldo Retty, die für die graziöse Architektur der Stadt verantwortlich sind, scheinen präsent zu sein. Bereits im 16. Jahrhundert erlangte der Barockgarten wegen der zahlreichen großen Kübelpflanzen, wie Zitrus-, Orangen- und Olivenbäumchen Berühmtheit. Der Zauber des Augenblicks schaltet für den Moment das Kopfkino an: Eine fröhliche Gesellschaft in der einzigartigen Linden-Doppel-Alle spielt Cricket, während andere dem erfrischenden Plätschern der Springbrunnen lauschen.

Renate Weinmann führt als Friederike Luise, Markgräfin von Brandenburg Ansbach und geborene Prinzessin in Preußen ihre Gäste durch Ansbach. Foto: Carola Faber
Renate Weinmann führt als Friederike Luise, Markgräfin von Brandenburg Ansbach und geborene Prinzessin in Preußen ihre Gäste durch Ansbach. Foto: Carola Faber

Auf dem Weg durch die schmucke Altstadt mit ihren historischen Bauten, romantischen Straßen, belebten Plätzen und verwunschenen Innenhöfen, vielen Skulpturen und Denkmälern wird die Gästeschar kurzzeitig von dem Läuten der vier gewaltigen Glocken von St. Ludwig begleitet. „Die Glocken, die 1838 aus dem Metall von türkischen Kanonen gegossen wurde, benannte man 1840 nach den Söhnen König Ludwigs I. Sie heißen Maximilian, Otto, Luitpold und Adalbert“, berichtet die Markgräfin.

Selbstverständlich gibt es neben den 13 Markgrafen noch viele weitere Persönlichkeiten, die mit der Festspielstadt Ansbach in Verbindung gebracht werden. Die 800-Jährige Stadt ist auch die Geburtsstadt des Architekten Ernst von Bandel (1800–1876) und des Dichters Friedrich Wilhelm Güll (1812–1879), dessen Reime wie „Gefroren hat es heuer…“ und „Das ist der Daumen, der schüttelt die Pflaumen…“ bis heute bekannt sind.

Zahlreiche historische Bauten sind in Ansbach erhalten. Foto: Carola Faber
Zahlreiche historische Bauten sind in Ansbach erhalten. Foto: Carola Faber

Und mit einem geheimnisvollen Krimi wird Europas bekanntestes Findelkind Kasper Hauser in Verbindung gebracht. Im Jahr 1830 tauchte er verwahrlost und kaum der Sprache mächtig in Ansbach auf. Drei Jahre später wurde er unter mysteriösen Umständen im Hofgarten erstochen. Genanalysen der Blutflecken auf seiner Unterhose, seiner Kleidung und seiner Haare konnten bis heute nicht ganz das Rätsel seiner Herkunft lösen. Wissenswertes um sein Leben ist in einer eigens eingerichteten Abteilung im modern konzipierten Markgrafenmuseum zu erfahren.

Unbedingt sehenswert ist die Residenz mit ihren 27 Prunkräumen, darunter der doppelgeschossige Festsaal, das Spiegelkabinett und der Kachelsaal mit rund 2.800 Fliesen aus der ehemaligen Ansbacher Fayencemanufaktur. Sie ermöglichen eine Zeitreise in das Jahr 1806, als Ansbach bayrisch wurde, denn Fußböden, Decken, Wände und zum Teil das Mobiliar stammen aus dieser Zeit. Die glanzvolle Vergangenheit er einstigen Residenzstadt ist überall spürbar.

Die prachtvolle Residenz. Foto: Carola Faber
Die prachtvolle Residenz. Foto: Carola Faber

Nach dem Besuch der Hofkirche St. Gumbertus mit ihren wertvollen Schätzen, zu denen die Schwanenritterkapelle mit dem „Kelterbild“ aus der Dürerschule und dem eindrucksvollen spätgotischen Altar gehört, schließ die kurzweilige Rundreise mit der Markgräfin. „Hier sehen Sie die Fürstengruft mit mehr als 25 Zinnsarkophagen. Unter anderem liege auch ich in so einem Sarg. Ich bitte noch einmal um Contenance“, verabschiedet sich die Ansbacher Persönlichkeit mit einer galanten Geste von ihrem Gefolge.

Tipp: Die Ansbacher Bratwurstführung verleitet jeden Gourmet zum Schwelgen. Während des Rundgangs rund um die Spezialität geht es nicht nur um verschiedene Zubereitungsarten (knusprig gebraten, geräuchert oder als Katzbrot) sondern auch um die Geschichte und die Gesetze dieser essbaren Botschafterin der Stadt. Die Ansbacher Bratwurst blickt auf ein älteres Reinheitsgebot als das bayrische Bier zurück. Bereits um 1430 wurden die Zutaten, die bis heute gelten, festgelegt. Immer noch halten die Ansbacher Metzger ihre jeweiligen Gewürzmischungen geheim. Eine Ansbacher Bratwurst sollte 200 Gramm wiegen. Das grobe Bratwurst-Keck wird in den Bändel, eine durchlässige Fettschicht, die um den Darm des Tieres verläuft, gefüllt. Ein Fettstreifen an der Seite der Wurst sorgt für einen weiteren Geschmackspfiff. Am Ende der Führung können sich die Teilnehmer bei den Kostproben selbst von der Qualität überzeugen, die sogar der Komponist Max Reger bei seinen Besuchen in Ansbach immer lobend erwähnte.

Elke Arold vom Bauernladen präsentiert die Ansbacher Bratwurst. Foto: Carola Faber
Elke Arold vom Bauernladen präsentiert die Ansbacher Bratwurst. Foto: Carola Faber

Informationen:

Tourismusverband Franken, www.frankentourismus.de 

Amt für Kultur und Tourismus, www.ansbach.de 

Hotel Bürger Palais, www.buerger-palais-ansbach.de 

Brauhaus Das Hürner, www.das-huerner.de 

Restaurant Orangerie, www.orangerie-ansbach.de 

Gasthaus Zum Mohren, www.mohren-ansbach.de 

Fotos: Carola Faber

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