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Michelin Sterne Gala in Istanbul

Mittlerweile stehen auch Restaurants in Izmir und Bodrum in der Region Muğla auf der Liste des Michelin, was der Strategie des Unternehmens der letzten Jahre entspricht, einen neuen Markt zunächst über eine Metropole zu erschließen und dann die Fühler weiter ins Land auszustrecken. Vergleichbar mit den Michelin-Guides für Thailand, Kanada und die USA, sowie dem ersten Regionalguide Mainland-China für Fujian. 

Dabei setzen die Tester in der Türkei offenbar vor allem auf moderne türkische Küche, denn genau die soll ja in den Fokus gerückt werden. Allerdings will man sich bei GoTürkiye dabei offenbar nicht alleine auf die Kompetenz des Guide Rouge verlassen, sondern dessen Erzrivale Gault Millau sitzt ebenfalls mit im Boot. Schließlich geht es um die gezielte (Weiter-)Entwicklung der Türkei als Kulinarikdestination. Da kann es nicht schaden, gleich zwei international renommierte Schwergewichte am Start zu haben. Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil es noch vor wenigen Jahren angesichts der zunehmenden Relevanz von Peer-to-Peer-Reviews und des Influencer-Hypes um die Zukunft der etablierten Restaurantführer eher schlecht bestellt schien. Doch mittlerweile erleben die Branchenveteranen eine wahre Renaissance. Doch zurück zur Schnittstelle zwischen Orient und Okzident. Das am höchsten bewertete Restaurant der letzten beiden Michelin-Ausgaben war jeweils das 2-Sterne-Restaurant TUTAK von Turk Fatih. Dazu kamen zuletzt 11 mit einem Stern ausgezeichnete Adressen, sowie rund zwei Dutzend Lokale mit einem Bib Gourmand, mit denen der Guide auf der Basis eines typischen 3-Gänge-Menüs Restaurants mit  besonders guten Preis-Leistungs-Verhältnis auszeichnet, sowie 67 weitere Empfehlungen. 

Moderatorin Elisabeth Boucher. Foto: Michelin
Moderatorin Elisabeth Boucher. Foto: Michelin

Zur Einstimmung auf die Sterne-Gala, die in diesem Jahr vom prestigeträchtigen Four Seasons Bosphorus ausgerichtet wurde, haben wir am Vorabend einen Tisch im Nicole (1*) reserviert. Untergebracht im Dachgeschoß eines historischen Gebäudekomplexes, wo Anfang des 20. Jahrhunderts noch eine Gemeinschaft von Franziskanerinnen lebte, erinnert in diesem Restaurant freilich nichts mehr an klösterliche Abgeschiedenheit oder gar einen frugalen Speisezettel. Im Gegenteil, gehört die offenbar gut betuchte Kundschaft doch unverkennbar zur Jeunesse Dorée der Stadt. Trotzdem ist das Lokal, von dessen Tischen man einen spektakulären Blick über Istanbuls hell erleuchtete Altstadt genießt, keine Schickimicki-Adresse, sondern die Küche überzeugt mit zeitgemäß interpretierten Klassikern der türkischen Küche. Liegt also quasi voll auf Linie. 

Legendär ist vor allem das Lamm, das Küchenchef Serkan Aksoy aus Thrakien unweit der türkisch-bulgarischen Grenze bezieht und je nach Saison in unterschiedlichen Variationen auftischt. Wir genießen entbeinte Koteletts mit einem exzellenten Lammjus und Quitten-Dolma, Wer sich für türkische Weine interessiert, die in den letzten 20 Jahren einen dramatischen Qualitätssprung erlebt haben, wird im Nicole ebenfalls fündig, denn auf der Karte stehen zahlreiche Tropfen, von denen teilweise nur wenige Hundert Flaschen verfügbar sind. Übrigens ist dabei auch in der Türkei der Trend zu Naturweinen allgegenwärtig – auch wenn dieser Begriff eigentlich irreführend ist –  und so fallen auch die meisten Tropfen, die wir an diesem Abend genießen, in diese Kategorie. 

Bei der Verleihung: Tourismusminister Mehmet Nuri Ersoy (in der Mitte). Foto: Michelin
Bei der Verleihung: Tourismusminister Mehmet Nuri Ersoy (in der Mitte). Foto: Michelin

Am nächsten Morgen stärken uns für die Gala dann erst mal mit einem traditionell türkischen Frühstück mit Simit, Menemen, Börek, und Sucuk im auch bei Locals ausgesprochen beliebten Delikatessenparadies Namlı Gurme unweit des neuen Peninsula-Hotels. Nicht von ungefähr nennen die Türken das Frühstück liebevoll die goldene Mahlzeit, bevor es am Abend schließlich ernst wird.  

Rund 700 Gäste waren in diesem Jahr der Einladung des Guide Rouge ins Four Seasons gefolgt, um zu erfahren, wer die Aufsteiger des Jahres 2025 sind. Darunter auch der türkische Tourismusminister Mehmet Nuri Ersoy, der übrigens die Deutsche Schule in Istanbul besucht hat, und sich in seiner Rede zur Gastrodiplomatie bekannte. Die ganz großen Überraschungen bleiben bei der anschließenden Zeremonie trotz insgesamt 32 offiziellen Neuzugängen im Michelin Listing dann allerdings aus, den Turk Fatihs TUTAK bleibt auch 2025 weiter unangefochten die Nr.1 und damit einzige 2*-Adresse des Landes.  Aber immerhin räumt die schwarze Brigade des Nicole, die uns am Vorabend verwöhnt hatte, bei den diesjährigen Gala zu unserer großen Freude die Michelin Service Awards 2025 ab. 

Casa Lavanda darf sich über einen grünen Stern freuen. Foto: Michelin
Casa Lavanda darf sich über einen grünen Stern freuen. Foto: Michelin

In der 1*-Sterne Kategorie gibt es dann allerdings doch zwei Neuzugänge, was die Zahl der einfach besternten Adressen auf insgesamt 13 erhöht. Die Aufsteiger 2025 sind das Casa Lavanda bei Istanbul, wo Chef Emre Şen 80% seiner in der Küche verwendeten Gemüse, Früchte und Kräuter selbst anbaut und das Narimor in Izmir. Dort steht Atilla Heilbronn am Herd, der seine deutschen Wurzeln gekonnt mit dem kulinarischen Reichtum der Region verbindet. Mit nur fünf Tischen, an denen grade Mal ein Dutzend Gäste Platz finden, bietet das Narımor außerdem ein besonders intimes Erlebnis, so jedenfalls die Michelininspektoren in ihrer Würdigung. 

Das Casa Lavanda hingegen darf sich auch noch gleich über einen grünen Stern freuen. Und das ist vielleicht das Bemerkenswerteste an diesem Abend, denn insgesamt vergibt der Michelin gleich 6 neue grüne Sterne, was deren Gesamtzahl auf 10 steigert. Denn die türkische Küche ist mit ihrem traditionell hohen Anteil an Gemüse basierten Gerichten geradezu prädestiniert in Sachen Nachhaltigkeit und bis heute tief verwurzelt in den kulinarischen Traditionen der jeweiligen Region. Dazu kommen noch 9 neue Bib Gourmands und zahlreiche neue Tipps. Rechnet man alle Sterne, Bib Gourmands und Empfehlungen zusammen listet der Michelin für die Türkei damit nun also insgesamt 132 Adressen, davon 77 in Istanbul, 24 in Izmir und 31 in der Region Muğla mit Schwerpunkt Bodrum.

Gewinner Fatih Tutak: die Nr.1 und damit einzige 2*-Adresse des Landes. Foto: Michelin
Gewinner Fatih Tutak: die Nr.1 und damit einzige 2*-Adresse des Landes. Foto: Michelin

Da wir nun aber schon einmal vor Ort sind, wollen wir vor dem Rückflug noch ein paar empfehlenswerte Adressen ausprobieren. Unsere beiden Favoriten: das Yeni Lokanta, in einer kleinen Seitenstraße der Shoppingmeile Istaklal, das mittlerweile sogar einen Ableger in London hat und wo man sich wiederum zeitgemäßen türkischen Klassikern verschrieben hat – unser Tip: das 7-Gang-Degustationsmenü mit passender Weinbegleitung – und das schicke Seraf, wo sich bei Executive Chefin Sinem Ozler alles um authentisch anatolische Spezialitäten dreht. Das Lamm, das hier nach einem alten ottomanischen Rezept mit Trockenfrüchten und Mandeln zubereitet wird, ist zum Niederknien. Aber auch die große Vorspeisenauswahl ist jede Kaloriensünde wert. 

Beide Lokale werden vom Michelin zwar „nur“ als Empfehlung geführt, sind aus unserer Sicht aber in jedem Fall einen Besuch wert. Für einen Absucker lohnt dann ein Abstecher in Ernest´s Bar direkt zwischen Soho House und Pera Palace Hotel. Unbedingt probieren: den Negroni mit Chili-Gin und Kaffee-Campari, einer der besten Drinks, den wir seit langem probiert haben. Für alle Fans von Baklava und Turkish Delight – auf der bereits erwähnten Istaklal findet man mit Ali Muhiddin Hacı Bekir auch einen der traditionsreichsten Zuckerbäcker der Stadt. Dort werden in mittlerweile 7. Generation die vielleicht besten türkischen Süßigkeiten produziert. In Handarbeit und ausschließlich mit natürlichen Zutaten. Im Basement findet man sogar eine Art „Running Baklava und Delight Cafe´“, wo anstelle von kleinen Sushihäppchen das Zuckerwerk seine Runden dreht.  

 

Informationen:

Four Seasons Bosphorus: www.fourseasons.com/bosphorus

Restauranttipps:

TUTAK – Einzige 2*-Adresse des Landes unter Ägide von Ausnahmetalent Turk Fatih: www.turkft.com

Nicole – Modern Turkish Dining auf Sterneniveau: www.nicole.com.tr

Yeni Lokanta – Türkische Klassiker zeitgemäß interpretiert: www.yenilokanta.com

Restaurant Seraf – Anatolische Spezialitäten: www.seraf.com.tr

Namlı Gurme – Delikatessenparadies und original Türkisches Frühstück: www.namligurme.com.tr 

Weitere Empfehlungen:

Ali Muhiddin Hacı Bekir – Legendäres Turkish Delight: www.hacibekir.com

Ernest´s Bar – Top Cocktails von Master Mixologist Fatih Akerdem: www.cokcokpera.com/ernests-bar-cok-cok-pera

Fotos: Michelin

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