Foodie

Karpfenschinken mit Kirschen

Karpfen. Na ja. Ein Fisch mit eher übersichtlichem Suchtpotential, wie Sander Fuhrmann findet. Das Fleisch oft zu weich, das Aroma fade bis moderig. Wie das so ist mit einem typischen, oft mehrere Kilo schweren Teichwirtschafts-Karpfen. „Schmeckt nicht so dolle“, sagt der auf dem „Naturgut Köllnitz“ tätige Fischer. Genau deshalb habe man sich Gedanken gemacht, wie man den Karpfen wieder zu einem Lieblingsfisch der Gäste machen könnte. Die Lösung: eine innovative Verarbeitung. 

Wie genau, werden die anwesenden Genießer gleich erleben. Und zwar dem nächsten Gang. Ja, Karpfen. Aber in Scheiben, hauchdünn und rosarot. Schinken, vom Fisch! Die Scheiben schwimmen in einer Kirsch-Gazpacho, mit geröstetem Buchweizen, und altem Balsamico. Nicht zäh, sondern zart. Und mild, mit einem Hauch von Salz. Das dezente Aroma erinnert entfernt an Forelle. Ein schöner Kontrast zu den Früchten und dem Essig.

Scheiben vom Karpfenschinken verleihen der Kirsch-Gazpacho ein ganz besonderes Aroma. Foto: Fritz-Hermann Köser
Scheiben vom Karpfenschinken verleihen der Kirsch-Gazpacho ein ganz besonderes Aroma. Foto: Fritz-Hermann Köser

Von See, Feld und Wiese direkt auf den Teller, das ist die Philosophie der „Köllnitzer Hofküche“. Das Lokal gehört zu dem Naturgut, das rund 60 Kilometer südöstlich von Berlin liegt. Direkt am stillen Groß Schauener See gelegen, strahlt dieser Ort eine magische Ruhe aus. Mit seinem Farm-to-Table-Restaurant und einem kleinen, frisch renovierten Seehotel lädt er zu kulinarischen Erlebnisferien ein. Angeln, Wandern, Radtouren. Vögel und andere Tiere beobachten. Oder einfach ganz gemütlich am See entspannen und die Aussicht genießen.

Regelmäßig veranstaltet die Hofküche besondere „Bauer-Fischer-Koch“-Abende. Die Gäste erwartet dann, wie an diesem Abend auch, ein kreatives Menü, das Küchenchef Stefan Ziegenhagen und sein Team zubereitet. Die Zutaten stammen überwiegend vom Naturgut, also aus der unmittelbaren Umgebung, und meist aus eigener Herstellung. Von Weide, Feld und See. 

Von Feld und Wiese direkt auf den Teller: Vieles wächst in der unmittelbaren Umgebung. Foto: Fritz-Hermann Köser
Von Feld und Wiese direkt auf den Teller: Vieles wächst in der unmittelbaren Umgebung. Foto: Fritz-Hermann Köser

Bauer, Fischer und Koch. Auf dem „Naturgut Köllnitz“ arbeiten sie Hand in Hand, und das mit Herzblut. Aus frischen saisonalen Produkten zaubern sie köstliche Gerichte, direkt auf den Teller der Gäste. Zwischen den acht Gängen gibt es interessante Stories zur täglichen Arbeit. Und zu den Produkten. Vom ersten bis zum letzten Bissen gilt die Devise: lokal, saisonal, frisch und köstlich.

So wie der Karpfenschinken. Die Scheiben wurden abgesäbelt, wie bei einem Serrano-Schinken, nur vom Fisch. Die Trockenreifung funktioniert ähnlich wie beim Rindfleisch. Nach der Schlachtung, so Sander Fuhrmann, werden die Karpfen sorgfältig ausgenommen und gereinigt, es dürfen keinerlei Rückstände bleiben. Anschließend werden sie mit ausreichend Abstand in den Dry-Ager gehängt und gereift. Bei einer Temperatur von 1,5 Grad Celsius und einer Luftfeuchtigkeit von 80 bis 85 Prozent etwa 10 bis 14 Tage. Wichtig ist, dass die Fische während des Vorgangs keine Feuchtigkeit ziehen. Dafür sorgen die Salzblöcke, die zusätzlich in den Dry-Ager gelegt werden. 

Zander, saftig und auf den Punkt gegart. Mit geschmorter Wassermelone als Beilage. Foto: Fritz-Hermann Köser
Zander, saftig und auf den Punkt gegart. Mit geschmorter Wassermelone als Beilage. Foto: Fritz-Hermann Köser

Karpfenschinken sei eine ziemliche Rarität, erklärt Sander Fuhrmann, und in der Region nur selten zu finden. Dank dem Schinken wurde aus dem ungeliebten Fisch eine beliebte Delikatesse. Ein gelungenes Comeback, längst hat der Karpfenschinken seinen festen Platz auf der Speisekarte der „Köllnitzer Hofküche“. Etwa mit frischem Salat aus dem eigenen Garten. Oder mit knackigem Spargel. Oder, wie an diesem Abend, als würzige Note in einer erfrischenden Kirsch-Gazpacho.

Die Fischerei hat an diesem Standort eine lange Tradition. Bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts reicht sie zurück. Heute umfasst das Fanggebiet neben „Sielmanns Naturlandschaft Groß Schauener Seen“, auch den Schwielochsee und die Spree. Circa 20 verschiedene Fischarten leben hier, außer Karpfen unter anderem auch Zander, Aal und Hecht. Erst vor circa zwei Jahren kam die ökologische Landwirtschaft hinzu. Umfassend. Mit regenerativem Landbau, artgerechter Tierhaltung, nachhaltiger Fischerei. Alte, in Vergessenheit geratene Obst- und Gemüsesorten wurden wiederbelebt. Traditionelle Methoden zur Verarbeitung und Haltbarmachung von Lebensmitteln wurden wieder aufgenommen. Convenience Food, das sich in der Gastronomie zunehmender Beliebtheit erfreut, ist hier ohnehin kein Thema.

Die Fischerei hat hier eine langjährige Tradition. Foto: Fritz-Hermann Köser
Die Fischerei hat hier eine langjährige Tradition. Foto: Fritz-Hermann Köser

Schon der Einstieg zum Menü ist hausgemacht. Aufgeschlagene Tomatenbutter und ein Aufstrich aus geschmorten Auberginen werden zu selbst gebackenem Landbrot gereicht. Dazu ein Aperitif mit Rosenblütensirup aus eigener Herstellung. Der „Kir Köllnitz“ kann es locker mit jedem „Kir Royal“ aufnehmen.

Jedes Lebensmittel wird so frisch wie nur möglich verarbeitet, um beste Qualität und höchsten Geschmack zu gewährleisten. So wie die gebrannte Karottencreme. Fruchtig und knusprig, dank Birnen-Chutney und gerösteten Haselnüssen. Dazu ein würziges Pesto. Und zwar aus Karottengrün. Gerne verarbeitet die Küche Gemüse vom Stumpf bis zum Stiel. Nichts verschwenden, alles verwerten, so weit wie möglich, darum geht es hier auch.

Fruchtig und knusprig: gebrannte Karottencreme mit gerösteten Haselnüssen. Foto: Fritz-Hermann Köser
Fruchtig und knusprig: gebrannte Karottencreme mit gerösteten Haselnüssen. Foto: Fritz-Hermann Köser

Und um Kreativität, wie vor allem das Dessert beweist. Gegrillter Pfirsich und weiße Schokoladencreme scharen sich mit Tomaten und Basilikum auf einem Teller, müssen sich irgendwie mit dem Gemüse zusammenraufen. Es funktioniert. Tomate und Basilikum sind hier keinesfalls störende Fremdkörper, sondern verleihen dem Ganzen eine willkommene Frische.

Wesentlich harmonischer gerät die Kombination der Produkte bei dem Köllnitzer Bio-Ei, das dem Karpfenschinken folgt. Ein Onsen-Ei, mit gerösteten Pilzen, Waldpilzschaum und knusprigem Sauerteig-Brot. Das Ei samtig, die Pilze leicht salzig, ein köstliches Zusammenspiel der Aromen und Texturen.  Die Eier haben einige der rund hofeigenen 250 Hühner gelegt. „Coffee und Cream“, so der recht witzige Name der Rasse. Schließlich zeigt sich das Federvieh in allen möglichen Farbnuancen zwischen Braun und Weiß. Das Resultat einer Kreuzung der Rassen „Bresse“ mit „New Hampshire“, wie Landwirtin Nele Vogel erklärt. Eine klassische Zweinutzungsrasse, man züchtet also nicht nur für ein einziges Produkt. Eier legen die Damen, Fleisch liefern die Herren. Und die eine oder andere Henne, die ihr Dasein dann in einem Suppentopf beendet.

Glückliche Hühner der Rasse „Coffee and Cream“ liefern die Eier. Foto: Fritz-Hermann Köser
Glückliche Hühner der Rasse „Coffee and Cream“ liefern die Eier. Foto: Fritz-Hermann Köser

Es folgt ein weiterer, ebenso gelungener Gang. Forellentartar, angereichert mit Kräutern und Gewürzen. Der Fisch wurde heiß geräuchert, zwischen 180 und 200 Grad. Erlenspäne sorgen für das besondere, rauchige Aroma. Die grünen Spaghetti entpuppen sich schnell als marinierte Feldgurken, inklusive der Schale. Meerrettich-Sud verleiht dem Ganzen eine leicht scharfe Note. Mit Fisch geht es weiter.  Zander, saftig und auf den Punkt gegart. Originell die geschmorte Wassermelone als Beilage, die Frucht stammt aus den hofeigenen Gewächshäusern. 

Zu dem Fisch erweist sich der Riesling von 2022 Weingut Dr. Corvers-Kauter, Oestrich-Winkel als ideale Weinbegleitung. „Rheingau Riesling Remastered“, steht auf dem Etikett. Als hätte man eine alte Rockscheibe aus den 70ern oder 80ern mit besserer Technik noch einmal neu abgemischt. Wie auch immer, das Ergebnis kann sich sehen oder besser schmecken lassen. Sehr klar, mineralisch und trocken.

Forellentartar mit marinierten Feldgurken. Foto: Fritz-Hermann Köser
Forellentartar mit marinierten Feldgurken. Foto: Fritz-Hermann Köser

So gestärkt, dürfen auch mal die Gäste ran. Die Landwirtin verteilt an alle Anwesenden Zettel. Gesucht wird ein Name. Für ein Bullenkälbchen. Er sollte mit „H“ beginnen, da auch der Papa auf den Namen „Hans-Peter“ hört. Hinnerk? Heintje? Heino? Abgelehnt. Der kleine Mann hört auf den Namen „Hugo“.

 

Informationen:

www.koellnitz.de/hofkueche

Fotos: Fritz-Hermann Köser

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