Foodie

In der Küche der Greifen

Boleslaw Sobolewski darf mit Fug und Recht für sich in Anspruch nehmen, so etwas wie der kulinarische Botschafter der boomenden Hafenstadt und der polnischen Woiwodschaft Westpommern zu sein.

Und natürlich ist sein Lebenswerk, das „Na Kuncu Korytarza“, auch einer der absoluten Höhepunkte an der Straße des „Dziedzictwo Kulinarne Pomorze Zachodnie“, der Straße des kulinarischen Erbes Westpommern. Diese erschließt den Foodies aus aller Welt die besten Produzenten und herausragenden Restaurants der Woiwodschaft und öffnet so den Gourmetblick auf die großen kulinarischen Traditionen und Genüsse der Region. Klar ist, dass Bolek und sein Team stets eine Spitzenposition einnehmen und nie um Gäste verlegen sind. Dafür sorgt allein schon die Lage im Schloss der Pommernherzöge, das samt Museum und Hexensaal tagtäglich ein herausragendes Besucherziel in Szczecin ist. Hinzu kommen abendliche Events und musikalische Veranstaltungen (Klassik und Rock!), die auch im Schlosshof unterhalb der astronomischen Turmuhr stattfinden.

Boleslaw Sobolewski. Foto: Ellen Spielmann
Boleslaw Sobolewski. Foto: Ellen Spielmann

Schwedens König schenkte sie 1693 den Stettinern zum Dank für ihre tapfere Verteidigung der Stadt gegen die Belagerer aus Brandenburg in den Jahren 1676 bis 1677. Die von Caspar Nitardi geschaffene Uhr zeigt im Zentrum den Maskaron, dessen Augen dem Verlauf der Zeiger folgen. In seinem Mund ist das Tagesdatum abgebildet, während der Narr die vollen und die Viertelstunden schlägt.

Küche der Greifen

Das Restaurant „Na Kuncu Korytarza“ befindet sich ganz korrekt im Untergeschoß des alten Gefängnisturms des Schlosses, das ab 1309 und vor allem dann mit großem Elan ab 1478 errichtet wurde und nach den Schlossherren, den Pommernherzögen aus dem gegen Ende des Dreißigjährigen Kriegs ausgestorbenen Adelsgeschlecht der Greifen benannt ist. Sie erhoben Szczecin/Stettin zur Residenzstadt Pommerns und leiteten so den unaufhaltsamen Aufstieg der Metropole am Oderhaff ein.

Und die Pommernherzöge hinterließen auch kulinarische Spuren, die heute als „Küche der Greifen“ firmiert. Und selbstverständlich widmet sich Bolek – neben eiern Auswahl an kontinentaleuropäischen Gerichten – besonders diesem kulinarischen Erbe. Und angesichts der großartigen Qualität der Speisen nimmt es nicht Wunder, dass Gäste rigoros einen Tisch reservieren sollten. Dann im Innenraum stehen gerade 45 Plätze zur Verfügung, hinzu kommen weitere 45 Plätze im Korridor. Gut daher, dass nun im Sommer auch weitere Tische open air im Münzhof zur Verfügung stehen.

Wand im Restaurant „Na Kuncu Korytarza“. Foto: Ellen Spielmann
Wand im Restaurant „Na Kuncu Korytarza“. Foto: Ellen Spielmann

Wer sich im Na Kuncu Korytarza den Korridor entlangspaziert, wird über dem Restauranteingang zu den gotischen Gewölben eine besondere Tafel entdecken. Sie zeigt historische sächsische und pommersche Fürsten und erinnert so an die lange Regentschaft der Greifen. Und dann folgt das herrliche Ambiente im Gewölbekeller: Liebevoll dekorierte der bekannte polnische Bühnenbildner Ryszard Kaja die Restaurantwände auf denen sich zudem wie auch auf dem über 100 Jahre alten Spiegel zahllose begeisterte Prominente per Namenszug verewigt haben. Denn hauptsächlich kommt man naturgemäß wegen der regelmäßig mit Auszeichnungen prämierten Kochkunst hierher.

Polnisch-pommersche Gerichte

Erst kürzlich wurden Bolek Sobolewski und Team für ihr rigoroses Plädoyer für regionale Zutaten und die Förderung der polnischen Küche geehrt. Mit Dariusz Staniewski hat Bolek auch ein sehr zu empfehlendes Kochbuch zur Regio-Küche verfasst: „In der Küche der Greifen – Geschichten und Rezepte aus Pommern“ ist auch auf Deutsch erhältlich (10 Euro). Und so punktet das Restaurant vor allem mit polnisch-pommerschen Gerichten. Eines der besten ist der Borscht, der manchmal auch mit traditionellen Stettiner Pastetchen serviert wird. Die Rote-Bete-Suppe zieren Kolduny, kleine Teigtaschen, die als besonderer Clou nach einem Rezept aus Lemberg (Lwiw) hergestellt und gefüllt werden. Lecker!

Salat zu den Fischgerichten. Foto: Ellen Spielmann
Salat zu den Fischgerichten. Foto: Ellen Spielmann

Und dann wartet Bolek mit Fischspezialitäten auf, denn schließlich gilt Szczecin/Stettin als „Fischhaus“ der Ostsee. Einen besonderen Rang nimmt hier dann vor allem der Hering ein. Auf der grandiosen Vorspeisenplatte finden sich gleich Neunerlei Variationen dieses leckeren Meeresschatzes. Der Grund: Schon 2001 gründete Bolek jenen „Klub śledziożerców“, den Klub der Heringsfresser, der seither ebenfalls zum Ruhm des Restaurants beiträgt. Ursprünglich hatte er den Zweck, die lokalen Küche mit Produkten rund um den Hering zu bereichern. Mitglieder mussten ein ebenso originales wie originelles Heringsrezept beisteuern und Gnade vor den gestrengen Juroren finden, ehe es in den ultimativen Kanon der Heringsgerichte aufgenommen wurde.

Stettiner Paprika

Diese offizielle Sammlung, die „Heringsfresser-Kollektion“ (Kolekcja śledziożerców), ziert denn auch die prächtige Speisekarte, deren Gerichte man übrigens auch außer Haus ordern kann. Auf der großen Platte finden original Matjes, Sherry-Hering, Hering mit Majoran und Knoblauch, Hering in Honig, Hering a la Kwasniewski (mit Knoblauch und Pfeffer), sogar Passions- und sensationell Lebkuchen-Hering friedvoll, nebeneinander Platz. Aber auch bei den anderen Hauptgerichten kommt jeder auf seine Kosten, etwa beim Wildschweinbraten, bei Rinder- und Schweinebraten oder Leckerem von der Ente. Unbedingt ordern muss man indes das im Na Kuncu selbst hergestellte Stettiner Paprika, das Aushängeschild der lokalen Küche. Dieser Paprykarz Szczecinski ist ein Brotaufstrich und wurde wohl schon in den 1960er Jahren erfunden, als Szczecins Hochseefischer des Fischereidienstleisters Gryf (Greif) auch vor der afrikanischen Küste fischten und dort einige kulinarische Impressionen mitnahmen.

Kanon der Heringsgerichte. Foto: Ellen Spielmann
Kanon der Heringsgerichte. Foto: Ellen Spielmann

Fein säuberlich in Dosen verschweißt wurde Paprykarz Szczecinski zur Kultkonserve im sozialistischen Polen. Zu den Zutaten gehören Fisch, Reis, Zwiebeln, Tomatenmark, Pflanzenöl und einige Gewürze. Bei Bolek gelangt das leckere Stettiner „Paprika“ ins Glas und ist das perfekte Souvenir aus dem Na Kuncu Korytarza.


Informationen:

Polnisches Fremdenverkehrsamt: www.polen.travel/de

Regionale Tourismusorganisation Westpommern/Pomorze Zachodnie ZROT: www.zrot.pl, www.pomorzezachodnie.travel/de/

Centrum Informacji Turystycznej Szczecin (Tourismuszentrale Stettin): www.visitszczecin.eu/de, www.szczecin.eu/de
 
Rest. „Na Kuncu Korytarza“ („Am Gangende“) mit Klub śledziożerców (Klub der Heringsfresser): www.na-kuncu-korytarza.eatbu.com/?lang=de, www.nakuncu.com

Polens exquisite Küche: Magdalena Tomaszewska-Bolalek – Der Polnische Tisch, Polnisches Außenministerium (Hrsg.), Warschau 2022, ISBN 978-83-65520-72-2; 128 S.; Printversion kostenfrei über das Polnische Fremdenverkehrsamt; Download des kostenfreien E-Books: www.bunkatura.pl/pdf/der_polnische_tisch.pdf

Attraktion: Schloss der Pommerschen Herzöge mit Kultur- und Touristeninformation im Münzflügel: www.visitszczecin.eu/de/museen/37-das-schloss-der-pommerschen-herzoege, www.zamek.szczecin.pl

Fotos: Ellen Spielmann

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