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Hogwarts und noch viel mehr

Klar: Geboten wird auf der Burg Tzschocha alte polnische Traditionsküche, exakter appetitanregende Geschmäcker aus dem Schlesisch-Lausitzer Grenzgebiet. Denn historisch befinden wir uns tatsächlich direkt am Fluss Queis, dem polnischen Kwisa, der weiter oberhalb im Isergebirge nahe Swieradów Zdrój entspringt. Und der bildete jahrhundertelang die Grenze zwischen der Lausitz und Schlesien. 

Schön ist es, bei der Anreise über die Fernstraße 30 bis Gryfów Śląski, das frühere Greiffenberg, zu fahren und dann die herrliche, fruchtbare Alleenlandschaft bis zur elf Kilometer entfernten Burg zu genießen. In Greiffenberg sollte man zudem den Stopp am barocken Rathaus mit seinem irritierend modernistisch wirkenden hohen Turm und Bildnis von Boleslaw Wysoki in Ritterrüstung sowie schmuck restaurierter Bürgerhäuser und Stadtcafé ringsum nicht versäumen. Zudem findet man vor dem Rathaus wie auch vor der nahen barocken Hedwigskirche bemerkenswerte Plastiken des polnischen Bildhauers Karol Badyna.

Aber bestes Zeugnis für die Gutsherrlichkeit legt die Burg selbst ab. Denn die ließ Gütschow bis 1914 vom Berliner Architekten und Burgenforscher Bodo Ebhardt nach einem Burggemälde von 1703 im neogotischen Stil so umbauen, wie sie heute noch dasteht und die Besucheraugen verzückt. Und derer sind es viele, denn Burg Tzschocha wurde von den Polen schon 2012 zu einem der sieben neuen Wunder Polens gekürt. Dafür verantwortlich ist die polnische AMW-Gruppe, die nach umfänglichsten Renovierungsarbeiten die Burg 1996 als Schlosshotel wiedereröffnete. 

Landschaft um die Burg Tzschocha. Foto: Ellen Spielmann
Landschaft um die Burg Tzschocha. Foto: Ellen Spielmann

Tagesgäste parken außerhalb der Burganlage, Gäste des Schlosshotels dürfen allerdings das schwere Außenburgtor mithilfe des Burgpförtners mit dem Auto passieren und auf dem Kiesparkplatz am unteren Durchgang zum perfekt restaurierten alten Burgzwinger passieren. Zahlreiche Stände sorgen am Weg entlang der alten, mit signierten Graffito-Zeichnungen geschmückten Fassaden der ehemaligen Wirtschaftsgebäude für Jahrmarkttrubel, ehe es dann am inneren eisernen Burgtor samt Guckloch, Einstiegstür und einem ominösen fünfzackigen Stern ruhiger wird. 

Barbecue-Abende

Das Spektakel beginnt schon auf der Burgbrücke am Eingang. Denn im geräumigen Burggraben veranstaltet die Küchencrew um Gabriela Labicsek auch faszinierende Barbecue-Abende und eventuell auch jene frugalen mittelalterlichen Festmahle mit lokalen und polnischen Traditionsgerichten, wie sie uns am Abend im „Uczta“ in fast Brueghelscher volkstümlicher Manier des 17. Jahrhunderts präsentiert werden: Auf einer rustikalen langen Holztrage werden jene Spezialitäten hereinspaziert, die vielleicht mehr noch als alle anderen präsenten Reminiszenzen die historische Kontinuität dieses Gebietes und seiner Burg repräsentieren. 

Da gibt es den Schmalztopf mit sagenhaft leckerem selbst hergestelltem schneeweißem Schmalz, natürlich ein Potpourri polnischer Würste, darunter eine Delikatesse, die Blutwurst Kaszanka, dazu der gesamte polnische Gemüsegarten, Krautwickel und natürlich – als Krönung, zwei fulminante, perfekt zubereitete Schweinshaxen! Ein Gedicht, nur eben absolut kalorienstark, so dass nach dem frischgezapften Bier oder dem Haus-Schlossbier „von Nostitz“ umgehend ein guter polnischer Wodka Zubrówka und Kaffee fällig werden müssen. 

Anschließend fällt man garantiert müde ins Hotelbett, das in einem der wunderbar historisch hegerichteten Hotelzimmer mit modernen Bädern nur wenig entfernt in den oberen Etagen steht.

„Krönung" Schweinshaxe. Foto: Ellen Spielmann
„Krönung" Schweinshaxe. Foto: Ellen Spielmann

Man kann im Uczta aber natürlich auch von der Karte bestellen, die auch gegrillten Tofu als Vorspeise, eine gräfliche Pilzsuppe, eine „Fleischsuppe der gnädigen Frau“ und leckere leichte Sommersalate wie den „Salat der weißen Damen“ bietet. Unter den Hauptgerichten sind stets die hausgemachten Piroggen zu empfehlen, dazu Rippchen, Ente in Apfelsauce oder Rinderfilet. Unter den Fischgerichten trumpft die Forelle nach Art von Gütschow auf, ehe zum Dessert Eiscreme und der leckere hausgemachte Käsekuchen locken.

Ratsam ist indes, erst einmal die Burgtour anzugehen, den Geheimnissen der Freimaurerei in einem der Bibliotheksräume nachzuspüren und staunend im Rittersaal genannten ehemaligen Ballsaal mit Kamin zu stehen, in dem sich seit 2014 zudem stets eine besondere Klientel trifft. Denn hier in diesem Raum wandelt sich seither in jedem Sommer die Burg auch zur legendären Zauberburg Hogwarts aus den Harry-Potter-Romanen. 

Burg Tzschocha ist Polens Hogwarts schlechthin, zig junge Teilnehmer aus dem ganzen Land eilen zu Sommerseminaren herbei, um ihrem Romanhelden einmal live näher zu kommen. Dies haben natürlich längst auch die Filmemacher aus aller Welt entdeckt. Burg Tzschocha war und ist Schauplatz zahlreicher Spielfilme und vor allem TV-Serien, die hier die fabelhafte Kulisse für ihre Plots einfingen. Daran erinnert auch das Film Café im Innenhof der Burg.

Geschichte, Mysterien, Legenden: Dies sind die Zutaten, mit denen Burg Tzschocha auch in Zukunft punkten will und wird. Dazu trägt auch bei, dass 2015 spektakuläre Funde unterm Dach versteckt gefunden wurden, die wohl aus dem 2. Weltkrieg stammen. Darunter befindet sich auch eine wohl nur in 100 Exemplaren produzierte Messerschmidt-Flugzeugturbine. Wie die aufs Dach kam, und warum, das wollen Forscher nun in den nächsten Jahren erforschen, indem sie den jahrzehntelang zugemauerten Unterkeller öffnen. 

Chefköchin Gabriela Labicsek. Foto: Ellen Spielmann
Chefköchin Gabriela Labicsek. Foto: Ellen Spielmann

Dahin gelangt man vorbei am Museum mit den Fundstücken und der eher für Kinder geeigneten Ausstellung im „Folterkeller“ bis zum „Weinkeller“, der wohl bis in die 1970er Jahre nie als solcher benutzt wurde. Erst da entstanden jene gemauerten Weinregale, die den durch eine urtümliche Kühlanlage aus der Schweiz, in den 1920er Jahren gebaut, zieren. Sie diente indes – der Weinkeller ist eh kühl, wohl eher zur Belüftung der Räume des Unterkellers, wo man nun weitere Geheimnisse aufspüren möchte.

Burg Tzschocha eignet sich durchaus für mehrtätige Aufenthalte, man kann aber auch, z. B. über das schöne, ebenfalls am Queis (Kwisa) gelegenen Städtchen Mirsk, einst Friedeberg, mit schönem Rathaus, schmucken Bürgerhäusern und Turm der untergegangenen protestantischen Kirche, in Richtung Isergebirge weiterfahren. 

Dort lockt das einstige Bad Flinsberg, heute Swieradów Zdrój. Neben den historischen Kur- und Brunnenanlagen samt ihrer holzgetäfelten Decken und historischen Cafés wie dem Bohemia lockt hierher vor allem seit 2021 der Skywalk: Schlesiens höchster, 62 Meter hoher Aussichtsturm ist eine filigrane Konstruktion, die sich in Schleifen und durch Tunnel auf einem Gesamtweg von 850 Metern gen Spitze des Turmbaus schlängelt, der auf der 1063 Meter hohen Viktoriahöhe (Swieradówiec) steht. Lohn ist eine herrliche Aussichte ins Land und hinab auf Bad Flinsberg und dessen zahllosen geschmackvoll hergerichteten Hotel- und Pensionsbauten für Kurgäste.


Informationen:

Polnisches Fremdenverkehrsamt: www.polen.travel/de

Touristische Organisation Niederschlesien: www.dolnyslask.travel

Burg Tzschocha/Zamek Czocha: www.zamekczocha.com/en

Skywalk Swieradów Zdrój: www.visitskywalk.today.de

Swieradów-Zdrój: www.swieradowzdroj.pl/de

Fotos: Ellen Spielmann

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