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Genussregion Oberfranken

„Schmätzchen“ werden nach überlieferten Familienrezepten hergestellt und vor allem noch immer in Handarbeit. Darauf ist Firmenchef Peter Feyler stolz. Tradition verpflichtet eben: Der 64-Jährige ist der Urenkel des Unternehmensgründers. Zutaten wie geröstete Haselnüsse, Mandeln, Süßorangen, Zitrusschale, Honig, Weizenmehl und zwölf Gewürze wie Zimt, Ingwer, Kardamom, Muskatnussblüte machen sie zu dem Spezialgebäck, das nicht nur die Coburger und seine Besucher lieben. Seine berühmten „Schmätzchen“ exportiert Feyler sogar weltweit: in die USA und nach Mexiko, nach Neuseeland, Australien, Katar. Insgesamt produziert seine Bäckerei rund elf Tonnen pro Jahr davon! 

Küsschen, Küsschen

Der Name rührt vermutlich von dem Wort Schmatz, wie besonders im benachbarten Thüringen ein Küsschen genannt wird. „100-prozentig sicher ist das aber nicht“, sagt Peter Feyler und lacht. Viel wichtiger ist ihm die vornehme Geschichte der köstlichen Rundlinge. Sie mundeten nämlich einst selbst Blaublütern wie Herzog Albert von Sachsen-Coburg und Gotha vorzüglich, wurden zu großen Hochzeiten im Coburger Fürstenhaus gereicht. Albert (1819-1861), deutscher Prinzgemahl der englischen Queen Victoria (1819-1901), verlieh der Familie Feyler daher den Titel eines Hofbäckers. Später wurden sie zum Hoflieferanten ernannt. Und als in Deutschland die ersten Zeppeline durch die Luft schwebten, knabberten die Passagiere an feinem Teegebäck: „Schmätzchen“!

Firmenchef Peter Feyler. Foto: Kirsten Lehmkuhl
Firmenchef Peter Feyler. Foto: Kirsten Lehmkuhl

Rösten über Kiefernzapfen

Wem eher der Sinn nach Herzhaftem steht, findet auf dem historischen Marktplatz der 42.000-Einwohner-Stadt das Passende. Der Marktplatz mit dem prächtigen Rat- und Stadthaus ist so etwas wie die gute Stube von Coburg. Dort brutzeln in einer kleinen Bude zünftig Bratwürste auf dem Grill. Das allein mag nicht außergewöhnlich klingen. 

Doch ihr besonders würziges Aroma erhalten sie über von einem Feuer aus Kiefernzapfen, über dem sie braten: Das verbrennende Harz sorgt für den rauchigen Geschmack. Zwischen zwei Semmelhälften gesteckt, Senf darauf – fertig ist der Snack. Kurios: Auf dem Marktplatz der Stadt darf jeweils nur eine Wurstbratbude stehen. Die verschiedenen Würstelbrätereien wechseln sich daher wochenweise ab. 

„Bratwurstmännle“ wacht über das richtige Maß

Sie alle aber haben sich an das Parademaß für die Coburger Bratwürste zu halten: 31 Zentimeter im Rohzustand. Soviel Präzision muss sein. Es ist das „Bratwurstmännle“ – es thront in Sichtweite hoch oben auf dem Coburger Rathausdach – das die Größe vorgibt. Die Größe des Marschallstabs in seiner rechten Hand gilt als offizielles Bratwurstmaß. Dass es sich bei der Figur um den Heiligen Mauritius handelt, übersehen die Coburger dabei gern augenzwinkernd. Für sie ist und bleibt es einfach das „Bratwurstmännle“.

Würstelbrätereien in Coburg wechseln sich daher wochenweise ab. Foto: Kirsten Lehmkuhl
Würstelbrätereien in Coburg wechseln sich daher wochenweise ab. Foto: Kirsten Lehmkuhl

Liebe zur Braukunst

So ein Würstchen rutscht natürlich am besten mit einem selbstgebrauten Bier. Und davon gibt es in Oberfranken noch immer jede Menge: rund 200. Brauen ist in der Oberfranken weit mehr als nur ein jahrhundertalter Brauch. Es ist eine unbändige Leidenschaft. Am besten kostet man so ein Selbstgebrautes in dem kleinen Kommunbrauhaus in Seßlach. Das mittelalterliche Örtchen mit viel Fachwerkarchitektur liegt rund 16 Kilometer südwestlich von Coburg. Es ist eines von 100 Genussorten in Bayern. 1335 erhielt es das Stadt- und dazu das Braurecht.

Seßlacher „Mönche“ im städtischen Brauhaus

Das städtische Brauhaus ist nie verkauft worden, stand immer unter kommunaler Regie. Und es der Bürgermeister höchstpersönlich, der die Bierpreise jedes Jahr kundtut. In einer offiziellen Bekanntmachung! Die Arbeit allerdings machen andere. Es sind die „Seßlacher Mönche“, die in Privat-Initiative das Brauhaus betreiben und viel Herzblut am Sudkessel stehen. Stefan Pachsteffl gehört dazu. Der 59-Jährige ist im wirklichen Leben Maschinenbau-Ingenieur. Doch steht ihm die braune Kutte mit der Kordel um den Bauch ausnehmend gut. Und vor allem lassen sich er und seine neun ehrenamtlichen Mitstreiter bei ihrer Arbeit gern über die Schulter gucken. Kostprobe inklusive. Pachsteffl gibt sogar Bierbrau-Seminare, für alle, die es zuhause selbst versuchen wollen. 

„Seßlacher Mönch". Foto: Kirsten Lehmkuhl
„Seßlacher Mönch". Foto: Kirsten Lehmkuhl

Honiggelber Gerstensaft

„Wir brauen hier pro Jahr rund 120.000 Liter, in reiner Handarbeit!“, sagt er stolz. „Es ist nicht filtriert, nicht pasteurisiert. Deshalb muss die Kühlkette immer gut eingehalten werden. Wer Lust hat, es zu kaufen, kommt direkt zu uns.“ 

Wie gern in dieser Region Bier getrunken wird, zeigt der Spruch, den Stefan Pachsteffl am Ende des Besuchs schmunzelnd zum Besten gibt: „Ein Fünf-Liter-Fass ist ein Frühschoppen für drei, wenn zwei nicht kommen…“, sagt’s und führt genüsslich ein Pils mit feinem Schaum zum Mund.

Bodenständigkeit trifft Hochadel

Coburg und Umgebung ist eine Region der Kontraste. Herrlich bodenständig auf der einen Seite, und doch geprägt vom deutschen Hochadel. Die ehemalige Residenzstadt war über Jahrhunderte hinweg herzoglicher Herrschaftssitz und ein Treffpunkt der europäischen Noblesse. 

Eine der größten und besterhaltenen deutschen mittelalterlichen Burganlagen thront denn auch erhaben auf dem 464 Meter hohen Festungsberg wie ein Schmuckstück über der Stadt: die rund 800 Jahre alte Veste Coburg, „Fränkische Krone“ genannt. Das Stadt-Domizil der Coburger Herzöge, das prunkvolle Schloss Ehrenburg mitten im Zentrum, erzählt ebenso vom großen Glanz. 

Geführter Rundgang durch Seßlach – mit Stippvisite bei den bierbrauenden Mönchen. Foto: Kirsten Lehmkuhl
Geführter Rundgang durch Seßlach – mit Stippvisite bei den bierbrauenden Mönchen. Foto: Kirsten Lehmkuhl

Originelle Stadtrundgänge führen zum Beispiel durchs „Kulinarische Coburg“. Selbstverständlich mit den passenden Stopps, um alle Delikatessen zu kosten und sich neben „Schmätzchen“ und Bratwurst auch einen Hof-Likör zu genehmigen. Den Kräutertrunk stellt die Hof-Apotheke von 1543 am Marktplatz her. Das Rezept geht zurück auf eine uralte Apotheken-Tradition, es wurde bei Grabungsarbeiten im Kellergewölbe des Hauses wiederentdeckt. Besonders romantisch ist die Route mit dem Coburger Nachtwächter. Es ist eine Zeitreise durch die wunderschön beleuchtete, abendliche Altstadt. 

Um dann danach in einem der lauschigen Biergärten oder urigen Gasthäuser Coburgs köstliche Seite zu genießen. Den „Coburger Rutscher“ vielleicht, eine Spielart des Kartoffelkloßes, weich und geschmeidig, stilecht serviert zum fränkischen Schäufele und natürlich einem Bier. 


Informationen:

Lebkuchenbäckerei: www.feyler.com

Restaurant Loreley: www.loreleycoburg.de

Restaurant Alte Mühle: www.alte-muehle-hotel.de

Hotel Villa Victoria, www.hotel-villa-victoria.de

Geschichtsträchtige Wanderungen und Radtouren: www.stadt-heldburg.de 

www.coburg-rennsteig.de

www.coburgmarketing.de

www.genussregion-coburg.de

Fotos: Coburg Marketing, Kirsten Lehmkuhl

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