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Gagliole setzt im Chianti Classico-Gebiet neue Maßstäbe

Und Monika und Thomas Bär, die das Gut nun mit drei Generationen der Familie betreiben, können sich auf ihren herrlichen, uralten Landsitz 3 km außerhalb von Castellina in Chianti zurückziehen. Das herrliche Herrenhaus, dessen Fundamente wohl schon vor über 1000 Jahren Ildebrando (Hildebrand), Sohn des Langobardenkönigs Berengar, legte, als er das Gut seiner Braut zum Hochzeitsgeschenk machte, ist nun wieder komplett das Herzstück des „Landes der Träume“ und in privater Obhut der Bärs. Gekeltert wird hier nicht mehr.

Und auch die Reben der 10 ha Weinberge die sich im Amphitheater unterhalb der einzigartigen Zypressenallee zum Haus ausbreiten, werden nun im zweiten Gagliole-Landgut La Valletta verarbeitet. Bisher war dies Weingut in Panzano vor allem für das perfekt restaurierte, 1920 erbaute Bauernhaus La Valletta, bekannt, in dem Gagliole ein wunderbares Luxus-Bed & Breakfast mit Pool und allem Drum und Dran eingerichtet hat. Nun ist ein weiterer spektakulärer Prachtbau hinzugekommen, den das auf Kellereien der Spitzenklasse abonnierte Architekturbüro Studio Associato Mori aus Greve in Chianti entwarf. Und nicht nur das: Auch in Panzano konnte die Rebfläche erweitert werden. Und nahe des berühmten Klosters Badia a Passignano kamen 4 Hektar Weinberge hinzu.

Neue Topweine sind zu erwarten. Die Weine von Gagliole sind zwar kein Wunder, weil ihr Entstehen auf Expertise und Wissen beruht. Aber sie sind wunderbar – mindestens! Davon kann man sich bei einer Verkostung in der neuen Cantina selbst überzeugen.

Natürlich ist die neue, teils in den Hang gebaute Cantina nicht nur äußerlich und architektonisch ein Schmuckstück der Extraklasse. Beim Spaziergang mit Gutsmanager Cosimo Soderi, der mit Alessia Riccieri für das Sales & Marketing von Gagliole verantwortlich ist und auch das Management für die Buchungen des Luxus-B&B La Valletta übernimmt, entdecken wir Holzfässer und modernste Stahl- und Zementbehälter der allerneuesten Generation. Und zurecht weist Massimo, der auch Führungen übernimmt und gut Deutsch spricht, auf die nachhaltige neue Herstellungsweise hin. Denn neben Solarenergie auf dem Dach wird hier auch Geothermie, Erdwärme genutzt, mit der auch das Kühlsystem betrieben wird. Denn Gagliole leistet sich den Luxus von gleich zwei voneinander getrennten Barrique-Lagern, die so je nach Bedarf und Vorstellung des Winzermeisters bei unterschiedlichen Temperaturen und klimatischen Bedingungen betrieben werden können.

Das Weingut Gagliole. Foto: Ellen Spielmann
Das Weingut Gagliole. Foto: Ellen Spielmann

Verantwortlich für die Weinherstellung und viele Innovation ist nun allein Dr. Giulio Carmassi. Der 35-jährige studierte Agronom und Önologe war zuvor schon im Chianti-Classico-Renommier-Weingut Isola & Olena und in Kalifornien auf dem Hartford Family Wien Estate tätig, ehe er an der Washington State University in einem Team junger Wissenschaftler bei Prof. Markus Keller sein Wissen vertiefte. Ihm zur Seite steht Berater Paolo Salvi. Und so geht es mit Engagement, Sorgfalt und in Übereinstimmung mit den Vorgaben des ökologischen Landbaus in den Weinberg.

Auch der schicke neue Laden und der Verkostungsraum oberhalb der Cantina sind schon komplett fertiggestellt. Was noch fehle, so Massimo, sei das hier geplante kleine Ristorante, wo man in Zukunft zur Degustation auch leckere Menüs erhalten solle. Aber Corona und die Lockdowns 2020 haben die Pläne erst einmal auf Eis gelegt. Und natürlich hat Gagliole aufgrund des Coronavirus 2020 auch Einbußen erlitten. Massimo Soderi schätzt sie auf 16 bis 18 Prozent des Umsatzes. Dafür boomt aber der Schweizer Markt, wohin heute 60 Prozent der Gagliole-Weine exportiert werden.

Und natürlich ist man auch in Deutschland gut präsent. Und natürlich hat Gagliole auch einige wirkliche Weinwunder parat, die wir bei der für 20 € angebotenen Verkostung entdecken. Wir beginnen mit einem Weißwein, Gaglioles „Il Bianco“, ein IGT Toscana des Jahrgangs 2019. Er ist ein Blend aus 60 % Procanico, 30 % Chardonnay und 10 % Malvasia Bianca. Sämtliche Trauben stammen von den ältesten Weinbergen der Bärs nahe Castellina in Chianti. Der Blend reift sechs Monate im Barrique, zur Hälfte in neuen Fässern, zur anderen Hälfte in Fässern der zweiten Nutzung. Abgefüllt wurde dieser Wundertropfen übrigens in Dunklem Glas. Denn dieser 2019er Weißwein, eine erste große Entdeckung, für die Weinkritiker schon 93 Punkte vergaben, der 2018er erhielt 91 Punkte, hat eine Lebensdauer von bis zu acht Jahren. Da von ihm nur 3000 Flaschen abgefüllt wurden und er auch preislich mit ca. 18 Euro in gutem Rahmen liegt, sollte man sich also sputen!

Startschuss Il Bianco. Foto: Ellen Spielmann
Startschuss Il Bianco. Foto: Ellen Spielmann

Weiter geht es mit einem der Flaggschiffe von Gagliole, dem Rubiolo 2018. Dieser hundertprozentige Sangiovese fermentiert erst einmal im Stahl. Dann gelangen 50 % in französische Eichenfässer (dritte und vierte Nutzung) und 50 % in die Zementbehälter. Nach 12 Monaten ergibt sich dann ein fruchtiger, runder, harmonischer Wein, der eine Lebensdauer von 10 bis 13 Jahren erreicht und am besten nach drei bis fünf Jahren entkorkt werden sollte. Und der 2018er macht schon jetzt dem sehr guten Jahrgang 2016 Konkurrenz. Mit etwa 15 Euro pro Flasche zählt dieser Chianti Classico DOCG zu dem meistverkauften Weinen von Gagliole.

Es folgt der Valletta 2017, ein Blend und daher als Colli della Toscana Centrale IGT ausgewiesen, dessen Trauben, 50 % Sangiovese, 50 % Merlot, sämtlich von den Weinbergen der Conca d`Oro in Panzano stammen. Seinen Namen erhielt dieser sonnenüberflutete Kamm indes nicht der heute so berühmten Weine wegen. Ursprünglich wurde hier Getreide angebaut – daher der Bezug zum „Gold“. Für den Valletta-Wein gelangt der Sangiovese in 40 Hektoliterfässer, während der Merlot in kleinen Barrique-Fässern reift. Nach 14 Monate geht alles für drei Monate in Stahl ehe abgefüllt wird. 11 000 Flaschen sind auf dem Markt (ca. 25 € für 0,75 l). Dieser intensiv rubinrote Wein mit Aromen von dunklen Beeren, Gewürzen und Tabak sollte beim Entkorken am besten vier bis sechs Jahre alt sein. Auch der folgende Gagliole 2017 ist ein Colli della Toscana Centrale IGT (98 % Sangiovese, 2 % Cabernet Sauvignon). Auch die Trauben für diesen Wein stammen ausschließlich von Weinbergen in Panzano, allerdings von jenen 30 bis 35 Jahre alten, die hier in Toplagen bis maximal 510 m über dem Meeresspiegel angelegt wurden.

Nach 16 Monaten in französischer Eiche wurden nur 6000 Flaschen (0,75 l-Flasche = ca. 40 €) wurden abgefüllt, die dann vor der Marktreife nochmals sechs Monate ruhten. Doch ihr Inhalt ist ein Gedicht: Elegant, lecker, wohl strukturiert, mit dichten süßen Tanninen. Dekantieren sollte man ihn bei 18²C. Und auch er sollte vier bis sechs Jahre alt sein. Und dann öffnet Massimo tatsächlich auch noch den aktuellen Superstar von Gagliole, den Pecchia 2015. 97 Punkte und den Platinum Award gab der Decanter diesem Weltklassewein, weitere renommierte Kritiker stuften ihn mit 95 und 96 Punkten ähnlich hoch ein. Auch dieser Wein ist ein Colli della Toscana Centrale IGT. Seine Trauben reiften ausschließlich in Panzano, auf einem speziellen Weinberg an der Nordwestflanke der Conca d`Oro. Ganze 2000 Flaschen existieren von diesem Jahrgang, der zudem so gut wie nicht in den allgemeinen Handel gelangt. Nur ausgewählte Restaurants werden beliefert. Und preislich liegt er mit ca. 110 Euro ebenfalls in der Topliga. Der Pecchia reift 18 Monate in französischer Eiche und dann ein weiteres Jahr in der Flasche.

Der Pecchia reift 18 Monate in französischer Eiche. Foto: Ellen Spielmann
Der Pecchia reift 18 Monate in französischer Eiche. Foto: Ellen Spielmann

Und dieser Gagliole-Spitzenwein, ein hundertprozentiger Sangiovese, wird natürlich nur in den allerbesten Jahren produziert. Seit 1999 gab es erst sieben Abfüllungen. Und am besten sollte er nach acht bis zehn Jahren munden. Woher der Name „Pecchia“, ist allerdings nicht endgültig gesichert. Es existieren zwei Lösungen. Bei der ersten soll „pecchia“ eine lokale Variante für die Bezeichnung eiern Biene (italienisch „ape“) sein.

Die zweite ist hingegen ursympathisch. Denn „Pecchia“, so Massimo, sei im lokalen Dialekt auch die Bezeichnung für „Trinker“. Aber ein solcher muss man gar nicht sein, um den Pecchia einfach nur großartig zu finden. Wer nach Panzano reist, um auf La Valletta zu urlauben, darf sich übrigens auch auf Picknicks im Weinberg, Müßiggang am Pool und abendliche Lesestunden freuen. Denn in den vier Apartments und zwei Doppelzimmern haben die Bärs auch eine sehr gute Auswahl deutschsprachiger Buchlektüre ausgelegt.


Information:

Antico Podere Gagliole, www.gagliole.com

Fotos: Ellen Spielmann

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