Sternegastronomie ist für Mathias Apelt nichts Unbekanntes. Bevor er von 2009 bis 2011 als Küchenchef in der Villa Mittermeier in Rothenburg o.d.Tauber (1 Michelin-Stern) arbeitete, stand der passionierte Koch bei Juan Amador im Wiesbadener Restaurant Tasca am Herd.
„Bei uns wird eher einiges weggelassen“
Die Zeit für ein eigenes Restaurant war gekommen. Das „Flygge“ in Kiel öffnete im Mai 2021 seine Türen. Der Name Flygge, der übertragen so viel wie reif, erwachsen, selbständig werden bedeutet, ist eine Fortsetzung der Vita von Mathias Apelt. „Für uns sind das Aufgeben des Sterns sowie die Eröffnung vom Flygge eine Weiterentwicklung. Auch wenn wir viele der bekannten, guten Produkte möglichst kleiner regionaler Produzenten verwenden, ist die Küche nicht so verkopft, wie in der Sternegastronomie. Man muss mit Lebensmitteln gar nicht so viel machen, um etwas Großartiges daraus zu kochen“, sagt der Experte und ergänzt: „Bei uns wird eher einiges weggelassen, wie zum Beispiel mehrere Brotsorten oder diverse Apéros“.
Mathias Apelt und seiner Partnerin Britta Künzl ist es wichtig, spannend zu bleiben und sich nicht im Alltagstrott zu verlieren. Es sollte eine dauerhafte Weiterentwicklung sein.
„Es ist uns eine Herzensangelegenheit mit sehr guten Produkten zu kochen. Wir besinnen uns darauf, was wir gut können, was unser Handwerk ist und möchten unseren Gästen ein tolles Erlebnis bieten“, sind sie sich einig. Für das faszinierende, mutige Konzept gibt es viel Zuspruch. Es werden so viele Produkte wie möglich aus der Region verwendet und so geben die Jahreszeiten, die Natur und Produzenten den Rhythmus für die Karte vor. „Das heißt aber nicht brutal regional. Hier gibt es eben keinen Pfeffer und auch kein Olivenöl“, ergänzt Mathias Apelt. Das Ambiente des Restaurants ist skandivanisch angelehnt und in seiner ästhetischen, reduzierten Formensprache auf das Wesentliche reduziert.
Genuss mit Fördeblick
Mit einem wunderschönen Panoramablick auf die Förde wird vorweg köstliches, noch warmes Brot an Salzbutter und Kräuterdip gereicht. Beim bunten Tomatensalat an Fenchel mit gerösteten Kirschen & Burrata schmeckt die Tomate noch nach Tomate, süß und aromatisch. Jede der drei Sorten hat ihren charakteristischen Geschmack behalten. Feine Nuancen ergeben sich durch die Zugabe von Zitronentagetes und Holunderblütenöl. Ein kleines Pendant stellt der krosse Brotchip dar.
Sommelière Britta Künzl, die einen Fokus auf den authentischen Geschmack naturnah ausgebauter Weine legt, zeigt ihr Geschick in der Auswahl ebenbürtiger und spezifischer Tropfen. So gefällt zum Tomatensalat ein eleganter Tement 2017 Sauvignon Blanc Spätfüllung „Zeitspiel 4“ mit seiner zarten Aromatik, Frische und gleichzeitigen Mineralität.
Verschiedene Texturen kombiniert Mathias Apelt in dem Gang rote Meerbarbe, Artischocke, Zucchini und Tomaten Beurre Blanc. Sämtliche Komponenten stehen für sich, ergeben aber eine harmonische Gesamtkomposition. Sie wird komplettiert durch einen wunderbaren 2020 Château de Coulaine Les Pieds Rotis Chinon, der mit seinem Aromenspiel, unter anderem aus Apfel, Zitrus und Quitte, einer enormen Vielschichtigkeit und einem sehr langen Nachklang beeindruckt.
Das zarteste Kalbfleisch an der Küste
Ebenfalls in Erinnerung bleibt der Tafelspitz vom Kalb an grünen Bohnen, Karotte & Hasselback Kartoffel. Es dürfte wohl das zarteste Kalbfleisch an der Küste sein. Jede einzelne Zutat imponiert autark und ergibt im Zusammenspiel einen homogenen Gang. Ein I-Tüpfelchen stellt die Zugabe von Curry-Crumble auf dem Braten dar. Hierzu reicht Britta Künzl einen 2020 Heureux qui comme von Flo Busch. Diese saftige Carignan-Grenache-Cuvée zeigt Würzigkeit, Frucht, Holz und Tiefgang.
Himmlisch gelingt auch das Dessert, geschäumter Cheesecake mit Blaubeere & Pink Grapefruit. Dieses zarte Schaumwunder, ein Käsekuchen in flüssiger Form, wird ergänzt durch einen ausdrucksstarken Gewürztraminer Roche Calcaire 2018. Ein volles Bouquet aus Weinbergpfirsich, Quitte, Birne und Orange trifft auf Frische und Struktur – wie im Flygge!
Informationen:
www.flygge-kiel.de
Fotos: Carola Faber