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Der Traum des Franco Zanovello

Hier, wo rund um den Monte Venda mit über 1000 verschiedenen Pflanzenarten die höchste Intensität der für ihre Biodiversität berühmten Hügellandschaft herrscht, sollte ursprünglich nur ein Wochenendrefugium für die Familie entstehen. Doch schon 1977 entschloss sich Sohn Franco Zanovello, hier einen kleinen Weinbaubetreib zu gründen. Nach und nach sollte sich dieser über die Jahre erweitern. Heute sind insgesamt 42 Hektar Land im Besitz der Familie, von denen 25 für den Weinbau, 20 für Olivenhaine und der Rest als Wald und Weide genutzt werden. Schon seit 2008 wird hier biologisch produziert, die volle Bio-Zertifizierung erlangte Familie Zanovello dann 2012.

2013 war dann erneut ein großes Jahr für Franco Zanovello. Am höchsten Punkt der Zanovello-Weinberge mit illustren Namen wie Sassonero, Belvedere, Girapoggio, Pedevenda, Roverello oder Cengolina, die sämtlich im regionalen, seit 1989 geschützten Naturpark Euganeische Hügel liegen, befand sich eine Quelle, deren Wasser immer mal wieder für kleinere Erdrutsche sorgte und den Weinbau an diesem Ort unmöglich machte. Franco ließ die Quelle eindämmen und baute das ganze Areal zu einem natürlichen Amphitheater um.

Heute sitzt man auf der Wiese um das Bühnenhalbrund aus Lärchenholz, der Blick schweift bis zur Lagune von Venedig und bis zum Apennin. Eine großartige Invention, die seither an diesem Ort, dem Anfiteatro del Venda, regelmäßig für Events, Konzerte und Aufführungen genutzt wird. Denn Franco, der leider vor vier Jahren verstarb, so dass nun seine Kinder Marco und Linda die Azienda mit einem Team hochmotivierter Mitarbeiter führen, kümmerte sich sein Leben lang stets intensiv auch um Kunst und Kultur.

Rebstöcke in den Euganeischen Hügeln. Foto: Jürgen Sorges
Rebstöcke in den Euganeischen Hügeln. Foto: Jürgen Sorges

Franco wollte mehr

Klar, erst einmal stand die Förderung des Weins im Vordergrund. Und so war er maßgeblich am Aufbau des 1972 gegründeten Konsortiums der Weine der Euganeischen Hügel beteiligt wie auch an der Ausgestaltung der 2002 gegründeten Strada del Vino Colli Euganei, der Weinstraße durch die lange von den vielen Kurgästen in den Kurhotels am Fuße übersehene wundervolle Landschaft und das Klima der Euganeischen Hügel! Aber Franco wollte mehr! Am liebsten die Erhebung der Colli Euganei zum UNESCO-Welterbe. Dies ist ihm nicht ganz gelungen, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Immerhin gelang dies dem Prosecco-Gebiet rund um Valdobbiadene nahe Treviso 2019.

Und auch im Piemont war die Region Langhe-Roero erfolgreich. Für die Colli Euganei wären die Bedingungen allein schon aufgrund der einzigartigen geologischen Besonderheit dieser nach und nach über Jahrmillionen aus vulkanischem Aktivismus entstandenen Hügelknubbel- und Kegellandschaft bestens. Denn Krater gibt es keine, die Hügel wurden nur durch die nicht aufgebrochene Lava in die Höhe gehoben. Dann gibt es hier die eingangs erwähnte einzigartige Biodiversität an Flora und Fauna. Dann kommt die Tradition der natürlichen, schon von den Römern intensiv genutzten Thermalquellen hinzu.

Die typische Hügellandschaft in der Region. Foto: Jürgen Sorges
Die typische Hügellandschaft in der Region. Foto: Jürgen Sorges

Ca`Lustra Verkostungen

Angebaut werden auf Ca`Lustra, das wohl nach einem lokalen Banditen benannt ist, der hier im 19. Jh. seinen Unterschlupf hatte, typische Bordeaux Reben, Merlot und Cabernet Franc, der hier Carmènère heißt und seit ca. 1870 heimisch ist. Unter den weißen Rebsorten, darunter einigen autochthonen Sorten, dominieren Moscato Bianco, Fior d`Arancio, Garganega, Tocai Italico, der hier aus rechtlichen Gründen stets nur „Tai“ genannt wird, Serpina, Malvasia, Pinella und Pedevenda. Linda Zanovello führt uns erst einmal durch das Allerheiligste den mit modernen Wandbildern geschmückten und mit Fässern voll gestapelten Weinkeller, ehe es zur Verkostung geht.

Ca`Lustra bietet verschiedene Verkostungen an. Da ist erst einmal die Standard-Degustation (5 Weine, lokaler Käse, Brot, Sticks, Olivenöl) für 15 €. Eine Spezialität des Hauses ist dann die Blindverkostung „Wine in Black“ (7 Weine in schwarzen Glaskelchen) für 18 €. Kenner schätzen die Verkostung alter Jahrgänge des Hauses (3 Etiketten, insg. 6 Weiß und Rotweine, Käse, Brot, Sticks, Olivenöl), die allerdings 28 bis 32 € kostet, während die Degustation „Probe des Autors“ (5 Weine, Käse, Brot, Olivenöl für 20 €) für die nie nachlassende Innovations- und Experimentierfreude des Hauses steht, wie sie Franco Zanovello eingeführt hat.

Nachteil für das Wein-Marketing

Vorab: In der Regel haben die Bioweine von Ca`Lustra unter 10 mg Sulfite – ein äußerst niedriger Wert! Und, so Linda, es gäbe Jahre, in denen bis zu 30 verschiedene Weine produziert würden. Denn dies ist das Charakteristikum der Weine aus den Colli Euganei: Jeder Hügel hat sein eigenes Terroir, jeder Vulkankegel seine eigene Mineralität und Zusammensetzung. Daher gibt es keinen einzelnen, herausragenden Signature Wine aus den Colli Euganei. Dies ist sicher ein Nachteil für das Wein-Marketing, der guten bis herausragenden Qualität der Weine tut dies aber keinen Abbruch.

Linda Zanovello. Foto: Jürgen Sorges
Linda Zanovello. Foto: Jürgen Sorges

Ca`Lustra Olivetani und `A Cengia

Wir starten mit einem weißen Zanovello Ca`Lustra Olivetani 2018, dem ein 2019er Olivetani folgt. Der Grund: Der 2018er ist noch ungefiltert, doch seit 2019 filtert man bei Ca`Lustra. Der erste beeindruckt durch Apfelnoten und ist herb fruchtig, Der Olivetani 2019, benannt nach den Olivetanermönchen, die am Monte Venda im 17. und 18. Jh. das heute in Ruinen liegende Benediktinerkloster übernahmen, ist ein IGT Veneto Bianco aus Garganega, Pinot Bianco, Sauvignon, Tai Bianco und Moscato mit 12,5 % Alkoholgehalt und dank reicher Aromen vor allem durch den “Tai“ sehr, sehr interessant. Er besitzt Aromen von Mandel, Apfel und Trockenfrüchten!

Auch der folgende Zanovello Ca`Lustra „`A Cengia“, ein reiner Moscato Bianco und als IGT Veneto Moscato Secco 2019 firmierend (11,5 % Alkoholgehalt), ist eine unerwartete Überraschung mit einem Blumen-Bouquet aus weißen und gelben Blüten und Noten von Früchten und aromatischen Kräutern. Besser noch ist der 2016er `A Cengia IGT Veneto Moscato Secco, den wir bei der folgenden Blindverkostung entdecken dürfen. Uneins war man sich dann bei der nächsten Blindverkostung: weiß oder rot? Kein Wunder, denn der Zanovello Ca`Lustra Aganoor 2018 aus Merlot und Cabernet (13 % Alkoholgehalt) ist ein Rosé, exakt ein IGT Veneto Rosato, der z. B. perfekt zu Tatar oder Spaghetti mit Butter und Sardellen passt. Er besitzt zudem eine bemerkenswerte Langlebigkeit.

3000 Flaschen

Es folgen die Rotweine, zuerst ein Zanovello Ca`Lustra Le Cerese 2019, ein reiner Merlot (IGT Veneto Merlot mit 13,5 % Alkoholgehalt), der 3 bis 4 Monate in Eiche und dann ein Jahr in Zement reift. 3000 Flaschen werden von ihm produziert. Es folgt ein Zanovello Ca`Lustra Sassonero 2018, ebenfalls ein reiner Merlot, allerdings an Colli Euganei DOC! Es ist der meistverkaufter Wein von Ca`Lustra, und ein Gedicht, ideal zu Fleischgerichten, etwa Schweinefilet mit Pflaumen.

Weine der Verkostung. Foto: Jürgen Sorges
Weine der Verkostung. Foto: Jürgen Sorges

Zwischendurch probieren wir den sehr guten lokalen Ziegenkäse und vor allem das ausgezeichnete Bio-Olivenöl von Ca`Lustra. Für die „Kür“ hat sich Linda Zanovello dann einen Zanovello Ca`Lustra „Girapoggio“ 2016 (14,5 % Alkoholgehalt) aufgehoben. Er ist bei der heutigen Verkostung der mit Abstand beste und nur zu empfehlen. Dieser reine Cabernet, natürlich ein DOC Colli Euganei, beeindruckt durch seine Aromen, ist langlebig und passt perfekt z. B. auch zu Eintöpfen oder reifem Käse.

Doch damit nicht genug. Es wird auch noch ein Dessert-Rotwein, ein Nero Musqué 2020 aus der 0,5-l-Flasche eingeschenkt, der mit balsamischen, etwas süßlichen Noten imponiert. Tatsächlich stammen die Trauben aus der sizilianischen Niederlassung von Ca`Lustra, wo man ideales Terrain für die Moscato Nero-Traube fand.

Zanovello Fior d`Arancio Passito

Zum Finale dann muss es ein hoch prämierter Dessertwein, der Zanovello Fior d`Arancio Passito DOCG Colli Euganei sein. Dieser reine Wein aus gelben Moscato-Trauben (Fior d`Arancio) ist leuchtend gelb, intensiv und fast ein Meditationswein. Seit 2010 darf er die Bezeichnung DOCG Colli Euganei tragen und ist ein Aushängeschild der Hügellandschaft. Natürlich produziert Ca`Lustra noch weitere Weine, auch einen Wermut („W 1 Vermouth“) und einen Schaumwein. Für heute stehen die Verkostungssieger indes fest. Es sind der „Girapoggio“ 2016 und der Zanovello Fior d`Arancio Passito DOCG Colli Euganei!

Und natürlich wäre es schön, wenn der Traum des Franco Zanovello wahr und die Colli Euganei UNESCO-Welterbe würden.


Informationen:

Strada del Vino Colli Euganei, www.stradadelvinocollieuganei.it/en

Euganeische Hügel, www.collieuganei.it

Azienda Agricola Ca`Lustra, www.calustra.it/de

Hotel Garden Terme, www.gardenterme.it/de

Fotos: Jürgen Sorges

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