Zahlreiche Erzeuger sind bereits nach den Richtlinien oder Siegeln von Fair’n Green, Demeter, Bio, FairChoice®, EcoVin, Bioland oder Naturland zertifiziert. Aspekte, wie Ökologie, Ökonomie und Soziales werden dabei in der gesamten Weinproduktion gleichermaßen berücksichtigt.
Nur 15 Zentimeter misst die kleine Zippammer. In Deutschland ist der Brutvogel aus der Familie der Ammern selten anzutreffen. Die streng geschützte Vogelart steht auf der Roten Liste. Ihr Verbreitungsschwerpunkt befindet sich an der Mosel, denn von lediglich 500 Brutpaaren in Deutschland lebt die Hälfte an den warmen Hängen der Steillagen. Zu Ehren und zum Schutz der seltenen Vogelart wurde ein eigener Themenweg „Zippammers Welt – der Wanderweg mit Pfiff“ angelegt. Er führt von dem Ort Wolf zum Moselsteig.
„Wir sind sehr glücklich über diesen neuen Weg und auch über die Naturerlebnisbegleiter, die mit fachkundigen Informationen Wanderer und Spaziergänger durch die wunderschöne Mosellandschaft führen. Wir sind auch besonders stolz auf inzwischen mehr als 100 Mosel-Lebenstürme, die in ihren verschiedenen Stockwerken vielfältigen Arten wie Insekten, Reptilien, Vögeln und Kleinsäugern Unterschlupf, Überwinterungsmöglichkeit, ja neuen Lebensraum bieten“, freut sich Landespfleger Carsten Neß vom DLR (Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum) Mosel. Die Zippammer ist nur eins von vielen Beispielen für den erfolgreichen Artenschutz. Örtliche Winzer sorgen mit einem enormen Aufwand für eine intakte Weinlandschaft in der Wolfer Goldgrube.
In neu angelegten Querterrassen – nach Südtiroler Vorbild – fallen die begrünten Böschungen und ein farbenfrohes Blütenmeer zwischen den Reben auf. Dort fühlen sich unter anderem auch Eidechsen, Weinbergschnecken, Mosel-Apollofalter, die blauflügelige Ödlandschrecke und die gehörnte Mauerbiene wohl.
Erfolgreiche Terrassierung
Ein hervorragendes Beispiel für die neuen Strategien im Weinbau für nachhaltige Bewirtschaftung, Ökologie und Tourismus ist in Traben-Trarbach zu finden. Neben dem Zippammer-Themenweg und den Lebenstürmen für die Mosel ermöglicht die Haltung von Zwergzebus durch das Winzerpaar Ulrike und Markus Boor die Pflege von Brachflächen. Für Aufsehen sorgte auch die Terrassierung mit speziellen Arbeitstechniken an der Wolfer Goldgrube mit Hangneigungen bis zu 70 Prozent. Dank des extrem wendigen Fahrzeugs „Vitrac“, das über diverse komplexe Zusatzgeräte verfügt, können steile Weinbauterrassen jetzt sehr viel weniger aufwendig und effektiver bearbeitet werden.
„Wir haben es in Südtirol erstanden. Mit Zubehör hat es rund 70.000 Euro gekostet“, ergänzt Winzer Markus Boor. Auch Professor Dr. Ilona Leyer vom Institut für angewandte Ökologie der Hochschule Geisenheim stellt Möglichkeiten des Weinbaus zu mehr Artenvielfalt in der Kulturlandschaft an Hand der Projekte BioQuis und AmBiTo vor.
BioQuis und AmBiTo
BioQuiS – das ist die Abkürzung für Förderung der Biodiversität durch Querterrassierung im Steillagenweinbau. „Die traditionelle Bewirtschaftung der Steillagen mit vielerorts kleinparzellierten Terrassenanlagen hat zu abwechslungsreichen Landschaften und artenreichen, an Trockenheit und hohe Lichtintensität angepassten Artengemeinschaften geführt. Durch die Nutzungsaufgabe und Intensivierung vieler Weinberge mit Anlage in Falllinie ist der Lebensraum in den Steillagen für viele gefährdete Tier- und Pflanzenarten jedoch verloren gegangen. Können querterrassierte Weinberge mit ihren Böschungen diesen Lebensraum ersetzen und so die biologische Vielfalt im Weinberg fördern? Wie wirkt sich Querterrassen-Weinbau im Vergleich zum Falllinien-Weinbau auf die Rebe aus, auf den Ertrag, die Aromabildung, Inhaltsstoffe und die Rebengesundheit? Dies alles hängt mit dem Wasserhaushalt und dem Mikroklima des Rebbestandes zusammen – Faktoren, die sich durch die geänderte Zeilenorientierung verändern“, erläutert die Professorin die Fragen um BioQuiS in den Hessischen Staatsweingütern Kloster Eberbach Staatsdomäne Asmannshausen.
„Die Artenvielfalt hat definitiv zugenommen und den enormen Starkregen Anfang Juni 2018 mit über 80 Litern pro Quadratmeter innerhalb von drei Stunden haben die neugeschobenen und schon mit Reben bestockten Querterrassen-Weinberge gut überstanden, während einige Falllinien-Weinberge völlig zerstört wurden“, berichtet Dr. Ilona Leyer von dem erfolgreichen Projekt in der Staatsdomäne.
Biodiversitätsfördernde Maßnahmen
Ziel von AmBiTo ist die Umsetzung und langfristige Anwendung von biodiversitätsfördernden Maßnahmen im Weinbau. Inzwischen beteiligen sich schon 34 Modellbetriebe, darunter das Weingut Braunewell und das Weingut Georg Breuer sowie mehr als 50 Partnerbetriebe an dem Projekt, das praxisnahe und anwendungsfreundliche Lösungen bietet. „Die Artenvielfalt im Weinberg liegt uns am Herzen und ist wichtig für gesunde Reben – mit AmBiTo werden wir diese Herausforderung annehmen und gemeinsam praxisnahe Maßnahmen zur Förderung von Biodiversität entwickeln und umsetzen“, bestätigt Winzer Stefan Braunewell, dessen Weinflaschen auch mit dem Siegel von „FAIR’N GREEN“ gekennzeichnet sind. Es ist das Siegel für nachhaltigen Weinbau und hilft Winzern dabei, Nachhaltigkeitsziele (z.B. Reduktion der CO2-Emissionen, höhere Biodiversität, Gesellschaftliches Engagement) objektiv mess- und überprüfbar zu machen sowie integrativ zu erreichen.
Der FAIR’N GREEN-Standard für nachhaltigen Weinbau schreibt vor, dass jedes Weingut Prozesse etabliert, um seine gesamte Betriebsführung, die Arbeit im Weinberg, die Kellerwirtschaft und die Vermarktung im Rahmen einer ganzheitlichen Nachhaltigkeitsbetrachtung stetig zu verbessern. Zur Vereinfachung werden alle Betriebe kontinuierlich beraten und für jedes Weingut wird im Rahmen der Zertifizierung ein individueller Entwicklungsplan erstellt. „Die Anzahl der teilnehmenden Weingüter steigt permanent. Wir rechnen in drei Jahren mit etwa 200 Weingütern europaweit“, prognostiziert Dr. Keith Ulrich, Vorsitzender von FAIR and GREEN e.V.
Lösung ist eine echte Kooperation der Winzer, Händler und Kunden
„Wein reagiert sehr sensibel auf den Klimawandel. Das zeigt sich zum Beispiel in der Veränderung der Typizitäten heimischer Rebsorten“, berichtet Dr. Helena Ponstein, die sich mit dem Thema Klimaschutz und Nachhaltigkeit in der Weinbranche auseinandersetzt und ergänzt: „In Deutschland besteht das Potential, etwa 50 Prozent der Treibhausgasemissionen durch die Produktion von Wein durch ein Mehrweg-System und die Nutzung von Ökostrom zu vermeiden. Vielleicht ist die wichtigste Klimaschutzmaßnahme von allen, die Bereitschaft für eine echte Kooperation der Winzer, Händler und Kunden…“.
Informationen:
Deutsches Weininstitut, www.deutscheweine.de
Romantik Jugendstilhotel Bellevue Traben-Trarbach, www.bellevue-hotel.de
Fotos: Carola Faber