Zum zarten Vogelgezwitscher aus Lautsprechern werden zu einem selbst hergestellten Wermut erste Grüße aus der Küche gereicht. „Hier können die Wurzeln unseres Küchenchefs Jordi Artal, sein Land und die Natur besonders gut erfahren werden“, lautet die Erklärung für diese überraschende Ouvertüre. Sie geben einen Vorgeschmack auf die Vorliebe des empathischen Kochs für kleine, geschmacksintensive Speisen, die den Gaumen, die Augen, Nase, Ohren und Geist anregen können.
Für das Essen empfand Jordi Artal, solange er sich zurückerinnern kann, eine tiefe Leidenschaft. Schon in seiner Kindheit half der gebürtige Kanadier mit spanischen Wurzeln schon immer gern seiner Mutter und Großmutter beim Kochen. So lernte er ganz natürlich, fast spielerisch die Küche seiner Heimat Tarragoniens kennen. 2002 fiel bei einem Besuch in Spanien die Entscheidung ein eigenes Restaurant zu eröffnen. Im Jahr 2008 erhielt er für sein Restaurant den 1. Michelin-Stern. Ein zweiter Stern folgte im Jahr 2020.
Die Renovierung seines kleinen, intimen Restaurants mit nur zwölf Tischen erfolgte im Jahr 2018. Jordi Artal legte ganz bewusst einen Schwerpunkt auf schlichte Eleganz, eine zurückhaltende Farbgebung und Naturmaterialien. Auch eine sehr gut eingesetzte, dezente Beleuchtung sorgt dafür, dass die Gerichte eine passende Bühne bekommen. Der Fokus liegt auf der modernen Interpretation katalanischer Küche und auch auf der Begleitung von exklusiven, katalanischen und spanischen Weinen kleiner Boutique Weingüter, die einen Fokus auf alte und regionale Rebsorten legen.
Zur Auswahl stehen Degustationsmenüs mit raffinierten Gerichten voller exquisiter Aromen, mit verschiedenen Texturen und spannenden Kontrasten. Chefkoch Jordi Artal verwendet für seine individuelle Interpretation der modernen katalanischen Küche ausschließlich Produkte von kleinen, lokalen Lieferanten. Shrimps, Ochsenschwanz, Forelle, Sellerie, Safran, Pinie …um pfiffig ein wenig auf das Menü vorzubereiten, stehen zur Information auf einem Zylinder einer Tischlampe schon einige Zutaten des Menüs.
Aussagestarke Weinbegleitung
Zur Unterstreichung der exklusiven, aussagestarken Weinbegleitung wird zum Auftakt ein Sabaté i Coca Reserva Familia Brut Nature, der am 29.06.2022 degorgiert wurde, gereicht. Insgesamt existieren nur 6460 Flaschen dieses frischen und gleichzeitig konzentrierten Schaumweins, der mit einem breiten aromatischen Profil, Ausgewogenheit, Cremigkeit und Komplexität als wunderbarer Begleiter zu den ersten Speisen, Kastanien, Ei und Jakobsmuscheln mit Schinken überzeugt.
Weitere Weine zum Menü sind ein Sierra Cantabria – Eguren: Organza 2010, Ramon Do Casar Nobre (Flasche Nummer 7524 von 8000), Antigues Reserves 2000 (Flasche Nummer 1571 von 3600), Dido la Solució Rosa 2020, Cava Mas Via Gran Reserva Brut 2005 und ein Teixar 2017 Montsant Vi di Finca.
Garnele von den Fischern aus Palamos
Auf kleinen Kärtchen stehen Informationen zu den einzelnen Gängen, sowie über die Produzenten. Porrusalda ist ein Gericht aus dem Norden des Landes, mit Lauch und Kartoffeln. „Ich serviere es mit kalter Mousse und Kaviar von Forellen aus Sant Iscle de Vallalta“, lautet die Beschreibung von Jordi Artal. Der Gang besteht gleich aus mehreren Köstlichkeiten: Lauch und Kartoffel Espuma, Baby-Lauch-Confit, knusprige Saitenkartoffeln und geräucherter Forellenrogen.
Die Garnele kommt von den Fischern aus Palamos. Der Hafen von Palamos an der Costa Brava nördlich von Barcelona ist in ganz Spanien für seine hervorragenden Tiefsee-Garnelen bekannt. Um ihren zarten, süßen Geschmack zu bewahren, werden sie 30 Minuten lang in eine Algenlake eingelegt. Zum geschmacksintensiven Set gehören „in Seegras eingelegte Garnelenschwänze, Krabben-Knoblauch-Öl, knusprige Garnelen und cremige Garnelenkroketten“.
La Castagnata lautet der Titel für die feine Interpretation, für die Region typischen, gerösteten Kastanien. Es sind gebratene Kastanien, gegrillte Süßkartoffel, geräuchertes Kastanienpüree sowie Kastaniencreme mit Lorbeerblatt. Die gebratene Jakobsmuschel wird gekonnt mit Topinambur, Sunchike-Püree und Zwiebelglasur kombiniert.
Aus dem kristallklaren, kalten Gebirgsbach der Picos de Europa kommt die Bergforelle. Das Wasser ist rein und kommt – ohne vorher durch eine Stadt zu fließen – direkt aus den Hochgebirgsseen. Bei einer Temperatur von 43 Grad wird die Flussforelle erwärmt und zusammen mit Kiefernblätteröl und –staub, gealterter Sherry-Essig-Soße, einer Pfeffer-Emulsion und über Pinienrinde geräucherten Waldpilzen serviert. Eine tolle, begeisternde Idee!
Rindfleisch auf mittelalterliche Art
Inspiriert von einem der ältesten gedruckten Kochbücher, dem Libre de Sent Sovi von 1324, entstand das Gericht „mittelalterliches Rindfleisch“. Im Mittelalter nutzten die Köche die Vorteile des ganzen Tieres, da sie wussten, dass die leckersten Stücke oft die am wenigsten edlen sind. Sie benötigen für einen hervorragenden Geschmack meist nur eine sehr lange Garzeit. So wurde der Ochsenschwanz 16 Stunden geschmort. Dazu gab es gebratenes Kalbsbries, wilde Pfifferlinge und Kürbis.
Das Schweinefleisch kommt von einem kleinen Bauernhof im Norden Kataloniens. Die Tiere, eine Kreuzung der Rassen Black Footed Iberian und White Duroc wachsen im Freien auf und werden mit Mais aus eigenem Anbau gefüttert. Jordi Artal reicht das Schweinlendchen mit grünem Apfelgel, Cider-Kugeln, knusprigen Knoblauchkrümeln, im Ofen gebratenem Knollensellerie und gebratener Schweinsfüßchenglasur.
Der Titel für das Dessert lautet „Mandarine und Safran“. Mit den Erklärungen: „Der Safran wurde im Mittelalter von den Mauren eingeführt. Katalonien galt bis zum Spanischen Bürgerkrieg als ein Zentrum des hochwertigen Safrananbaus. Erst in jüngster Zeit hat eine Gruppe junger Landwirte die traditionellen Anbaugebiete in Montsec im Westen Kataloniens zurückgewonnen“ mundet der Übergang zum Finale, Mandarinen-Sorbet, Safran-Quark und Vanille-Sahne besonders.
Auch die Feige hat einen besonderen Platz auf der Speisekarte. Erstmals wurde die Frucht vor 9000 Jahren kultiviert. „Ein riesiger Feigenbaum markiert in unserem Dorf den Eingang zum Garten meiner Familie. Er steht dort schon seit vielen Generationen. Wir wissen nicht, wie alt er ist. Aber er bringt eine enorme Fülle an Früchten hervor“, beschreibt der kreative Koch und serviert seine persönliche Interpretation mit gebratener und fermentierter Feige, Walnuss-Kekskrümel, stickstoffgefrorene Feigenblattcreme sowie Sirup aus Hibiskus und Honig.
Zum Abschied sind es die letzten Verlockungen „Zitronenkuchen, katalanische Creme und Schokolade mit Olivenöl, Salz und Brot“, die noch einmal gekonnt die Sinne betören.
Informationen:
Cinc Sentits, www.cincsentits.com
Fotos: Carola Faber