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Anteprima Vino Nobile di Montepulciano

Es sind beeindruckende Zahlen, die das rege, 1966 gegründete Konsortium Vino Nobile di Montepulciano zum letzten Wochenende der Festivitäten rund um den neuen Jahrgang des Vino Nobile di Montepulciano veröffentlicht. Satte eine Milliarde Euro ist das gesamte Weinbusiness samt Ländereien in und um das schmucke toskanische Landstädtchens wert. 2000 Hektar der 16.500 Hektar Gemeindefläche dienen als Weinberge, davon sind 1200 Hektar für die Herstellung des Vino Nobile DOCG und 390 Hektar für den Rosso di Montepulciano DOC reserviert. Jährlich erwirtschaften die 250 Winzer, von denen 90 auch abfüllen und 81 im Konsortium organisiert sind, mit bis zu 2000 Mitarbeitern rund 65 Millionen Euro mit dem Verkauf von 6,7 Millionen Flaschen Vino Nobile und 2,3 Millionen Flaschen Rosso di Montepulciano. 

Deutschland beim Export vorn

Und kein Wunder: 65,5 Prozent der Weine gehen in den Export, vor allem – ganz gegen den Trend in der restlichen Toskana – nach Deutschland (37 Prozent), gefolgt von den USA (28 Prozent) und den Niederlanden (6,7 Prozent). Stark im Kommen ist auch Kanada. Vor allem aber kaufen Montepulciano-Besucher den edlen Tropfen, den Dichter Francesco Redi 1685 zum „König der Weine“ kürte, Voltaire 1759 im „Candide“ übermütig würdigte und der erstmals 1766 die Bezeichnung „Nobile“ trug, vor Ort in den Weinhandlungen und auf den Landgütern. 

„O Sole Mio“

Grund genug also für das Konsortium, im Februar 2025 gleich zwei Wochen die neuen Jahrgänge zu feiern, zumal auch der strenge DOCG-Schutz für den Vino Nobile 45. Geburtstag hat. Am 15. Februar 2025 stand nun zusätzlich die Präsentation einer völlig neuen Weinlinie, des Vino Nobile di Montepulciano Pieve an.

Lichtshow zur Eröffnung. Foto: Jürgen Sorges
Lichtshow zur Eröffnung. Foto: Jürgen Sorges

In eine perfekt koordinierte tief weinrote Lichtshow getaucht, präsentierten Konsortium-Präsident Andrea Rossi und Bürgermeister Michele Angiolini den neuen Wein, der sich preislich oberhalb des Vino Nobile im Bereich von 40 bis 70 Euro, für manche aber auch deutlich darüber einordnen soll. Für dieses Projekt wurde erheblicher Aufwand betreiben: zu dem geologischen und Terroir-untersuchungen jedes einzelnen Kirchspiels kamen umfangreiche Vorgaben für die Winzer, die nun ihre allerbesten, meist höchsten Weinberglagen für die Herstellung des Vino Pieve, des Landkirchenweins bereitstellen. 

Dazu wurde ein Handbuch kreiert, das die einzelnen Landkirchen und ihre Geschichte ausführlich dokumentiert und so auch einen Schub in Richtung Weintourismus bringen soll. Schließlich konnte eine solche Veranstaltung nicht ohne eine konzertante Aufführung mit Klavier, Sopran und Tenor enden, die neben einer Würdigung von Puccini-Klassikern zum Schluss auch ein veritables „O Sole Mio“ auf die Bühne brachte.

Erstverkostung der „Pievi“

Verkostet wurden die Pievi, die neuen Super-Landkirchenweine, indes erst am Sonntagvormittag des 16. Februar 2025 in der Fortezza von Montepulciano. Und diese Verkostung erbrachte ein klares Resultat. 27 Weine aus nur elf Kirchenzonen wurden vorgestellt, die Zone Badia (Kloster) war noch nicht ganz so weit. 13 Weine sind schon auf dem Markt, sieben stehen vor der Marktreife, weitere sieben standen immerhin schon als Fassproben bereit. 

Absolute Sieger waren für mich die Pievi des Talosa 2021 (Pieve Le Grazie), des Poliziano 2021 (Pieve Caggiole) und des Le Bèrne 2021 (Pieve Cervognano), gut zudem der Pieve der Vecchia Cantina 2021 (Pieve Cervognano) und La Ciarliana 2021 (Pieve Cerliana). Wer indes wie Sommelier und Weinjournalist Paolo Bini aus Florenz mehr auf Eleganz setzt, dürfte mit dem Il Molinaccio 2021 (Pieve Valardegna) oder den beiden Pievi von Carpineto (Pieve Sant`Albino) sehr zufrieden sein. 

Boscarelli weit vorn

Am Abend zuvor hatte bereits Boscarellis 2021er Vino Nobile geglänzt, aber auch der Vino Nobile Riserva „Poldo“ 2021 vom Weingut Villa Santa`Anna, benannt nach Leopoldo, dem Vater der Eignerin Simona Ruggeri Fabroni, konnte sehr überzeugen. Große Fortschritte macht auch die 1937 gegründete Vecchia Cantina di Montepulciano, die mit ihrem neuen Weinkeller und mit der „Linea Redi“ 2021 auftrumpfte, die der neue Önologe Dr. Lorenzo Landi verantwortet. 

Boscarelli im Tasting. Foto: Jürgen Sorges
Boscarelli im Tasting. Foto: Jürgen Sorges

Großartig dann auch die 2010er Vino Nobile Riserva von Carpineto, der Vino Nobile Tenuta Vallocaia 2020 von Bindella und der Vino Nobile 2021 von der Tenuta Poggio alla Sala. Phantastisches Olivenöl boten dazu Le Bertille, Poliziano, Fassati Contucci und Icario, während nicht ohne Grund bei der anschließenden Vin Santo-Verkostung der sensationelle Boscarelli „Occhio di Pernice“ ruckzuck vergriffen. Ihn, wie auch den Vin Santo 2006 der Tenuta Poggio alla Sala, den 2012er von Poliziano oder den Vin Santo von Andrea Contucci, der nun seit zehn Jahren auch Vino Nobile nach Südkorea verkauft, sollten Nobile- wie Vin Santo-Fans im Auge behalten

Großbronzen von Carin Grudda am Weg 

Vorbei an der 3,75 Meter hohen und 4,40 Meter langen Großbronze „Blau Miau“ (2002), an der tatsächlich zwei Jungen ein leeres Fass zum Rollen brachten und so Montepulcianos traditionellen Fasswettlauf im August, den Bravio delle Botti imitierten, dem Bronzehund „Fou“ (2008), dem „Rastenden Narr (2008) und dem „Zerberus“ (2001), die die deutsche Bildhauerin Carin Grudda schuf und die seit 2024 den Garten der Fortezza schmücken, ging es am Morgen des 15.2. zur weiteren Verkostung des Nobile. Start war erneut am Stand des 1962 gegründeten Weingutes Boscarelli, das zudem exklusiv zu einer Vintage-Vertikalen der letzten 20 Jahre einlud. Einfach fabelhaft! 

Ein formidabler „Eselsrücken“

Erstaunlicherweise nicht vertreten war die renommierte Cantina Die, während Fabio Bertocci von der Azienda Agricola Poliziano natürlich perfekte bis herausragende Weine vorstelle, die allerdings auch ihren Preis haben. Ihr neuen Vino Nobile der Extraklasse wie der imposante „Asinone“ („Eselsrücken“) 2021 und der „Le Caggiole“ 2021 liegen bei ca. 50 bis 75 Euro pro 0,75-l-Flasche, während der Supertuscan des Hauses, der großartige IGT Toscana „Le Stanze di Poliziano“ annehmbare 45 Euro ab Hof kostet. 

Faire Preise bei Crociani

Höchst akzeptable Preise (20 bis 25 Euro pro 0,75-l-Flasche) offeriert hingegen die Azienda Agricola Crociani, deren Weinkeller direkt an die Fortezza grenzt. Susanna Crociani präsentierte den Vino Nobile 2022 des Hauses, der 20 Monate in großen Fässern reift, ehe vier Monate auf der Flasche die Marktreife erbringen. Perfekt ist die Nobile Riserva 2021 des Hauses, die 30 Monate im großen Holzfass und sechs Monate in der Flasche ruhte. Und Liebhaber greifen natürlich zu Crocianis Topjahrgang, der Riserva 2020, die perfekt zu Wild, rotem Fleisch und reifem Käse passt. 

Anteprima Le Pievi Verkostung. Foto: Jürgen Sorges
Anteprima Le Pievi Verkostung. Foto: Jürgen Sorges

Kristalle im Bio-Wein

Kurios bis esoterisch sind hingegen die Weine von Luteraia. Winzer Andrea gibt seinen Bioweinen 30.000 Jahre alte Kristalle mit in die Reifung, um synergetische ‚Effekte zu erzielen und so seiner holistischen „Indigo-Philosophie“ zu folgen. Die Resultate, der Nobile di Montepulciano und vor allem der Nobile Riserva sind allerdings top. Es überzeugten die Weine der Tenuta Calimaia (Frescobaldi), von Icario und Carpineto, wo gar ein 1995er Vino Nobile aufgetischt wurde.


Informationen:

Boscarelli: www.poderiboscarelli.com

Carpineto: www.carpineto.com

Contucci: www.contucci.it

Crociani: www.crociani.it

Fassati: www.cantinafassati.it

Frescobaldi/Tenuta Calimaia: www.frescobaldi.com/de/weinguter/tenuta-calimaia

Vecchia Cantina: www.vecchiacantinadimontepulciano.com

Le Berne: www.leberne.it

Vecchia Cantina: www.vecchiacantinadimontepulciano.com

Fotos: Jürgen Sorges

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