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Am Puls der Kunst

Magnet für Kunstinteressierte ist Miami schon seit langem. Es sind die seit Beginn der 2000er Jahre geschaffenen Möglichkeiten für Künstler, die sich beispielsweise durch die Umwandlung des Stadtteils Wynwood ergaben und sie dadurch in der Folge internationale Erfolge feiern konnten. Jeder Künstler der etwas auf sich gibt, nur ansatzweise im Bereich (Street) Art agiert, hat sich hier schon mit einem oder mehreren Werken verewigt.

Art Basel Miami

Aber auch die Art Basel Miami ist mittlerweile ein Zugpferd für die ganze Stadt, ja, für den ganzen Staat Florida geworden. Seit 2002 findet alljährlich im Dezember die vielleicht bedeutendste Kunstmesse Amerikas statt, zu der maximal 200 Galerien nach einem strengen Auswahlverfahren zugelassen werden.
Im Art District Wynwood sind hunderte Street Art Werke an den Häuserwänden zu finden. Foto: Michael Schabacker
Im Art District Wynwood sind hunderte Street Art Werke an den Häuserwänden zu finden. Foto: Michael Schabacker

Alles schön und gut, mag man sich denken. Eine Messe mehr, ein paar Bilder an den Häuserwänden Wynwoods. Doch ganz so ist es eben dann doch nicht. Diese Meilensteine der praktischen und darstellenden Kunst wurden symbiotisch durch den Bau der bildenden Kunst, wie diversen Museen oder Galerien, und durch gestalterische Bühnen bereits seit 1985 wie mit dem Miami City Ballet begleitet beziehungsweise beeinflusst.

Sich in Wynwood und den angrenzenden Vierteln nicht mit Kunst auseinanderzusetzen, erscheint angesichts der Menge an Street Art und diverser Museen fast unmöglich. Wie sehr Wynwood in den letzten 20 Jahren einem Wandel unterlag, ist fast sinnbildlich für Miami und die scheinbar ewig junge und doch so kreative lokale Kunstgemeinde. So verwundert es wenig, dass die Stadt Möglichkeiten schafft, die jenseits des Mainstreams stehen.

Street Art in Wynwood. Foto: Michael Schabacker
Street Art in Wynwood. Foto: Michael Schabacker

Superblue

„Die Kraft der Kunst ist heute mehr denn je gefragt. Deshalb haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, den Stimmen von Künstlern Gehör zu verschaffen, die uns neue Perspektiven auf die Welt um uns herum bieten und die Grenzen dessen, was Kunst sein kann, erweitern“, sagen die Macher hinter dem „Superblue Miami“, einem Museum der ganz besonderen Art.

Was dies bedeutet, dürfte den meisten Besuchern schon bei der Betrachtung des Werkes mit dem Titel „Pulse Topology“ des mexikanisch-kanadischen Künstlers Rafael Lozano-Hemmer klar sein. Gut 3000 Glühbirnen hängen von der Decke herunter, flimmern und leuchten jeweils im Herzschlag der Betrachter. Sensoren nehmen Atem, Stimme, Herzschlag oder Fingerabdrücke auf, schaffen so ein Wechselspiel aus biometrischen Echtzeitdaten mit einer beeindruckenden Illumination.

„Pulse Topology“ des Künstlers Rafael Lozano-Hemmer. Foto: Michael Schabacker
„Pulse Topology“ des Künstlers Rafael Lozano-Hemmer. Foto: Michael Schabacker
Tatsächlich schafft es Lozano-Hemmer, mit seiner Performance-Kunst Groß und Klein zu begeistern. Es ist eine Visualisierung des eigenen Antriebs, ja, der eigenen Stimmung. Wie hier pulsierende Lichter und Klanglandschaften über Wellen visualisiert werden, schafft Nähe zur Kunst, schafft Integration. Durch verschiedene Sensoren und Messpunkte ist dieses Kunstwerk sogar als „Multi-Interaktions-Kunst“ anzusehen. An verschiedenen Punkten der Installation agieren mehrere Personen miteinander. Die „Pulse Topology“ ist wahrlich ein Hingucker.

Spiegellabyrinth „Forest of Us“

Mit „Forest of Us“ von Es Devlin, betritt der Besucher eine „Welt“, die Klang, Licht und Technologie kombiniert. „Forest of Us“ folgt auf Devlins vorherige Installation „Mirror Maze“ von 2016. Für Devlin liegt die nachhaltige Wirkung ihrer Kunstwerke in der Erinnerung des Publikums – und dies wahrhaft eindrucksvoll. Tatsächlich entwickelte die Künstlerin während der Pandemie, als Isolation und Technologieabhängigkeit Alltag waren, ein Spiegellabyrinth. Ein Erkundungsgang zwischen Kollektiv und Individuum – denn das entstandene Labyrinth ist tatsächlich riesig.
Im Spiegellabyrinth „Forest of Us“. Foto: Michael Schabacker
Im Spiegellabyrinth „Forest of Us“. Foto: Michael Schabacker

Ihre Arbeiten stützen sich stets auf Einbeziehung des Publikums in ihre Projekte als Partizipant. Durch ihre Erfahrung bei der Schaffung von Bühnenskulpturen in Zusammenarbeit mit Künstlern wie Beyoncé, Billie Eilish, The Weeknd und Kanye West hat sie viele Kunstwerke bereits international umgesetzt. Heute entwickelt sie ihre Praxis als Künstlerin weiter und beschäftigt sich mit experimentellen Arbeiten, die sich auf KI, Poesie und Erinnerung beziehen.

Fantastische weitere Kunstwerke von Leo Villareal, A. A. Murakami, Jacolby Satterwhite und vieler weiterer Kreativköpfe, machen einen Besuch des „Superblue“ zu einer Pflichtveranstaltung. Und nur wenige Meter entfernt kann es dann schon direkt weitergehen mit einem Besuch des Rubell Museums. Nach der innovativen Kunst im „Superblue“, präsentiert sich das „Rubell“ hingegen eher konservativ.

Diverse interaktive Installationen lassen sich im „Superblue“ entdecken. Foto: Michael Schabacker
Diverse interaktive Installationen lassen sich im „Superblue“ entdecken. Foto: Michael Schabacker

„Narcissus“

Konservativ ist hier aber alles andere als langweilig. Dies sollte den meisten Besuchern schon beim Betreten des Museums klar sein. Denn bereits hier ist eine Installation der japanischen Künstlerin Yoyoi Kusama zu sehen. Bekannt wurde die mittlerweile 95-Jährige durch ihre „Polka Dots“ – und auch im Rubell Museum ist die „Welt der Punkte“ der Japanerin augenscheinlich. 700 versilberte Edelstahlkugeln liegen im Eingangsbereich und spiegeln die Besucher auf jedem Schritt wider.

Der Punkt verhalf der Künstlerin zu internationalem Weltruhm, und auch das Werk mit den spiegelnden Kugeln namens „Narcissus“ wirkt fast wie ein Kaleidoskop. Zwei weitere Werke der inzwischen in einer psychiatrischen Klinik wohnenden Kusama sind im Rubell zu entdecken. „Wohin die Lichter in meinem Herzen gehen“ von 2016 und „Infinity Mirrored Room – Let`s Survive Forever“ (2017) fesseln nicht minder.

„Narcissus“ von Yoyoi Kusama. Foto: Michael Schabacker
„Narcissus“ von Yoyoi Kusama. Foto: Michael Schabacker

Das Museum der Rubell-Familie steht für ausgesuchte Kunstwerke aus den Bereichen Installation, Skulptur, Malerei und Arbeiten auf Papier. Und für Freunde der Kunst von Keith Haring gibt es hier gleich sieben Werke zu entdecken. Blickfang ist sicher ein Acryl auf Vinylplane in riesiger Dimension. Oder aber auch ein Kunstwerk aus Acryl und Emaille auf Fieberglas mit Schwarzlicht („Freiheitsstatue“ von 1982).

Auch Jean-Michel Basquiat ist mit zwei Werken vertreten. Seine farbenfrohe Kunst „Eine Million Yen“ von 1982 und das Gemälde „Vogel auf Geld“ (1981), ein Acryl- und Ölgemälde auf Leinwand, lassen verharren und die zunächst konfus erscheinenden Farben und Geometrien nur langsam ordnen. Mit Anselm Kiefer ist auch deutscher Künstler im Museum mit seinen Werken zu entdecken. Neben „Die Wege der Weisheit: die Hermanns Schlacht“ (1998) ist auch ein über die zweite Dimension hinausgehendes Werk zu sehen. Kohle, Stühle, Äste und Gips sind hier auf einer Leinwand „installiert“.

Werk von Anselm Kiefer: Kohle, Stühle, Äste und Gips auf Leinwand. Foto: Michael Schabacker
Werk von Anselm Kiefer: Kohle, Stühle, Äste und Gips auf Leinwand. Foto: Michael Schabacker

Viele weitere Künstler füllen diverse Räume im Museum mit ihren teils kontroversen als auch fesselnden Kunstwerken an den verschiedenen Wänden oder sind inmitten der Räume als Skulpturen zu sehen. Thomas Zipp, Andro Wekua, Sterling Ruby, Rick Prol oder auch Cady Noland sind nur einige von ihnen. Die gesamte Sammlung der Rubell-Familie umfasst mittlerweile 7700 Werke von Künstlern aus der ganzen Welt. Rubell: Eine absolute Empfehlung!


Informationen:

Superblue: www.superblue.com

Rubell: www.rubellmuseum.org

Fotos: Michael Schabacker

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