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Wroclaw: Rund um Jahrhunderthalle und Iglica (Teil 1)

Wroclaw (Breslau) hat seine „Iglica“, „die „Nadel“! Dies Metall-Ungetüm entstand schon 1948 nach Plänen des Ingenieurs Stanislaw Hempel, war ursprünglich 106 m hoch, wurde indes 1964 auf 90 m gestutzt und dann 2016 aufwendig saniert. Dazu legte man die Nadel kurzerhand einfach um und richtete sie dann mit Kränen wieder auf!

Überhaupt hatte dies Wahrzeichen der schlesischen Metropole, es steht vis-a-vis des noch berühmteren Hauptwahrzeichens, der Jahrhunderthalle von 1913, einen ungünstigen Start in seine Denkmalexistenz. Errichtet wurde die „Nadel“ zur „Ausstellung der wiedergewonnenen Gebiete“, die vom 21.7. bis zum 31.10.1948 in der Jahrhunderthalle stattfand. Gemeint war die nach dem Zweiten Weltkrieg vollzogene Verschiebung Polens gen Westen. Dazu wurde in Polen eigens ein Ministerium für die wiedergewonnenen Gebiete mit Sitz in Wroclaw/Breslau eingerichtet, das später nach Lodz umzog. Die Ausstellung zog zwar damals über zwei Millionen Besucher an, machte aber dennoch ein sattes Minus.

Die gigantischen Kosten dieser durchaus auch propagandistischen Schau in Höhe von 715 Millionen Zloty wurden nur zu einem Drittel gedeckt. Am 20.7.1948, dem Tag vor der Eröffnung, zerstörte ein Unwetter die auf der Nadel installierten Spiegel, die durch Anstrahlen Lichteffekte erzeugen sollten. Erst im Oktober 1948 kletterten zwei Studenten hinauf und entfernten die Reste. Und unter keinem guten Stern stand auch der 4. Weltkongress der Intellektuellen für Frieden, der im Rahmen dieser Ausstellung vom 25.8. bis zum 28.8.1948 in der Jahrhunderthalle stattfand. Angereist waren 400 Delegierte aus 46 Ländern, Literaten, Künstler, Wissenschaftler, darunter Bertold Brecht, Anna Seghers, Pablo Picasso, Irene Joliot-Curie, Jorge Amado oder Michail Szolochow.

Doch es kam zum Eklat, als der sowjetische Schriftsteller Alexander Fadejew die USA und die „dekadente“ Kunst des Westens attackierte. Zahllose Delegierte reisten empört ab. Wie es nach dem Zweiten Weltkrieg indes um die Kunst in Polen bestellt war, zeigt die permanente Ausstellung im hier 2016 eröffneten Museum für zeitgenössische Kunst im berühmten dritten Prunkstück am Platz, dem Vier-Kuppel-Pavillon. 1911 bis 1913 von Stararchitekt Hans Poelzig erbaut, ist er wie die Jahrhunderthalle seit 2006 Teil des UNESCO-Weltkulturerbes. Ursprünglich befand sich in seinem Innenhof ein Pallas-Athene-Brunnen, den Poelzig mit Bildhauer Robert Bednorz geschaffen hatte. Heute ist dieser Innenhof dank einer schönen, lichtdurchflutete moderne Stahl-Glas-Konstruktion überdacht, der Brunnen wohl perdu.

Jahrhunderthalle Wystawowa. Foto: Jürgen Sorges
Jahrhunderthalle Wystawowa. Foto: Jürgen Sorges

Poelzig würde dies wohl nicht stören. Denn zur Eröffnung von Jahrhunderthalle und Pavillon am 31.5.1913 war er nicht geladen. Dies war ein Eklat, ebenso wie das von Max Reinhardt in der Halle inszenierte Festspiel in deutschen Reimen, verfasst von Gerhart Hauptmann, das Kritik am Krieg beinhaltete und den angereisten Kronprinzen eher nicht amüsierte. Umso mehr dürfte der Gesang des 600 Stimmen starken Chores imponiert haben. Denn die beiden Bauwerke waren Teil der als jubelfier geplanten Jahrhundertfeier, für die eigens in den großen Breslauer Stadtpark, den großen Stadtpark, den Scheitniger Park (heute Szczytinicki Park), der Jahrhundertpark hineingeplant worden war.

Anlass für den Bau dieses neuen Messegeländes war der Aufruf „An Mein Volk“, den Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. im Jahr 1813 von seiner königlichen Residenz in Breslau aus herausgegeben hatte. Die Jahrhundertfeier erinnerte so an die preußischen Befreiungskriege gegen Napoleon, die 1813 zudem in der Völkerschlacht bei Leipzig kulminiert waren. Nur einen Rest, wenn auch das einstige Hauptgebäude, dieses Breslauer Königsschlosses ist bis heute an Wroclaws Platz der Freiheit, dem einstigen Schlossplatz zu bewundern. In dieser Architekturikone Wroclaws, heute museal genutzt, hatte der Preußenkönig 1813 beim gleichen Anlass auch die Schaffung des Eisernen Kreuzes verkündet…


Informationen:

Polnisches Fremdenverkehrsamt, www.polen.travel 

Visit Wroclaw (Breslau), https://visitwroclaw.eu/de

Fotos: Jürgen Sorges

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