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À la Siciliana

Ende November geht auch auf Sizilien die Sonne früh unter. Gegen 16 Uhr machen sich die Gäste des Adler-Resorts deshalb auf zum Thalasso-Pool, der in dem weitläufigen, parkähnlichen Areal den besten Meerblick bietet. In ihren Bademänteln und den Kapuzen über den Köpfen erinnern sie an einen Aufmarsch des Ku-Klux-Klans. Doch kurze Zeit später sitzen sie in Badehose und Bikini in dem bieselwarmen Infinity-Pool und sehen dem sich verfärbenden Feuerball beim Untergehen zu. Sind die Italiener in der Mehrheit, geht es laut zu. Haben die Gäste von der Alpen-Nordseite den Pool im Griff, herrscht andächtige Stille. 

Als es vollkommen dunkel ist, schieben sich Lichterketten ins Blickfeld. Es sind die Boote der Fischer, die weit draußen im Meer ihre Netze auswerfen. In der Morgendämmerung kehren sie von ihren nächtlichen Fangzügen in den Hafen von Sciacca zurück, wo an den Kais reges Treiben herrscht, wenn Blauflossentune, Tintenfische, Schwertfische und Krustentiere entladen, sortiert und versteigert werden, damit die Delikatessen so schnell wie möglich auf die Teller kommen. 

Auch Giuseppe Schimmenti, der Chefkoch des Adler Resorts, mischt sich dann unter die Käufer. Jeden Donnerstag gehört er sogar zu den Power-Shoppern. Denn dann ist im Resort Pescaria-Abend: Sein 30-köpfiges Team präsentiert die Schätze des Ozeans auf gestoßenem Eis wie in einer der besten Fischhandlungen Palermos. 

Chefkoch Giuseppe Schimmenti. Foto: Alex Filz
Chefkoch Giuseppe Schimmenti. Foto: Alex Filz

Vendetta und Cosa Nostra

Im Juli 2022 ging an der ruhigen Südwestküste Siziliens unweit von Agrigent das Adler Spa Resort Sicilia an den Start. Es war der neueste Streich der Hoteliers-Familie Sanoner aus dem Südtiroler Grödnertal, die inzwischen sieben Lodges und Resorts betreibt. Bis dato hatten sich die Sanoners in die Toskana vorgewagt. Sizilien, der Mezzogiorno, der arme Süden Italiens, wo Vendetta und Cosa Nostra regieren, wo Männer mit dunklen Sonnenbrillen noch dunklere Geschäfte machen, war für die Südtiroler Neuland. 

Doch sie hatten einen perfekten Standort für ihr Resort entdeckt: eingebettet in das Naturschutzgebiet Riserva Torre Salsa, direkt am Meer mit einer spektakulären Aussicht und einem sieben Kilometer langen Sandstrand, an dem es selbst im Hochsommer ruhig zugeht. Es dauerte, bis alle Umweltauflagen erfüllt und die bürokratischen Hürden übersprungen waren, doch es hat sich gelohnt: Das Resort ist ohne Übertreibung ein Schmuckstück geworden, eines der besten Häuser der ganzen Insel, das sogar im November ausgebucht ist, wenn fast alle anderen Herbergen auf Sizilien längst geschlossen haben.

Das liegt, erstens, an der besonderen Lage auf einem 80 Meter hohen Plateau über der Küste, das in einen nach Macchia-Kräutern und Zitrusfrüchte duftenden Park verwandelt wurde; zum zweiten an der gelungenen Architektur, einem mediterranen Minimalismus; zum dritten an den Spa-Angeboten mit vielerlei Massagen und Anwendungen; zum vierten an den geschickt arrangierten; zum fünften an den Panorama-Saunen; zum sechsten an den kulturellen Highlights wie dem Tal der Tempel unweit Agrigent; zum siebten an den zahlreichen Aktivitäten, die das Resort täglich ohne Extrakosten anbietet; zum achten an dem Fitness-Raum, der größer ist als so manches Studio; zum neunten an der Lage im Südwesten der Insel, wo dramatische Sonnenuntergänge garantiert sind und zum zehnten an den motivierten Mitarbeitern.

Perfekte Aussicht vom Thalasso Pool. Foto: Alex Filz
Perfekte Aussicht vom Thalasso Pool. Foto: Alex Filz

Gewürze aus dem Orient

Bei dieser Aufzählung merkt man förmlich, wie Chefkoch Giuseppe Schimmenti allmählich nervös wird und auf seinem Stuhl herumrutscht. Müsste er nicht ganz oben in der Hitliste auftauchen? Oh ja, das muss er. Unbedingt. Hotelküche kann furchtbar langweilig sein, auch in Luxusherbergen. Giuseppe sorgt dafür, dass es im Adler Sicilia anders ist, besser. Er wuchs in Villabate nahe Palermo auf und stammt, wie gesagt, aus einer Familie, die immer schon mit Fisch zu tun hatte. Der Ex-Boxer und U2-Fan wusste bereits mit zwölf Jahren, dass er Koch werden will und machte die Schulküche unsicher; mit 14 dann Lehre, gefolgt von einem Giro über die Insel in mehreren Vier- und Fünfsterne-Hotels. 

Sein Anspruch: den Gästen jeden Tag ein Stück authentisches Sizilien auf den Teller zu bringen. Das fängt beim Frühstück an. In der Umgebung des Resorts gedeihen die berühmten Ribera-Orangen, Dutzende Sorten Zitronen, Pistazien, Mandeln und Feigen, aber auch der tropischen Götterfrucht Kaki gefällt es hier. Natürlich finden sich diese Leckereien frisch am Büffet und als Smoothies. 

Zu großer Form laufen Giuseppe und seine ausschließlich aus Insulanern rekrutierte Brigade jedoch am Abend auf. Dann wird klar, dass Siziliens Küche von den Völkern geprägt ist, die in der Vergangenheit hier mal „Ciao!“ sagten: Griechen, Araber, Normannen, Franzosen, Spanier – sie alle haben Spuren hinterlassen. Die Griechen brachten Mandeln, Honig, Oliven und modernisierten den Weinbau, die Araber steuerten Gewürze aus dem Orient und das Know-how für die Pasta-Herstellung bei, die Spanier Tomaten, Peperoni und Kakao. Stundenlang kann man mit Giuseppe über diese multikulturell-mediterrane Küche fachsimpeln. Er schwärmt dann von den Slow-Food-Förderkreisen, die er so oft wie möglich persönlich besucht: Nebrodi-Ferkel, schwarze Bienen, Villalbe-Linsen, Girgentana-Ziege und Perciasacchi-Getreide.

Kulinarik im Adler Spa Resort Sicilia. Foto: Alex Filz
Kulinarik im Adler Spa Resort Sicilia. Foto: Alex Filz

Creme aus Piacentinu Ennese

Apropos Getreide: Alten Sorten eine Bühne zu bieten, ist für Giuseppe im Wortsinn „Ährensache“. „Bis zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts wurden in Sizilien mindestens 50 verschiedene Sorten Urgetreide angebaut“, erklärt er. „Ein unschätzbarer biologischer Reichtum, der zu verschwinden drohte, um modernen Arten Platz zu machen, die ertragreicher sind. Aber die Zeiten ändern sich, heute sind die alten Körner wieder gefragt.“ Die Hartweizensorte Senatore Cappelli zum Beispiel wächst gleich neben dem Naturschutzgebiet Torre Salsa. Sie wird nach alter Tradition in einer Steinmühle gemahlen. Dabei handelt es sich um ein besonders eiweißreiches Getreide mit intensivem Geschmack, das in Form frischer Pasta am besten zur Geltung kommt. 

Für Brot, Focaccia, Pizza und anderes Gebäck verwendet Giuseppe hingegen eine Mehlmischung aus alten autochthonen Sorten, die nahe der Küste und im hügeligen Hinterland gedeihen und von Paolo Santalucia, dem Capo der alten Mühle von Siculiana, mit größter Sorgfalt sortiert werden.

Fragt man den Küchenchef nach der für Sizilien am typischsten Speise, antwortet er ohne Zögern: Arancini, frittierte und gefüllte Reisbällchen. Sein Favorit ist eine Füllung aus Rotbarben-Ragout, Tinte vom Oktopus und einer Creme aus Piacentinu Ennese, einem Schafskäse in Zylinderform mit Safran und schwarzem Pfeffer. Natürlich dürfen diese Leckereien nicht fehlen, wenn jeden Donnerstag Pescaria-Abend ist und Sashimi vom Blauflossentun, Seeigel und Sardinen auf Beccafico-Art ihren Auftritt haben. Manchmal lässt er die pikanten Kugeln aber auch beim sizilianischen Abend auftragen, flankiert von unzähligen anderen Insel-Spezialitäten wie Panelle, Caponata und Pasta con le sarde: „Unbedingt mit in kurze Stücke zerbrochenen Bucatini vermischen“, befiehlt Giuseppe.

Perfektion auf dem Teller: Meeresfrüchte im Fokus. Foto: Alex Filz
Perfektion auf dem Teller: Meeresfrüchte im Fokus. Foto: Alex Filz

Ein Mix aus Buffet und à-la-carte-Gerichten sorgt jeden Abend dafür, dass alle Gäste für ihren Geschmack etwas Passendes finden. Die Sommeliers helfen bei der Weinauswahl und empfehlen zum Beispiel die Tropfen der Partner-Kellerei Donnafugata, entkorken aber natürlich auch Cool-Climate-Weine aus autochthonen Rebsorten von den Hängen des Ätna, zum Beispiel von Topwinzer Benanti. Nicht selten fragen die Gäste – auch diejenigen aus Norditalien – nach typisch sizilianischen Rezepten. 

Giuseppe weiß natürlich, dass vieles, was bei seinem Team spielerisch aussieht, sich zuhause nicht so einfach nachkochen lässt. Er empfiehlt dann Pasta alla Norma mit Ricotta und Auberginen: „Schmeckt fantastico, kriegt jeder hin“.

 

Informationen:

Adler Spa Resort Sicilia: www.adler-resorts.com

Fotos: Jona Salcher, Alex Filz

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