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Exzellenz im Valdichiana (Teil 1): Die weißen Riesen von La Fratta!

Denn diese berühmte antike Verbindungsstraße zwischen Florenz am Arno und der Metropole am Tiber führte einst direkt an der Tenuta la Fratta vorbei. Einheimische nannten diesen zum Landgut La Fratta führenden, einst von römischen Soldatenstiefel und schweren Lastkarren malträtierten Straßenabschnitt entlang des Wildbachs Doccia daher passend „la via a Roma“, den Weg nach Rom. Und auch jetzt noch zieht sich dieser heutige Anfahrtsweg zum Hauptsitz des uralten Gutes über Kilometer hin. Es ist eine prächtige Alleestraße, an dessen Ende sich erst einmal linkerhand einige Sieneser Gürtelschweine, Lieferanten des berühmten Schinkens der Cinta Senese, fröhlich grunzend auf einer Wiese suhlen.

Allerdings sind sie für die Betreiber von La Fratta hier nur eine besondere Art von Dekoration. Denn gezüchtet werden die schmackhaften Schwergewichte nicht hier, sondern etwas weiter nördlich auf einem weiteren Gutsgehöft, das ausgerechnet nahe Florenz liegt. La Fratta aber hat sich ganz und gar der Zucht und Vermarktung des berühmten Chianina-Rindes verschrieben. Bevor wir aber nun direkt zu den Stallungen und Weiden dieser größten aller Rinderrassen aufbrechen, die zudem Toplieferanten der echten Bistecca Fiorentina sind, treffen wir an den prächtig restaurierten Ziegelsteinmauern des Gutes La Fratta auf Claudio Corsoni vom Gut La Fratta und Filippo Giani Contini, der mit einigen weiteren Besuchern vom örtlichen Tourismusverein Pro Loco Sinalunga dazu gekommen ist.

Und natürlich hat Filippo Giani Corsini auch eine kurze historische Einleitung parat, die die besondere Bedeutung dieses Gutes illustriert, das seit Jahrzehnten mit einem Aufwand deutlich im zweistelligen Euro-Millionenberiech restauriert wurde und heute eine Glanznummer im toskanischen Sektor des Agriturismo, der Ferien auf dem sogenannten „Bauernhof“ darstellt. Dabei ist Bauernhof natürlich deutlich untertrieben. Denn La Fratta ist ein Riesenlandgut mit Riesengehöft und uraltem Baumbestand: Die zu Ferienzimmern und Wohnungen umgebauten Stallungen, historischen Werkstätten und Getreidespeicher bieten heute mühelos Platz für über 100 Gäste.

Die Stallungen. Foto: Ellen Spielmann
Die Stallungen. Foto: Ellen Spielmann

Und wenn nicht gerade Covid-19 dazwischenfunkt, kümmern sich gleich zwei Etablissements, das Ristorante La Toraia (Do, Fr 19.45 – 24.00, Sa, So 12.45 – 14.00, 19.45 – 22.30 Uhr) und die L`Osteria della Fratta glänzend um das kulinarische Wohl ihrer Besucher. Doch La Fratta ist natürlich noch mehr als „nur“ ein Agriturismo. Hier arbeitet eine richtige Fattoria, ein betriebsames Landgut, historisch sogar eines der Mustergüter der Toskana, auf dem bis heute mindestens 500 Chianina-Rinder aufgezogen werden.

Überhaupt kann La Fratta mit vielen Superlativen aufwarten: Das Gut existiert seit 1208, mindestens! Die heutigen Gebäude entstanden indes ab 1500. Älter dürften indes die Grundmauern des bis heute privat bewohnten Herrenhauses sein. Älter noch sind sicher der nahe dem gewaltigen Renaissancekasten im Hof angelegte kostbare Brunnen und die schräg gegenüber erbaute Gutskapelle sein. Älteste Aufzeichnungen sprechen hier von einer Kapelle, in der täglich (!) die Messe gelesen wurde, schon um 1320. Und in ihrem Inneren dürfen sich Besucher an drei fantastischen, 1530 entstandenen Fresken von Sodoma erfreuen. Und nicht genug damit: Da die Gesamtanlage nun so viele neue Reize bietet, wurden hier auch im März und April 2019 Szenen für die neueste Pinocchio-Verfilmung mit Superstar Roberto Benigni gedreht.

Die Hauptbedeutung erlangte das Gut indes im Jahr 1934, als La Fratta offiziell Aufnahme in das genealogische Buch der Razza Chianina, der Rasse der Chianina-Rinder fand. Seither ist es somit zum Vorzeigezuchtgut für diese Rasse geworden, deren Wiedererweckung einem Prof. Ezio Marchi zu verdanken ist. Der hatte durch Selektion erstmals dafür gesorgt, diesem uralten „weißen Riesen aus dem Valdichiana“ wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Ihm folgte bis 1927 Professor Giuliani von der Uni Florenz, der durch genotypische Verfahren die Kriterien für ein echtes Chianina-Rind festlegte.

Ein Chianina-Rind. Foto: Ellen Spielmann
Ein Chianina-Rind. Foto: Ellen Spielmann

Und dann kam natürlich zügig La Fratta ins Spiel, das sich bereits zuvor als mustergültiger Landwirtschaftsbetrieb etabliert hatte und nun die Chianina-Zucht anvertraut bekam. Besucher von La Fratta können daher heute nicht nur auf eine Pinocchio-Tour gehen, um die Film-Locations zu besichtigen. Man kann auch die Stallungen dieser mächtigen Rinder besuchen. Zumindest aus einiger Entfernung, denn Covid-19 macht natürlich auch auf einem Landgut weitere Hygienevorschriften unumgänglich. Aber auch aus einer Entfernung von 30 Metern ist das Spektakel dieser Riesenrinder einmalig, die eine Widerristhöhe von über 2 m erreichen können. 2007 errichte der Ochse „Fiorino“ eine Widerristhöhe von 2,05 m, ein Koloss war auch der Ochse „Donetto“, der schon 1955 ein Superschwergewicht von 1740 kg auf die Waage brachte. Das Chianina-Rind ist eben die größte Rinderrasse der Welt, schon seit den Etruskern bekannt wie gezüchtet, diente jahrhundertelang auch als Zugtier und ist somit ein ureigenes Symbol der Toskana schlechthin. Und natürlich kann man im Ristorante von la Fratta später am Abend auch eine wirkliche authentische Bistecca fiorentina genießen. Vorher gut abgehangen sollte das Prachtsteak natürlich sein. Bei der echten Bistecca fiorentina sind dies mindestens 15 Tage!


Information:

Ufficio Turistico Pro Loco Sinalunga, www.ufficioturisticosinalunga.orgwww.facebook.com/proloco.sinalunga/ 

Strada del Vino Nobile di Montepulciano e dei sapori della Valdichiana Senese, www.stradavinonobile.it 

Toscana Promozione Turistica, www.visittuscany.com

Tour Guides/Agenturen:

Valdichiana Living, www.valdichianaliving.it/en 

Übernachten/Essen und Trinken:

Tenuta La Fratta/Locanda della Fratta, www.tenutalafratta.it 

Fotos: Ellen Spielmann

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