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Mit dem Bike Wine Ambassador durch Südtirol

Südtirol ist das nördlichste italienische Weinbaugebiet. Rund 300 Sonnentage mit knapp 2000 Sonnenstunden im Jahr lassen die 20 unterschiedlichen Rebsorten wachsen und gedeihen. Die wichtigsten sind Pinot Grigio, Chardonnay, Weißburgunder und der immer beliebtere Sauvignon Blanc. Bei den Rotweinen dominieren neben der autochthonen Leitsorte der Region, dem Vernatsch, Pinot Noir und Lagrein. Rund 5000 Winzerbetriebe teilen sich die Anbaufläche von 5700 Hektar und erzeugen insgesamt 40 Millionen Flaschen Wein.

Mit seinem Anteil von nur 0,7 Prozent an der Rebfläche Italiens ist Alto Adige rein quantitativ betrachtet ein Zwerg. Mit Blick auf die Qualität braucht sich die Provinz indes nicht zu verstecken. Die kleine und feine Weinbautradition bringt bisweilen höchste Qualität hervor.

„Alles hat hier schon mehr Kraft und Leben … und man glaubt wieder einmal an Gott“, jubelte Johann Wolfgang von Goethe, als er 1786 Südtirol erreichte. Auch knapp ein Vierteljahrtausend später möchte man dem Geheimrat beipflichten. Ob Kulinarik, Architektur, der Überfluss an natürlicher Schönheit oder eben der Weinbau: Die Region besticht durch maximale Vielfalt und zählt nicht ohne Grund zu den beliebtesten Destinationen der Deutschen.

Vier Raritäten aus dem Ansitz Waldgries. Foto: Christian Euler
Vier Raritäten aus dem Ansitz Waldgries. Foto: Christian Euler

Besonders reizvoll ist es, die von Weinreben gesäumte Landschaft auf dem Fahrrad zu erkunden – vorzugsweise mit einem speziell geschulten Genussbotschafter. Die sogenannten Bike Wine Ambassadors sind leidenschaftliche Weinliebhaber und erfahrene Fahrrad-Guides, die Besuchern die vielfältige Weinregion Südtirols näherbringen. Jede Tour wird an die individuellen Vorlieben der Gäste angepasst. Das Programm ist eine Initiative des Südtiroler Weinkonsortiums und des Südtiroler Bikeguide Vereins.

Hochkaräter in St. Magdalena

Einer von ihnen ist Bike Wine Ambassador Hannes Silbernagl. Der leidenschaftliche Radler absolvierte 2015 die Ausbildung zum Südtiroler Mountainbike-Guide und gründete ein Jahr später seine Fahrradschule „Bikeacademy Lana“. Mit seiner sympathisch-zurückhaltenden Art nimmt uns der Co-Autor des Radführers „Offizielle E-Bike-Touren im Vinschgau“ mit in die Südtiroler Weinwelt. Gut, dass die Velos elektrisch unterstützt sind, denn teils geht es steil bergauf – wir wollen die feinen Rebsäfte ja in einem möglichst entspannten Zustand goutieren.

Zum Beispiel im keine zwei Kilometer vom Bozener Stadtzentrum entfernten St. Magdalena. Dort haben sich hoch motivierte Nachwuchs-Winzer auf die Fahnen geschrieben, die Tradition ihrer Väter weiterzuentwickeln. Christian Plattner vom Ansitz Waldgries etwa, dessen Großvater im Jahr 1930 das aus dem 13. Jahrhundert stammende Anwesen erwarb. Gut durchlüftete Moränenschuttböden aus Porphyr- und Dolomitgestein bilden die Basis für hochkarätige Weine. Die Weinberge umfassen sechs Hektar Rebfläche, geprägt von den regionstypischen roten Rebsorten Vernatsch und Lagrein. Hinzu kommen exzellente Sauvignon Blanc und Weissburgunder. Ein guter Einblick in das Schaffen Plattners, nebst Verkostung seiner Weine, lässt sich auf dem künstlerisch gestalteten Weinweg inmitten der Rebberge St. Magdalenas gewinnen.

Blick auf den Kalterer See. Foto: Christian Euler
Blick auf den Kalterer See. Foto: Christian Euler

Der Abschied fällt schwer, doch wir wollen weiter nach Eppan an die Südtiroler Weinstraße. Zu den Pionieren in Sachen Weißwein zählt Hans Terzer, Spiritus Rector der Kellerei St. Michael-Eppan. Der Weinmacher hat den 1907 gegründeten Betrieb zu einem der renommiertesten Weinunternehmen Italiens gemacht und als „Mr. Sauvignon“ an der Geschichte dieser Rebsorte mitgeschrieben. „Qualität kennt keine Kompromisse“, lautet sein Motto – und es ist keine hohle Phrase. „Hans Terzer ist eine visionäre Urgewalt“ schrieb der Gault&Millau Südtirol und kürte ihn zur „Weinpersönlichkeit des Jahres 2023“.

(Zu) kurze Auszeit an den Montiggler Seen

2008 bündelte die Kellerei St. Michael-Eppan ihre Kräfte mit der 1893 gegründeten und damit ältesten Genossenschaftskellerei Südtirols, der Cantina Andrian. Die Erfolgsgaranten sind Kellermeister Klaus Gasser und der für die Positionierung der Marke verantwortliche Vertriebschef Rudi Kofler. Der Gault&Millau adelt das Duo als „wohl erfolgreichstes Dreamteam in der Südtiroler Weingeschichte“.

„Rudi Kofler, ausgestattet mit einem einzigartigen sensorischen Feingefühl, justiert Jahr für Jahr seine Grande Cuvée Promo mit etwas mehr Chardonnay und hat damit dieser Terlaner Kreation einen Stammplatz im Olymp der weltweit feinsten Weißweine gesichert“, schreiben die Autoren. „Klaus Gasser, ausgestattet mit einem unbändigen Willen und mit schierer Kraft im Streben nach höchster Qualität, ist der kongeniale Partner.“

Nach einer beeindruckenden Weinprobe fahren wir weiter. Es ist nur eine knappe halbe Stunde, garniert mit immerhin 300 Höhenmetern, hinauf zu den Montiggler Seen. Umrahmt von grünen Mischwäldern, glitzert ihr sattes Blau in der malerischen Landschaft. Der Große Montiggler See mit deiner Uferlinie von etwas mehr als zwei Kilometern zählt zu den beliebtesten Naturbadeseen Südtirols. Am westlichen Ufer locken ein großzügig angelegter Badesteg aus Holz und – gänzlich unerwartet – ein Freibad

Stahltanks in der Kellerei Andrian Terlan. Foto: Christian Euler
Stahltanks in der Kellerei Andrian Terlan. Foto: Christian Euler

Im Geiste der Grande Dame

Nach einem kurzen Sprung ins kühle Nass stimmt uns Weinlotse Hannes auf die nächste Station ein. Vorbei am Kalterer See, dem wärmsten See Südtirols, führt uns der nächste Streckenabschnitt wieder zurück an die Weinstraße nach Tramin. Das Örtchen mit seinen rund 3400 Einwohnern hat dem Gewürztraminer seinen Namen gegeben. Wir machen Station beim Weingut Elena Walch, einem weiteren Aushängeschild italienischer Weinproduktion. Seit 2015 führen dort Karoline und Julia in mittlerweile fünfter Generation die Regie.

Mutter Elena, die Grande Dame des Südtiroler Weins, kann es zwar nicht lassen, ihren Töchtern über die Schulter zu schauen. Sie lässt sie aber unabhängig schalten und walten. Das Ergebnis kann sich schmecken lassen. Karoline und Julia haben den innovativen Geist der charismatischen Namensgeberin vermutlich mit der Muttermilch aufgesogen. Auf dem bereits Erreichten auszuruhen käme für sie nie infrage. Vor allem ihre Einzellagen wie der Vigna Castel Ringsberg Chardonnay Riserva oder der Vigna Kastelaz Merlot Riserva sorgen weiterhin für Aufsehen.

Unsere Route endet knapp sieben Kilometer weiter südlich in Entiklar beim Weingut Tiefenbrunner. Christof Tiefenbrunner ist ein Verfechter der sogenannten Vigna-Philosophie nach burgundischem Vorbild. Auf dem höchstgelegenen Müller-Thurgau-Weinberg Europas entsteht der mineralisch-würzige Müller-Thurgau Feldmarschall von Fenner. Die südliche Hanglage und der Schutz vor Nordwind durch den Felsen werden geschmacklich in den kräftig-frischen Aromen des Weins deutlich. Zu den Aushängeschildern des Weingutes zählen der Vigna Au Riserva Chardonnay und der Toren Riserva Caberet Sauvignon.

Bike Wine Ambassador Hannes Silbernagl. Foto: Christian Euler
Bike Wine Ambassador Hannes Silbernagl. Foto: Christian Euler

Nicht nur Fahrrad-Aficionados genießen diese Weine im gutseigenen Bistro zusammen mit einer herzhaften Südtiroler Brotzeit direkt vor Ort. Angenehmer könnte unsere Bike & Wine-Tour kaum enden – zumal wir uns nun gelassen dem bacchantischen Gelage hingeben können. Die Rückfahrt nach Bozen findet nämlich im Bus statt.

Fotos: Christian Euler

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