Lucca, die wunderschöne toskanische Stadt im Arnotal, ist der Geburtsort Giacomo Puccinis (1858-1924). Der große Maestro italienischer Opern wie „La Bohème“, „Turandot“, „Madame Butterfly“ oder auch „Tosca“, lebte bis 1880 in seinem Geburtshaus im Herzen der Stadt, das 1979 zum Museum wurde. Luccas legendärer Reichtum, der sich bis heute in der Stadtarchitektur, der alten Stadtmauer, historischen Plätzen, der Piazza dell´ Anfiteatro (Amphitheater), dem Dom von Lucca, San Martino, mit dem berühmten Volto Santo (Marmortempel mit Holzkruzifix), aber auch Kultur und Lebensweise manifestiert, gründete sich auf Handel vor allem mit Seide.
Giacomo Puccini stammt aus einer traditionellen Musikerfamilie, so studierte er trotz des frühen Todes des Vaters am Konservatorium und spielte Orgel in Luccas Kirchen. Als junger Organist empörte Giacomo die Messebesucher hin und wieder, wenn er von der Liturgie abwich und plötzlich profane Melodien spielte. Legendärer noch ist eine andere Anekdote, die berichtet Giacomo habe Orgelpfeifen ausgebaut und sie versetzt um sich Zigaretten zu kaufen und Mädchen einzuladen.
Mit 22 Jahren erhielt der begabte Musiker ein Stipendium von Königin Margarethe von Savoy um am Mailänder Guiseppe Verdi Konservatorium Komposition zu studieren. Als junger Bohèmien lernte er den Musikverleger Giulio Ricordi kennen, der ihm zur Karriere verhalf. Puccini kehrte nach drei Jahren in seine Heimat Lucca zurück. In der Casa di Puccini, dem Puccini Museum in Lucca, das 2011 vollständig restauriert wurde, lebt der Geist der Kindheit und Jugend auf, aber auch wichtige Schaffensjahre. Originalmöbel wie der wunderbare Steinway & Sons Flügel auf dem er Turandot komponierte, Portrait- und Landschaftsgemälden sind hier zu sehen und das Dachstübchen zu begehen, wo das Genie Ideen für seine Kompositionen ersann.
Fotografien, Büsten, Opernkostümen, Noten, der „Libretti-Entwurf von Tosca“, Briefe bezeugen und veranschaulichen Leben, Arbeit und Persönlichkeit des Künstlers. Die Fondazione Giacomo Puccini Lucca, die das Museum betreibt, zeigt den aktuellen Stand der Forschung. So ist seit kurzem im „Raum der Korrespondenz“ Puccinis Briefwechsel mit dem italienischen Dichter Gabrielle D´Annunzio ausgestellt, der vor wenigen Jahren auf dem Markt für ca. 3000 € erworben wurde. Er gibt Auskunft über ein gemeinsames Opernprojekt, das aber letztlich nicht zustande kam. Natürlich gibt es im modernen Museum-Shop am Puccini-Platz vis-a-vis, den eine Statue des Arien- und Opernmaestros schmückt, Puccini-Devotionalien jeder Art.
Puccini authentisch erleben
Traditionelle Produkte der lucchesischen Küche locken jährlich eine gute Million Besucher an. Im Sommer wie im Winter organisiert die Luccheser Handelskammer spezielle Veranstaltungen für Gourmets. In der schönen Loggia des Pretorio Palasts werden typische Produkte der Region ausgestellt und wunderbare Olivenöle, Weine, alles geschützte Produkte aus kontrolliertem Anbau verköstigt. Dazu spielte die lucchesische junge Cellistin Fabia Simini, Studentin des örtlichen Virtuoso & Belcanto Sommerfestivals Bach and Ennio Morricone.
Aus der Ebene von Lucca, deren Hintergrund die Bergwelt der Garfagnana bildet, fährt man durch das Serchio-Tal, eine schöne Kulturlandschaft, Farmland mit Agriturismo und Fattorien in Richtung Viareggio nach Torre del Lago. Hier am Massaciuccoli-See verlebte der Maestro ab 1891 die Sommermonate und komponierte seine berühmten Meisteropern. Auf den Spuren Puccinis entdecken Besucher bei einer Bootsfahrt über den See und seine Schilfbewachsenen Seitenarme Naturlandschaften, Jagdgefilde, Fischerei, romantische Stimmung und in der ehemaligen Puccini-Villa, dem heutigen Museum mit „Jagdwaffenraum“, „Garage“ – er besaß 15 Autos im Lauf von 23 Jahren – lässt sich Puccini authentisch erleben.
Nach seinem Tod errichtete die Familie in der Villa eine Kapelle. Sie birgt die sterblichen Überreste der Puccinis. Weiße Marmorstatuen und das Mosaik „Allegorie der Seele“ schmücken die Kapelle. Krönung der Puccini-Erlebniswelt ist in Torre del Lago beim jährlichen Puccini Sommerfestivals einer Open-Air Opernaufführung im Gran Teatro all´aperto (3100 Plätze) am See beizuwohnen.
„La Bohème“ im Hippie Gewand
Zur Eröffnung des 69. Festival Puccini wurde „Die Boheme“ (1896) gegeben, eines der bedeutendsten Werke des Komponisten. Die Oper basiert auf „Szenen aus dem Leben der Bohème“ des französischen Schriftsteller Henri Murger und spielt in Paris um 1830. Dichter, Künstler, Musiker, Intellektuelle des Quartier Latin stehen auf der Seite der Armen gegen Reiche, Kirche und Staat.
Gleich zu Beginn der Aufführung kommt es zum Skandal, Schreie aus dem Publikum: „Schäm dich, geh nach Hause, Trottel, Schleimer“. Sie gelten dem Dirigenten, der mit schwarzer Augenbinde an das Dirigentenpult tritt und dem Publikum erklärend zuruft: „damit ich die Inszenierung nicht ansehen muss“. Die Inszenierung des jungen Regisseurs verlegt „La Bohéme“ in den Pariser Mai 1968, die Protestbewegung mit radikalen Forderungen nach sozialem Wandel, aber auch dem Ruf nach Utopie und Lust am poetischen Spektakel.
„Kommunistisch“ sei das, urteilte der Dirigent des Festivals bereits im Vorfeld, ohne die Inszenierung gesehen zu haben. Zwei Gesten: Vorurteil gegen die Neuinszenierung mit „Gegenwartsbezügen“, eine junge Generation und ihre Antwort auf die italienischen Verhältnisse insbesondere seit der Wahl der rechts-konservativen Regierung. Und: Schwarze Augenbinde, als symbolischer Protest gegen die Tendenz, das Gewicht im „Musiktheater immer weniger auf der Musik und immer mehr auf das Theatrale“ zu legen, so der Dirigent.
Szenisch und musikalisch brillant erzielen die Akteure über zwei Stunden die vier „Bilder“ mit innovativem Bühnenbild, Kostümen und ausdrucksstarker Performance der Sänger mit durchweg starken Stimmen große Resonanz im Publikum. Ovationen und Proteste begleiten den Opernabend bis zum Ende. Im Schlussbild treten Solisten, Chor, Statisten, Techniker, Bühnenbildner in ziviler Kleidung auf die Bühne, als Bürger, die protestieren, als junge Generation („lost generation“) gegen aktuelle Zustände und mit Blick auf ihre Zukunft. Die „Turandot“ Inszenierung am folgenden Opernabend schlug bewährte traditionelle Töne an, kam ohne Skandal aus. Beim Festival wird Puccini, dessen 100 Todestag sich 2024 jährt, als der ewige Luccheser gefeiert, der am liebsten in Luccas Gefilden in der Stadt und dem nahen Torre del Lago und in Viareggio aufhielt.
Ein schönes Ziel auf Puccinis Spuren ist die etwas höher in den Ausläufern der Apuanische Alpen im Serchiotal gelegene lucchesische Ortschaft Celle di Puccini. Hier im Familienhaus der Puccinis lebten die Großeltern, verbrachte der junge Giaccomo seiner Ferien. Heute ist das Haus Museum. Nebenan bietet das Puccini Ristorante mit Bed &Breakfast eine ruhige lauschige Bleibe.
Informationen:
North West Tuscany Chamber of Commerce: www.tno.camcom.it
Lucca Promos: www.luccapromos.it
Puccini Museum: www.puccinimuseum.org
Puccini Festival: www.puccinifestival.it
Villa Museum Puccini: www.giacomopuccini.it
Puccini Museum Celle di Puccini di Pescaglia: www.lucchesinelmondo.it
Bed &Breakfast: www.bb-puccini-ristorante.it
Fotos: Ellen Spielmann, Lorenzo Montanelli