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Tessin: Höhlenschmaus im Sonnental

Allein schon der Weg von Olivone zur Hütte verzaubert. Die Wiesen sind bunt wie ein Regenbogen: Bis zu 100 verschiedene Pflanzenarten pro Quadratmeter strecken sich dort dem Himmel entgegen. Unter ihnen sind mehr als zehn Orchideenarten, Feuerlilien, Schachtelhalm, wilder Salbei, Eisenhut, Schafgarbe, Klee, die Türkenbund-Lilie… Biodiversität at its best.

Wandern, Mountainbiken, Langlaufen

Wanderungen im Ticino – wie die Italiener das Tessin nennen – sind ein Genuss. Besonders für den, der ein bisschen Zeit mitbringt und in einer der 70 Capannas nächtigt.  Oder aber die Campra Alpine Lodge nahe Olivone als Urlaubsdomizil wählt. Dieser lichtdurchflutete Bau ist herrlich modern, herrlich schlicht, herrlich ruhig und vor allem liegt er mitten in der Natur.

Von der Lodge zur Mountainbiketour. Foto: Andreas Kern Fotografie
Von der Lodge zur Mountainbiketour. Foto: Andreas Kern Fotografie

Die Lodge ist der perfekte Ausgangsort für Ausflüge aller Art. Von dort starten die Gäste zu Fuß, mit Mountainbikes- oder E-MTBs zu ihren Erkundungstouren, im Winter gar auf Langlaufskiern.

Denn neben der Unterkunft mit seinem stylischen Spa-Bereich liegt das „Nordische Skizentrum“, das Centro Sci Nordico Campra mit direktem Zugang zu den Loipen.

Mit einem eigenen Restaurant wartet die Ferienanlage ebenfalls auf. Für den Fall, dass man einen bewegungsreichen Tag einfach nur noch gemütlich im Hotel ausklingen lassen möchte, um anschließend schnurstracks wohlig ins Bett zu fallen…

Urig: Speisen in einer Gastro-Höhle. Foto: Ascona-Locarno Turismo Alessio Pizzicanella
Urig: Speisen in einer Gastro-Höhle. Foto: Ascona-Locarno Turismo Alessio Pizzicanella

Höhlenschmaus in einer Grotto

Ein Plan für jeden Abend kann das allerdings nicht sein. Denn einmal im Tessin, muss jeder, der originelle Esskultur liebt, wenigstens einmal in einer der berühmten Grotti speisen. Diese Gastro-Höhlen sind so schön ursprünglich und gehören zu der Sorte von Restaurants, in denen man sich auf Anhieb wohlfühlt.

Die Felsenkeller haben Geschichte. Denn einst dienten sie der Vorratshaltung. Zu Zeiten nämlich, als es weder Kühlschränke, geschweige denn Tiefkühltruhen gab. Geschützt vor der größten Sommerhitze lagerten in den Grotti Wein, Käse, Kastanien, Nüsse, Wurst und Schinken – kurzum alles, was die Bauern als Selbstversorger brauchten, um gut über die Jahreszeiten zu kommen.

Höchst praktisch: In den Höhlen herrschte stets eine gleichbleibende Temperatur.

Sommerfrische „al fresco“

Weil nun aber das Tessin gern und viel von der Sonne geküsst wird, kamen die Einheimischen alsbald auf eine Idee: Diese Felshöhlen können doch mehr sein als nur Speisekammer, dachten sie sich. In den heißen Sommern etwa wären die angenehm temperierten Hohlräume doch auch als Restaurant geeignet…

Das urige Grotto Canvett. Foto: Kirsten Lehmkuhl
Das urige Grotto Canvett. Foto: Kirsten Lehmkuhl

Und der Platz davor – einfach ideal für Tische und Stühle, um die Abende „al fresco“ zu verbringen! Also bekamen alsbald Gäste dort rustikale Küche in ordentlichen Portionen serviert. Und so ist es bis heute geblieben.

Aus den Vorratskammern sind Gasthäuser geworden, in denen man sich mittlerweile natürlich auch im Winter verwöhnen lassen kann – nicht selten vor einem prasselnden Kamin. Tessin ohne Grotti – das geht gar nicht. Die urigen Lokale sind Kult!

Wo Restaurants direkt am Fels kleben

Also hinein in die Grotto Canvett in Semione, ursprünglich aus dem 19. Jahrhundert. Verwunschen ist der Zugang über den grob gepflasterten Weg, das Restaurant klebt direkt am Felsen, die Speiseraum ist überraschend groß.

Die Küche dort ist typisch Tessin und „ganz und gar nach unserer Art“, wie Chefin Alfreda Caprara Chiecchi betont. Sie tischt Köstliches mit Zutaten aus der Region auf, oft in Bio-Qualität.

Frisch auf den Tisch: Lachs, Kapern, Tomaten. Foto: Kirsten Lehmkuhl
Frisch auf den Tisch: Lachs, Kapern, Tomaten. Foto: Kirsten Lehmkuhl

Polenta in den verschiedensten Variationen natürlich, etwa mit geschmortem Rinderbraten, Rindfleisch an Petersiliensauce, die Tessiner Kuttelsuppe busecca oder eine unverwüstliche Minestrone aus lokalem Gemüse. Dazu Wurst- und Aufschnittspezialitäten von der Salami bis zum Schinken.

Und die Desserts bei Alfreda sind hausgemacht, egal, ob ihre Kunden Lust auf Tiramisù, Zabaione, Blätterteigtaschen oder den Tessiner Brotkuchen verspüren.

Merlot aus bauchigen Mini-Krügen

Auch Weinbau hat in dieser Region Tradition. Besonders beliebt ist der Merlot, der in kleinen, bauchigen Keramikkrügen mit Henkel serviert wird. Boccalini heißen die zünftigen Trinkgefäße. Ein rustikales Vergnügen. Denn getrunken wird direkt aus dem Krug. Wenn das Wetter es zulässt, sitzt man draußen auf der Grotto-Terrasse mit Blick auf die Ortschaft Malvaglia.

In der Käserei an der Käsestr.: Caseificio Töira Olivone Foto: Kirsten Lehmkuhl

Von Kräuterküche bis Käsestraße

In dem Dorf befindet sich das Slowfood-Restaurant Casa Merogusto vom Meret Bissegger, in dem sie mit authentischer Tessiner Kräuterküche überrascht. Auch Wildpflanzenkochkurse und Kräuterwanderungen bietet sie an.

Bleibt noch der Käse. Die Schweiz ohne die gelben Laiber ist ja fast nicht vorzustellen. Und so hat auch das Tessin seine Delikatessen. Schließlich wird die Milch der Kanton-Kühe zum großen Teil zu Käse verarbeitet.

Sogar eine Käsestraße gibt es, die am Lukmanierpass startet und vorbei an verschiedenen Käsereien führt, darunter die Caseificio Alpe di Croce oder die Alpe di Pertusi. Zu den bekanntesten unter den heimischen Käsen zählt denn auch der mehrfach ausgezeichnete Pertusio-Käse. Kostprobe gefällig? In der kleinen Bio-Käserei Caseificio Töira in Olivone ist er zu haben. Richtig verpackt auch zum Mitnehmen…

Informationen:

Campra Alpine Lodge: www.campralodge.ch

Capanna Dötra, Olivone: www.satlucomagno.ch, www.capanneti.ch

Grotto Canvett, Semione: www.grottocanvett.ch

Meret Bissegger/Wildkräuter: www.meretbissegger.ch

www.ticino.ch

Fotos: Kirsten Lehmkuhl, Andreas Kern Fotografie, Ascona Locarno Turismo Alessio Pizzicanella

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