Nachhaltiges Nijmegen: In der niederländischen Universitätsstadt nahe der deutschen Grenze ist das Bewusstsein für einen verantwortungsvollen Umgang mit Nahrung und Ressourcen sehr hoch. Herausragendes, kulinarisches Highlight ist das neue Restaurant „De Nieuwe Winkel“ – gesetzt von Chef Emile van der Staak und seinem Team. Außergewöhnliche Zutaten kombiniert mit der Kunst ihrer Zubereitung sowie der außerordentliche Wohlgeschmack seiner Speisen und Getränke – über Emile leuchtet seit 2021 ein Michelinstern.
Seine Ingredienzien bestehen aus Beeren, Zweigen und Blättern, aus Sprossen, Keimen und Blüten sowie Früchten, Baumrinde oder Kräutern, die die Natur im „Food Forest Ketelbroek“ von Wouter van Eck “ einfach so hergibt. Alles wächst in diesem Lebensmittelwald wild, ohne Dünger oder Züchtungen. Emile und seine Leute experimentieren, forschen und kochen, sie möchten die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Die Speisen, die Emile dann auf den Tellern präsentiert, überraschen und überwältigen.
Dieser Nahrungswald war Auslöser für die botanische Küche
Seine Ausbildung erfährt und genießt Emile in klassischen Restaurants wie etwa bei Paul Fagel, „Comme Chez Soi“ und im „La Rive“. Vor zehn Jahren begann der ehemalige Bauingenieur, weltweit Koch-Traditionen und fremde Esskulturen zu durchkämmen und sich akribisch um einen grundsätzlich neuen Weg für die Küche zu kümmern. Er übertrug diese Erfahrungen aus Traditionen und die neu entdeckten Möglichkeiten auf die Lebensmittel, die in der westlichen Kultur erhältlich sind: „Darin liegt die Zukunft unserer Ernährung“, sagt der 45-Jährige. „Die Klimakrise trägt ein Übriges dazu bei, dass ich mich diesem Thema von Anbau und Verarbeitung noch intensiver widme“. Mit der Eröffnung seines Restaurants „De Nieuwe Winkel“ lebt er nun vollends seine Kräuter und Gemüse-Passion zur Freude aller Gourmets ebenso genussvoll wie erfolgreich voll aus.
Wouter van Eck ist aus tiefstem Herzen und Überzeugung Botaniker, seinen „Food Forest Ketelbroek“ gründete er vor mehr als zehn Jahren. Der ehemalige Diplom-Politikwissenschaftler sieht sich ebenfalls dazu in der Welt um. „vor allem in Kenia lernte ich das Potenzial der Agroforstwirtschaft kennen“, sagt der 56-Jährige, er eignete sich immer mehr über dieses Anbausystem in unserem Teil Europas an. 2009 initiiert und gründet er den Food Forest mit dem Kauf von 2,5 Hektar Land nahe Groesbroek. „Voedselbos“ heißt dieser ertragreiche Nahrungswald auf Niederländisch, in dem mittlerweile reiche Ernte herangewachsen ist.
Der Wald erledigt alle Arbeit selbst
Als erstes pflanzte Wouter – zur Förderung der Biodiversität und zum Schutz des Areals – Hecken mit Weiden, Erlen und Weißdorn. Im Jahr darauf kamen viele essbare Arten hinzu wie Kastanien, Hasel-, Wal- und Pekannuss. Auch Trauben, Apfel, die asiatische Nashi-Birne, Aprikose, Pflaume, Mandel – aus Teilen von China, Korea, aber auch Chile und Nordamerika, natürlich Europa und seiner niederländischen Heimat. Heute gedeihen 450 verschiedene Arten essbarer Wald- und Wildpflanzen, alle aus derselben Klimazone.
„Ich wende ein landwirtschaftliches System an, das von den ökologischen Prinzipien eines Waldsystems inspiriert ist“, sagt der. „Sobald richtig gepflanzt wurde, muss danach nichts mehr getan werden“, so Wouter weiter. Da die Natur den größten Teil der Arbeit in einem Nahrungswald erledigt, ökologische Prozesse wie Bodenfruchtbarkeit aufbauen, Bestäubung, Seuchenbekämpfung, hat er mehr Zeit, sich für noch mehr Nahrungswald einzusetzen und hilft anderen Holzbauern dabei, schon mal einen Teil ihres Eigentums umzuwandeln. Wouter ist auch Vorsitzender der „Stichting Voedselbosbouw Nederland“-Stiftung für Lebensmittelforstwirtschaft Niederlande.
Montags ist „Forest“-Tag
Der Februar beginnt mit den großen Blütenknospen der Japanischen Riesenpestwurz. In Japan sei das eine wahre Delikatesse, die den Beginn und das Endes des Winters kennzeichnet. Dann zarte Blätter von Bergsalat/Winterportulak, auch der beinahe vergessene Alisander-Pferdeeppich mit den gelben Dolden, Ackerschmalwand, das als Gartenschaumkraut bekannt ist und allererste Blätter von Bärlauch. Immer Montags sieht man Emile sich durch diesen dichten Wald „schlagen“, auf der Suche nach aktuellen Zutaten. Dieses riechen, knicken, sammeln, herauspicken und probieren inspiriert und beruhigt ihn. „Hier wächst zum Beispiel „Pimpernoot“, eine einheimische Pflanze, die kleine Tüten mit Nüssen bildet. Aus ihr können wir Schnaps, Tee oder auch Konfitüre machen“, erklärt Emile.
Hellgrüner Geschmack
Schon mit den jungen Trieben und dem ersten Beginn der Blüten erhalten beide erstaunliche und brauchbare Produkte. So fühle sich zum Beispiel der japanische Bergspargel, das chinesische Mahagoni oder die Honigbeere aus Sibirien in den Niederlanden überraschend wohl. „Plötzlich begannen wir mit chinesischem Mahagoni, koreanischem Bergspargel und japanischem Ingwer zu arbeiten“, erinnert sich Emile. „Was wir mit dem chinesischen Mahagoni gemacht haben, wurde noch nie gemacht! Der Baum hat Blätter, die wie gebratene Zwiebeln schmecken“, erklärt er weiter. Jährlich werden, nach uralter Sitte, seine Äste beschnitten, das setze diese Aromen frei. Oder das traditionelle japanische Miso. Üblicherweise wird es aus Sojabohnen und Salz hergestellt, ein Produkt mit einer jahrtausendealten Geschichte. Team Emile macht es mit holländischer Gerste, „… die Fermentationstechnik ist genau dieselbe“.
Bald werden sie im Frühjahr große Mengen Brennnessel mit ihrem unverwechselbaren hellgrünen Geschmack ernten, der die meisten essbaren Wildpflanzen charakterisiert: „Die eigentliche Saison im „Food Forest“ beginnt dann im April mit Honigbeere, Lindenblätter, Bambussprossen, besagtem chinesischen Mahagoni und jede Menge mehr!
Informationen:
Restaurant DE NIEUWE WINKEL in NIjmegen/DNW, www.denieuwewinkel.com
Food Forest Ketelbroek/Voedselbos Ketelbroek, www.voedselbosbouw.org/ketelbroek
Nachhaltig zentral logieren im „Guest House Vertoef“, www.guesthousevertoef.com/nl/
Fotos: Restaurant DNW, Pieter Jansen