„Alles bio“ heißt es bei Leda Acquisti auf ihrem Landgut Il Faggeto nördlich Anghiari. Stolz, doch auch betroffen steht sie jetzt im Spätherbst vor ihren prall gefüllten Olivenbäumen, die mit dem Getreideanbau die finanzielle Existenz auf Il Faggeto sichern. Noch, so Leda Acquisti, wüssten die Oliven leider noch nicht, wie sie sich verhalten sollten. Und die Menschen auch nicht. Denn 2024 war und ist ein sehr gutes Olivenjahr. Aber es hat im September und Oktober fast zu viel, geregnet. Noch dazu fehlt die eine kalte Nacht, die Oliven schätzen, bevor sie geerntet werden.
Natürlich nutzt Leda, ursprünglich studierte Wirtschaftswissenschaftlerin, heute die Zentrifuge zur Olivenernte. Aber bei ihr dreht sie sich unter 3000 Umdrehungen pro Minute. Das bringt weniger Ertrag, doch bessere Qualität. Leben, meint sie lakonisch, könne man längst nicht mehr von Oliven und Getreide. Daher lässt sie Mehl mahlen und stellt selbst leckeres Brot, süßes und salziges Gebäck her, das wie warme Semmeln weggeht. Zu haben sind ihre Waren online und natürlich im nahen Anghiari, wo sich alte Handwerksbetriebe gegen alle Trends am Leben halten!

Südlich Anghiari liegt das Landgut von Davide Del Gaia. Der Anfangvierziger hat den Hof des Vaters übernommen, gut 30 Hektar mit Getreideanbau, dazu vier Hektar Weinberge. Mittlerweile hat er drei exquisite Tropfen auf den Markt gebracht, doch nur in niedriger Tausenderauflage. Da gibt es den Podere Volterena, ein Sangiovese IGP Toscano, dann den weißen Roncione aus Chardonnay und Malvasia, schließlich, eine Verbeugung vor dem Vater, den exzellenten roten „Milton“, ein Merlot IGP Toscano. Wer in der Gegend ist, sollte hier unbedingt eine Degustation mitmachen.
In Anghiari treffen wir Mastro Santi. Sein Hauptmetier sind allerkomplizierteste Holz-Intarsienarbeiten des Mittelalters und der Renaissance, wie sie nur wenige weltweit beherrschen. Wer einmal in seiner Werkstatt an der Via Nova 8 war, wird seine Klasse unumschränkt eingestehen. Sein Studiolo, sein Studier- und Arbeitszimmer, ist eine mit Intarsien verkleidete Schatzkiste. Wer seine Arbeiten erstehen möchte, sollte auch zum Show Room in Anghiaris pittoresker Altstadt an der Via Trieste 7 gehen. Am Weg dorthin öffnet die Leinenweberei Busatti. Seit 1842 produziert sie, heute fast nur noch nach Auftrag. Busatti produziert und liefert weltweit Exklusivstes – und hat seinen verdienten Preis.

Danach sollte der Besuch des Museums zur Schlacht von Anghiari vom 29. Juni 1440 anstehen, welche Florenz gegen Mailand gewann. Leonardo da Vinci malte das Ereignis 1503 für den Palazzo Vecchio in Florenz, doch ging das Fresko verloren. Oder doch nicht? Seit Jahren zieht sich der Kunstkrimi um dies Werk hin, das angeblich von Vasaris Werk im Saal der 500 überdeckt wird. Kulinarisches lockt dann ins Talozzi Bistrot della Fonte, wo überbackenen Käse, mit Ricotta und Spinat gefüllte Ravioli oder ein Peposo vom Wildschwein ordert. Oder man wechselt ins 5 km entfernte Sansepolcro, wo im Ristorantino Madú (Via Piero della Francesca 60) drinnen wie draußen hervorragende Küche serviert wird.
Im Museo Civico stehen dann Werke des größten Sohnes der Stadt, des Renaissance-Künstlers Piero della Francesca auf dem Programm. Die Pinakothek hat auch andere Meister wie Santi di Tito zu bieten. Das vermeintliche Geburtshaus Pieros, die Casa di Piero, öffnet nur Schritte weiter und präsentiert auf drei Etagen Leben und Rezeption zum lange verkannten Künstler, der auch Mathematiker war. Das bezeugt ein historisches Schachspiel im 2. Stock, wo sich auch kostbaren Nachbildungen von Schmuckstücken sind, die Piero auf Fresken und Gemälden zeigte.

Den Reichtum des Tibertals zeigt dann das Aboca Museum. Aboca beschäftigt sich mit der Herstellung und Verarbeitung von Kräutern zu Pharmazeutika, Gesundheits-Cremes und Schönheits-Kosmetika – ein Megamarkt, dessen Ursprünge im alten Palazzo Bourbon del Monte bestens zum Tragen kommt. Da ist der historische Apothekenraum mit einem präparierten Krokodil an der Wand, da sind fünf Räume, die multimedial als Aboca Experience diese Welt näherbringen.
Im Oratorium der nahen Kirche San Rocco befindet sich ein Nachbau des heiligen Grabes in Jerusalem, dem Sansepolcro seinen Stadtnamen verdankt. Dann sollte das Museum historischer Glaskunst auf dem Programm stehen, in dem sich die 1:1-Glasversion von Leonardo da Vincis „Abendmahl“ befindet, entstanden 1937 bis 1942! Grandios, wie auch das restaurierte Gemälde von Rosso Fiorentino über dem Hauptaltar der Kirche San Lorenzo. Dann geht es ins Relais Palazzo di Luglio, einem Landgut, das mit wunderbarem Panoramablick, Pool und historischen Appartements aufwartet. Auf Wunsch wird auch abends gekocht, köstlich wie auch das Frühstück, zu dem sogar frische, in Olivenöl eingelegte Salsicce (Bratwürstchen) gereicht werden. Diese uralte Konservierungsmethode wird hier wieder gepflegt. Also, auf zu Luglio!
Informationen:
Valtiberina, Sansepolcro, Anghiari: www.meetvaltiberina.it
Museo Civico Sansepolcro: www.museocivicosansepolcro.it
Casa di Piero Sansepolcro: www.fondazionepierodellafrancesca.it
Aboca Museum Sansepolcro: www.abocamuseum.it/en
Museo della Battaglia di Anghiari: www.battaglia.anghiari.it
Mastro Santi, Anghiari: www.mastrosanti.com
Relais Palazzo di Luglio, Sansepolcro: www.relaispalazzodiluglio.com
Azienda Agricola Il Faggeto, Anghiari: www.ilfaggeto.com
Azienda Vinicola Davide Del Gaia, Anghiari: www.davidedelgaia.com
Fotos: Ellen Spielmann