„Auf Gotland gibt es rund 55 Paare dieser Spezies. Und mit mehr als 75 Steinadlerpaaren wird hier die weltweit größte Dichte verzeichnet“, freut sich Guide Jim Sundberg von Gotland Nature über die Superlative. Gern führt er seine Gäste zu den Aussichtpunkten, von denen aus durch seine Monokular Teleskop ein Blick zu den großen Nestern, die 1000 Kilo wiegen können, möglich ist und mit etwas Glück die Raubvögel in Aktion erlebt werden können.
Geduldig wartet der Naturführer in den Beobachtungsstationen auf das Erscheinen der eindrucksvollen Flugkünstler. Kaum ist ein Prachtexemplar zu sehen, beginnen die aufgeregten Hobbyornithologen sofort zu flüstern. Dabei sind es nicht die Ohren, sondern die Augen der Greifvögel, die zum Beispiel eine Maus aus Höhen von über drei Kilometern erkennen können. Für Momente in die fantastische Welt der Vogelperspektive entführt, beginnen die Träume. „Mit Adleraugen wäre die Schönheit der Insel Gotland noch schneller zu erfassen“, schwärmt ein Gast.
Relikte der Urzeit
Vor 10.000 Jahren, nach dem Ende der letzten Eiszeit, entstand Gotland. Diese größte Insel Schwedens vereint eine faszinierende Mischung aus einer bewegten Vergangenheit und unberührter Natur. Besonders beeindruckend sind die majestätischen Felsformationen, bekannt als Rauken, die an zahlreichen Abschnitten die Küste der etwa 176 Kilometer langen und 52 Kilometer breiten Insel zu bewachen scheinen. Sie haben ihren Ursprung im tropischen Klima, das vor etwa 400 Millionen Jahren während des Silur-Zeitalters herrschte.
Aus den damaligen Korallenriffen entstand ein Kalkstein-Plateau, das Gotland eine einzigartige Landschaft und Flora bescherte. Die Relikte eines Erdzeitalters, in dem hier ein urzeitliches Meer über ein Korallenriff schwappte, sind ein weiteres eindrucksvolles Zeugnis dafür, dass die Natur auf Gotland bis heute deutlich von der des Festlands abweicht. Aufgrund des milden Klimas haben Menschen seit Tausenden von Jahren auf der Insel gelebt und das Land bewirtschaftet. Dank seiner abgeschiedenen Lage hat Gotland eine lange, eigene Tradition entwickelt, auch im Bereich der kulinarischen Genüsse. Greifbare Geschichte, natürliche Schönheit und viele Sonnenstunden verleihen Gotland eine magische Aura.
Steinerne Wächter
Die Vegetation auf dem flachen Farö, der kleinen Schwester Gotlands, besteht hauptsächlich aus windschiefen Kiefernwäldern, Wildkräutern und Wiesen, auf denen Schafe grasen. Die Landschaft ist karg. Nur wenige Straßen und Wege führen über die Insel, die vom weiten Meer umgeben ist. Ein schmaler, gleichnamiger Sund trennt die zusammengehörigen Inseln. Wer ihn überqueren möchte, ist auf die Fähre angewiesen. Ein Weg, der sich unbedingt lohnt. Denn gerade an der Küste von Farö präsentieren sich die Raukensteine als ein wahrhaftiges Naturspektakel. Die vom Wind und Wetter modellierten Kalksteinsäulen versetzen in Staunen, regen die Fantasie an und lassen ehrfürchtig werden. Wie Statuen oder gigantische Wächter rahmen sie an einigen Abschnitten die Ufer der Insel ein. Ein Anblick, der niemanden unberührt lässt.
Bei den Dreharbeiten zu „Wie in einem Spiegel“ entdeckte der Regisseur Ingmar Bergman 1960 die Insel Fårö, mit einem 100 Jahre alten Wrack sowie den bizarren Rauken. Erverliebte sich auf den ersten Blick in daskleine Eiland und entschied sich für seine Wahlheimat – eine jahrzehntelange Liebe, die bis zu seinem Tod im Jahr 2007 hielt. Unter anderem drehte Ingmar Bergman auf Farö cineastische Meisterwerke wie „Persona“ oder „Szenen einer Ehe“. Im kleinen Bergman Center ist viel über das Genie, das mehr als 500 Werke schuf, zu erfahren. Neben zahlreichen Fotografien, Notizbüchern, Dokumenten sind Filmsequenzen sowie Requisiten zu sehen. Das Zentrum bietet neben Seminaren, Filmen, Vorführungen und Touren jedes Jahr eine Bergman-Woche an.
Nicht weit von dem Centrum entfernt, befindet sich auf dem die letzte Ruhestätte des berühmten Regisseurs. „Ich kann Bergman verstehen, selbst wenn ich im Winter täglich aus dem quirligen Visby den weiten Weg hierhin fahren muss, möchte ich Fårö nie mehr missen. Mein Opa lebte schon hier und jeder, den ich kenne, würde bestätigen, dass es diese Insel wert ist, die längste Fahrt auf sich zu nehmen“, bestätigt Nicole Caspar, Mitarbeiterin vom Bergman Center.
Idylle für Feinschmecker
Egal ob Köche, Brenner, Brauer, Restaurant- oder Hotelbetreiber – großartig, wie sie alle mit viel Herzblut und Kreativität ihrer Passion nach gehen. Auf Regionalität setzen auch Hanna and Kristoffer Dagerås. Sie eröffneten auf ihrem Bauernhof ein kleines Restaurant, neben der sie eine eigene Manufaktur “Pastamakarna“ mit Nudeln aus gotländischen Produkten betreiben. Grundidee und Konzept sind unkompliziert: Frisch zubereitete Pasta mit verschiedenen Saucen. Sogar das Lammragout wird vom Schwager, der ebenfalls in der Nähe lebt, hergestellt.
„Unsere Pasta ist vielseitig einsetzbar, sei es für ein schnelles Abendessen unter der Woche oder für große Partys mit vielen Gästen. Sie ist einfach, sättigend, umweltfreundlich hergestellt und gesund. Aber das Wichtigste ist, dass es das Lieblingsessen unserer eigenen Kinder ist, und Pastamakarna ist unser Herzensprojekt für sie“, betont Kristoffer Dageras.
Im Restaurant Fårögården, das auf das Jahr 1850 zurückgeht, wird ebenfalls viel Wert auf Gemütlichkeit, Historie und Regionalität gelegt. „Wir versuchen möglichst mit lokalen Zutaten zu kochen. Was wir auf Gotland nicht finden, importieren wir vom Festland“, berichtet Kerstin Petersson von der Inhaberfamilie des Traditionshauses. So werden auf den anheimelnden Holztischen, auf denen sich abends der Schimmer vom Kerzenlicht spiegelt, beispielsweise Gerichte aus Pfifferlingen, Kohl, Lamm sowie Desserts mit frischen Beeren serviert. Jedes Detail und jede Zutat der magischen Insel birgt einen kleinen Schatz.
Übernachtungstipp:
Das Sudersand Resort befindet sich am flachen Sandstrand auf der Insel Fårö. Die Auswahl reicht vom Wohnmobilstellplatz bis zum freistehenden Ferienhaus mit Kamin. Empfehlenswert ist auch die Strandsauna.
Fotos: Carola Faber